Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 301

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 301 (NJ DDR 1961, S. 301); mungen der Straßenverkehrsordnung unterstützend heranziehen kann. Bei der konkreten Pflichtbestimmung muß jedoch jede Überspitzung vermieden werden. Die Pflichten werden in den Ordnungen immer abstrakt konstatiert. Besonders im Straßenverkehr variieren sie je nach der Situation sehr stark. Man darf auch die Pflicht nicht mit dem in der gegebenen Situation „objektiv richtig gewesenen“ Verhalten verwechseln. Als Pflicht dürfen auch im konkreten Fall nur solche Verhaltensweisen konstatiert werden, die in der gegebenen Situation, ausgehend . von den Forderungen des Gesetzes, als allgemein gültige Kegeln für alle Bürger Geltung haben würden wobei die gegebene Situation unter Berücksichtigung aller, auch der volkswirtschaftlichen Zusammenhänge zu bestimmen ist. Richtig wurde z. B. in folgendem Falh entschieden: Die Fahrerin einer Straßenbahn ließ sich „von einem Lkw-Fahrer an dessen Lkw vorbeiwinken, weil es die gegebene Situation erforderte. Der Lkw-Fahrer stellte sich jedoch dabei so falsch auf, daß es zum Unfall kam, an dessen Folgen er verstarb. Zu Recht wurde hier abgelehnt, daß eine Verpflichtung der Fahrerin bestanden habe, dem Lkw-Fahrer etwa seinen Platz anzuweisen, weil dieser von seiner Position aus am besten beurteilen konnte, wo er stehen mußte23). Falsch war dagegen die Entscheidung eines Gerichts, das einen Kraftfahrer verurteilt hatte, der im Nebel auf der Autobahn einen Lkw überholte und während des Überholens zwei Personen verletzte, die auf der Fahrbahn standen. Da das Überholen auch bei schlechter Sicht nicht verboten ist, lag das verkehrswidrige Verhalten bei den verletzten Personen, die sich unberechtigt auf der Fahrbahn aufhielten. Schuldfeststellung Erst wenn diese Vorfragen hinsichtlich der bestehenden Rechtspflichten geklärt sind, setzt die eigentliche Schulduntersuchung ein. Dabei kann es folgende Variationen geben: Die bestehenden Rechtspflichten wurden bewußt oder unbewußt verletzt. Diese Einteilung in bewußte und unbewußte Verletzung der Rechtspflichten hat nichts mit der Unterscheidung zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit zu tun. Die Unterscheidung zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit bezieht sich nicht auf die Verletzung der Rechtspflichten, sondern auf den eingetretenen Erfolg. Bewußte Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Täter die möglichen Folgen seines Handelns voraussieht, unbewußte Fahrlässigkeit, wenn der Täter den Erfolg überhaupt nicht voraussieht. Hier aber ist die Bewußtheit nicht auf den Erfolg oder die Gefahrensituation bezogen, sondern auf die bestehenden Rechtspflichten. Zur bewußten Pflichtverletzung Die bewußte Pflichtverletzung ist bei fahrlässig begangenen Verkehrsdelikten recht häufig. In diesem Fall haben sich die Täter häufig an eine schlampige Arbeitsweise gewöhnt, nehmen die rechtlichen Bestimmungen nicht ernst, sind teilweise zu bequem, sich entsprechend den Vorschriften zu verhalten, und so weiter. Im Straßenverkehr äußern sich diese bewußten Pflichtverletzungen in waghalsigem Fahren, z. B. im Glauben, die zugelassene Höchstgeschwindigkeit im Stadtverkehr sei für ihn zu gering; oder daß man sich (weil man es eilig hat) auch berechtigt fühlt, eine höhere Geschwindigkeit zu fahren, als es die Verkehrssituation erlaubt; daß man meint, unbedingt „forsch“ um die Ecken fahren zu müssen, selbst wenn man nicht weiß, wie es dahinter aussieht; daß man auf Landstraßen an unübersichtlichen Stellen überholt usw. Bewußter Verstoß gegen die Rechtspflichten heißt nicht unbedingt vorsätzlicher Verstoß dagegen. Es genügt für die Feststellung des bewußten Verstoßes, daß der Täter wußte, daß er seine Pflichten verletzte, z. B. also, daß er zu schnell fuhr, sich vom Freisein der Fahrbahn nicht überzeugte, ehe er die Fahrtrichtung änderte, oder sich nicht einweisen ließ usw. Um jedoch tiefer in die ideologische Situation einzudringen, die beim Täter vorlag, muß geprüft werden, warum der Täter von den Regeln des Verhaltens bewußt abgewichen ist. Erst wenn man die Gründe für dieses bewußte Abweichen von den Regeln kennt, vermag man zu beurteilen, welche Ideologie der Täter zur Geltung bringen wollte, und ob er sich mit seiner Ideologie gegen die Regeln des sozialistischen Zusammenlebens, der sozialistischen Moral und Disziplin, die hier zum Recht erhoben worden sind, gestellt hat. Bei einer derartigen Untersuchungsmethodik zeigt sich, daß die Dinge nicht immer so einfach liegen, wie sie zunächst erscheinen. Der Verkehr rollt bekanntlich recht schnell. Der Mensch hat nur wenig Zeit, sich zu entscheiden. Oft ergibt sich die Gefahrensituation für ihn so plötzlich, daß die Entscheidung im Bruchteil einer oder in nur wenigen Sekunden zu fällen ist. Und hier kann es geschehen, daß der Mensch eine objektiv gegen die Verkehrsregeln laufende Entscheidung fällt in der Meinung, gerade diese sei geeignet, den Unfall zu vermeiden. Das sei an dem Fall demonstriert, den ich ausführlich in meiner Arbeit „Über die Strafwürdigkeit von Fahrlässigkeitsverbrechen“* geschildert habe: Ein Kraftfahrer fuhr bei windigem Wetter und Schneefall mit seinem Pkw in mäßiger Geschwindigkeit eine etwas ansteigende Straße hinauf. Ihm entgegen kam auf der falschen Straßenseite ein Radfahrer. Der Kraftfahrer gab auf 100 m Entfernung die ersten Warnsignale. Der Radfahrer reagierte nicht, sondern fuhr mit abgewandtem Gesicht weiter. Als der Radfahrer auf etwa 12 m herangekommen war und die ständig gegebenen Warnsignale immer noch nicht beachtete, versuchte der Kraftfahrer, ihm mit seinem Pkw zur Straßenmitte hin auszuweichen. Im selben Augenblick mußte aber auch der Radfahrer den Pkw bemerkt haben, denn er versuchte jetzt ebenfalls, nach der Straßenmitte hin auszuweichen. Es kam zu einem Zusammenstoß, bei dem der Radfahrer einen Schädelbruch erlitt. Nach anfänglicher Ohnmacht erholte er sich jedoch und wollte, da ihn an diesem Unfall eindeutig das Verschulden traf, kein Aufhebens von der Sache machen. Er begab sich daher nicht sofort in ärztliche Behandlung, sondern erst Tage später, als sich unerträgliche Kopfschmerzen einstellten. Er verstarb dann, im Krankenhaus. Wie die Zeugenaussagen einwandfrei ergaben, hat der Radfahrer unter Alkohol gestanden. Der Grad der Beeinflussung war nicht mehr feststellbar. Wo liegt das Verschulden des Kraftfahrers? Hat er sich nicht wenn auch ohne Erfolg bemüht, die entstandene Gefahrenlage, die nicht durch sein, sondern des Radfahrers undiszipliniertes Verhalten entstanden war, durch Gegenmaßnahmen zu beseitigen? Daß er hier etwas tat, was gerade zum Unfall führte, weil die Situation sich unerwartet (durch anderes Reagieren des Radfahrers) veränderte, ist doch kein Verbrechen wider das Leben. War die Haltung des Kraftfahrers gegenüber unseren Verhältnissen zum Schutze des Lebens feindlich oder war sie nicht im Gegenteil menschlich verständlich? Das sind Fragen, die zu einer Verneinung des Verschuldens führen müssen. Hier wäre es zwar einfach zu sagen, der Täter hat bewußt pflichtwidrig gehandelt und ist deshalb wegen Fahrlässigkeit zu verurteilen. Doch in solchen Fällen sollte man von folgendem ausgehen: Alle rechtlichen Bestimmungen haben den Zweck, nicht ein Verhalten an sich zu fordern, sondern den reibungslosen Verkehr zu ermöglichen und Unfälle zu vermeiden. Wenn 2a Das Urteil ist auf S. 326 dieses Heftes veröffentlicht. 3 vgl. Beiträge zum Strafrecht, Berlin 1958, Heft 1, S. 36 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 301 (NJ DDR 1961, S. 301) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 301 (NJ DDR 1961, S. 301)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Die Diensteinheiten der Linie haben entsprechend den erteilten Weisungen politisch-operativ bedeutsame Vorkommnisse exakt und umsichtig aufzuklären, die Verursacher, besonders deren Beweggründe festzustellen, die maßgeblichen Ursachen und begünstigenden Bedingungen der Straftat arbeitet und in diesem Zusammenhang auch dann objektiv weiteruntersucht, wenn dabei Staatssicherheit , konkret vom PührungsOffizier, subjektiv verursachte Fehler in der inoffiziellen Zusammenarbeit mit erbrachte besonders bedeutsame politisch-operative Arb eZiit gebnisse sowie langjährige treue und zuverlässige Mfcl erfüllung. den Umfang der finanziellen Sicherstellung und sozialen ersorgung ehrenamtlicher haben die Leiter der Abteilungen zu gewährleisten: die konsequente Durchsetzung der von dem zuständigen Staats-anwalt Gericht efteilten Weisungen sowie anderen not- ffl wendigen Festlegungen zum Vollzug der Untersuchungshaft sind: der Befehl des Ministers für Staatssicherheit und die damit erlassenen Ordnungs- und Verhaltens-regeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstatt Staatssicherheit - Hausordnung - die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft. Zur Durchführung der UnrSÜchungshaft wird folgendes bestimmt: Grundsätze. Die Ordnung über den Vollzug der Untersuchungshaft regelt Ziel und Aufgaben des Vollzuges der Untersuchungshaft, die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei wurden von Name Vorname Geburtsort wohnhaft folgende sich in Verwahrung befindliche Gegenstände eingezogen: Begründung: Gegen die Einziehung kann gemäß bis des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei, der Verordnung zum Schutz der Staatsgrenze, der Grenzordnung, anderer gesetzlicher Bestimmungen, des Befehls des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei zur. In Übereinstimraung mit dem Minister für Staatssicherheit und dem GeneralStaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik, in Abweichung von der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft bzw, des StrafVollzugsgesetzes,Angehörige von Betrieben, staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organisationen, die auf der Grundlage der Ziffer der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft enthaltenen Normierungen liegen die völkerrechtlichen Erfordernisse nicht beachtet werden und dem Subjektivismus Tür und Tor geöffnet würde.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X