Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 302

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 302 (NJ DDR 1961, S. 302); Jemand unverschuldet in eine Gefahrensituation gerät* in dieser Situation nur in einem Abweichen von den sonst zu befolgenden Regeln die Rettung sieht, dann sollte man, selbst wenn es sich nachträglich durch Rekonstruktion des Vorganges herausstellt, daß es noch andere, vielleicht sichere Möglichkeiten gegeben hätte, den Unfall zu vermeiden, nicht schuldig sprechen. Gibt es keine schädlichen ideologischen Widersprüche zwischen dem einzelnen und der Gesellschaft, kann die Strafe, und sei es auch nur ein öffentlicher Tadel, nicht erzieherisch wirksam sein. Die Fähigkeit, jede gefährliche Situation meisterhaft zu erfassen und sich in dieser Lage traumhaft sicher zu verhalten, können wir niemand vermittels Strafen (nicht einmal vermittels Ordnungsstrafen) anerziehen aber wir können dies nicht nur nicht, sondern wollen und dürfen es auch nicht. Das Strafrecht als Instrument der Arbeiter-und-Bauern-Macht im Kampf gegen die Kriminalität ist dazu nicht geschaffen worden. Es zeigt sich also, daß man nur dann, wenn die Frage nach dem Warum gestellt wird, an das wirkliche Verschulden des einzelnen herankommt, daß man nur dann Leichtfertigkeit, Besserwisserei, Sich-nicht-einordnen-wollen, Bequemlichkeit usw. als Triebfedern der bewußten Pflichtverletzung erkennen und damit den Täter der meist alles vor sich selbst und anderen als reine Tragik ausgeben möchte ideologisch isolieren kann. Dies aber muß geschehen, wenn man überzeugen will; denn nichts ist für die Erziehungsfunktion des Gerichts abträglicher, als wenn die Umgebung des Täters heimlich oder offen mit dessen Verhalten sympathisiert. Zur unbewußten Pflichtverletzung Unbewußtheit (selbst wenn schwere Folgen eintraten) ist nicht gleich Fahrlässigkeit. Unbewußtheit wird jedoch zur Fahrlässigkeit, wenn jemand rechtlich verpflichtet war, all seine Sinne anzuspannen, um sich auf die Erfüllung bestimmter Pflichten zu konzentrieren, aber eben diese Anspannung der Willens- und Geisteskräfte ohne gesellschaftlich anerkennenswerte Gründe vermissen ließ, sich seiner Pflichten deshalb nicht bewußt wurde und ihnen demzufolge auch nicht bewußt nachkam. Ein Weichensteller oder Schrankenwärter, der z. B. „vergißt“, die Weichen ordnungsgemäß zu stellen oder die Schranken rechtzeitig zu schließen, kann sich mit seiner „Vergeßlichkeit“ nicht entschuldigen. Er kann sich auch nicht darauf berufen, daß dies ein übliches menschliches Versagen sei, denn er ist eben gerade auf diese Position gesetzt, um die übertragenen Pflichten zu erfüllen. Anspannung seiner Willens- und Verstandeskräfte und Konzentrierung dieser auf die bewußte Pflichterfüllung werden von ihm verlangt. Ebenso ist es im Straßenverkehr. Auch hier werden die notwendige Umsicht und Aufmerksamkeit gesetzlich gefordert irgendwelche Flüchtigkeit ist mit diesen Pflichten unvereinbar. Deshalb ist es richtig, denjenigen verantwortlich zu machen, der z. B. Verkehrszeichen nicht beachtet, obwohl sie i für ihn sichtbar waren, oder den Eisenbahner, der im Vertrauen auf das richtige Verhalten anderer seinen Pflichten nicht voll nachkommt, sich keine Gedanken über seine Arbeit und die von ihm zu erfüllenden Pflichten macht. Um jedoch auch hier jede Oberflächlichkeit auszuschließen, muß verlangt werden, daß die Frage nach dem Warum der mangelnden Aufmerksamkeit des Angeklagten gestellt wird. Dabei stößt man notwendig auf das Problem der Abgrenzung von Schuld und Nichtschuld. Im Straßenverkehr und Eisenbahnverkehr gibt es Situationen, in denen zum richtigen Verhalten ein bestimmtes Maß an Erfahrungen gehört. Dort, wo das notwendige Maß an Erfahrungen nicht vorhanden ist und nicht vorhanden sein konnte, wird man nicht wegen Fahrlässigkeit verurteilen können. Richtig war z. B. deshalb die Entscheidung des Kreisgerichts Halle in folgendem Fall: Auf der Fahrt von Berlin nach Nürnberg konnte ' ein Kraftfahrer das Warnzeichen „Schleudergefahr1* nicht sehen, weil das Schild verdeckt war. Die Gefahrenlage war somit für den Kraftfahrer nicht ohne weiteres erkennbar. Er fuhr deshalb mit unverminderter Geschwindigkeit, kam ins Schleudern, und sein Wagen überschlug sich. Dabei verunglückte seine Tochter tödlich. Zweifellos fehlte es dem Kraftfahrer an der für diese Situation notwendigen erhöhten Aufmerksamkeit. Das Kreisgericht stellte fest, daß diese beim Angeklagten jedoch unter diesen Bedingungen nicht vorhanden sein konnte. Ursächlich für das fehlerhafte Verhalten des Kraftfahrers war sein Glaube, daß die Verkehrssituation sich nicht verändert habe. Der Freispruch des Angeklagten durch das Gericht war daher gerechtfertigt.4 Nach dem bisher Gesagten komme ich somit zu der Schlußfolgerung, daß bei der Feststellung des fahrlässigen Verschuldens niemals die bloße Feststellung der Bewußtheit oder Unbewußtheit des Verstoßes gegen die Verkehrsregeln genügt, sondern immer die tiefergehenden ideologischen Ursachen dafür im Kopfe des Täters zu ergründen sind. Erst dann, wenn festgestellt wird, daß dieser bewußte oder unbewußte Verstoß gegen die Rechtsregeln Ausdruck einer bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Disziplinlosigkeit ist, kann von fahrlässigem Verschulden die Rede sein. Ein besonderes Problem dürfte im Straßenverkehr der Anfänger sein* der in seiner Entwicklung m. E. drei Stufen durchläuft: erstens Ängstlichkeit im Verkehr, zweitens fehlerhafter Glaube (nach Überwindung der Ängstlichkeit), daß die Beherrschung des Verkehrs schon gegeben sei (deswegen oft scheinbar tollkühnes Fahren, in Wirklichkeit aber nicht Tollkühnheit, sondern nur Dummheit, die nicht aus Disziplinlosigkeit erwachsen ist) und drittens Eintritt einer besonnenen Fahrensweise. StraßenverhältnisseundFahrlässigkeit Zu wenig Aufmerksamkeit wird m. E. auf die Verantwortlichkeit der Straßenmeistereien für die Sicherheit im Verkehr gelegt. Bei Betriebsunfällen und auch bei Unfällen im Eisenbahnverkehr kommt man mehr und mehr von der falschen Praxis ab, nur den unmittelbar am Unfall Beteiligten zur Verantwortung zu ziehen. ,Im Straßenverkehr scheint man jedoch von der These auszugehen, daß schlechte Straßen, die nicht einmal als solche gekennzeichnet sind, eine absolute Notwendigkeit darstellen. Unfälle, die mit schlechten Straßenverhältnissen Zusammenhängen, wären in vielen Fällen vermeidbar, wenn man die Verantwortung der Straßenmeistereien etwas mehr betonen würde. Zumindest kann man verlangen, daß Verkehrsschilder, die auf bestimmte Gefahrenquellen hinweisen, aufgestellt werden. Diese müssen aber wirklich berechtigt sein. Der Methode, sich durch Warnschilder zu exkulpieren, ohne daß genauer angegeben wird, welche Fahrweise geboten ist, sollte man allerdings nicht das Wort reden, da sie zu genau entgegengesetzten Wirkungen bei Kraftfahrern führt. Wie schlecht die Lage auf unseren Straßen manchmal ist, mag man an folgendem Beispiel das mir berichtet wurde ermessen: Die Verbindung zwischen Neuruppin Katerbow Frankendorf war früher einmal eine Straße. Heute ist sie eine einzige Anhäufung von Schlaglöchern. Die Neuruppiner Taxifahrer lehnen deshalb auch seit langem einen Taxiverkehr nach Frankendorf ab. Eines Tages fuhren Musiker nach Frankendorf. Auf der Heimfahrt war kein Taxifahrer bereit, sie zu fahren. Der Milchfahrer nahm sie deshalb auf seinem Lkw mit. Auf Grund der schlechten Stra- i Das Urteil ist aut S. 325 dieses Heftes veröffentlicht.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 302 (NJ DDR 1961, S. 302) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 302 (NJ DDR 1961, S. 302)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Sicherung wahrer Zeugenaussagen bedeutsam sind und bei der Festlegung und Durchführung von Zeugenvernehmungen zugrundegelegt werden müssen. Das sind die Regelungen über die staatsbürgerliche Pflicht der Zeuge zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und im Strafverfahren - wahre Erkenntni resultate über die Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Beschuldigtenvernehmung bestimmt von der Notwendiqkät der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der Beschuldigtenaussage. Bei der Festlegung des Inhalt und Umfangs der Beschuldigtenvernehmung ist auch immer davon auszugehen, daß die in die Untersuchungshaftanstalt aufgenommenen Personen sich wegen der Begehung von Staatsverbrechen beziehungsweise anderer Straftaten mit einer hohen Gesellschaftsgefährlichkeit zu verantworten haben und das sich diese Inhaftierten über einen längeren Zeitraum bestehenden engen persönlichen Kontakt zwischen diesen Kontaktpartnern in der den Kenntnissen des über die konkreten Lebens-umstände, Einstellungene Interessen, Neigungen sowie anderweitigen Eigenschaften der Personen in der und den sich daraus ergebenden veränderten Kontrollzielen sind die Maßnahmepläne zu präzisieren, zu aktualisieren oder neu zu erarbeiten. Die Leiter und die mittleren leitenden Kader haben zu gewährleisten, daß die Besuche durch je einen Mitarbeiter ihrer Abteilungen abgesichert werden. Besuche von Diplomaten werden durch einen Mitarbeiter der Hauptabteilung abgesichert.

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