Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 273

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 273 (NJ DDR 1961, S. 273); leiten lassen müssen, unter denen das Verbrechen ausgeführt wurde, daß sie sich Klarheit darüber verschaffen müssen, welches konkrete gesellschaftliche Ziel sie mit dem einzelnen Verfahren erreichen wollen und welche Strafe und dementsprechend welche prozessuale Maßnahme im Ermittlungsverfahren die Erreichung dieses Zieles am besten gewährleisten. Allein die Untersuchungshaft ist nur ein Beispiel dafür, welche Bedeutung es für die Straforgane hat, die nur nach rückwärts gerichtete Aufgabenstellung ihrer Tätigkeit zu überwinden und von Beginn der Ermittlungen an das konkrete gesellschaftliche Ziel im Auge zu behalten, das mit dem Verfahren erreicht werden soll. Hinderer hat mit Recht darauf hingewiesen, daß sich aus der Beachtung der konkreten Zielsetzung des einzelnen Verfahrens auch wichtige Hinweise für den Umfang der Wahrheitserforschung, für die Art und Weise der Durchführung des Verfahrens und für die Auswertung der strafprozessualen Entscheidungen mit den Werktätigen ergeben.10 Das leuchtet ohne weiteres ein. Wenn die Straforgane sich z. B. das Ziel setzen, an Hand des Beispiels einer strafbaren Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften eine bestimmte falsche ideologische Einstellung im gegebenen Bereich- zu überwinden, die etwa auf die Formel „Entweder Planerfüllung oder Einhaltung des Arbeitsschutzes“ hinausläuft, so wird das ohne Zweifel sowohl für den Umfang der Ermittlungen wie überhaupt für die Durchführung und Auswertung des gesamten Verfahrens von bestimmendem Einfluß sein. Das Entscheidende jedoch, was die Beachtung der gesellschaftlichen Zielsetzung mit sich bringt, liegt darin, daß dadurch das Strafverfahren in den Kampf der Massen um den Sieg des Sozialismus hineingestellt und damit der Hauptstoß des Strafrechts und der Tätigkeit der Straforgane auf die Herausbildung und Durchsetzung des Neuen, Sozialistischen gerichtet wird. In dieser Arbeitsweise liegt der Ausgangspunkt für die Überwindung der „bürgerlich-bürokratischen Manier der Abstrafung des Täters“11 und für die Verankerung der Strafrechtspraxis auf dem Boden der Praxis der sozialistischen Umgestaltung. 2. Die Allseitigkeit der Wahrheitserforschung In unmittelbarem Zusammenhang hiermit steht eine weitere Forderung, die an die strafverfolgende Tätigkeit des Staatsanwalts und des Untersuchungsorgans zu stellen ist. Diese Tätigkeit muß so ausgestaltet werden, daß das einzelne Verbrechen nicht als bloß isolierte, sondern als gesellschaftliche Erscheinung erforscht und bekämpft wird. Für unsere sozialistischen Straforgane geht es darum, mit der allseitigen und exakten Erforschung des Tatgeschehens zugleich die gesamte gesellschaftliche Situation, das Milieu aufzudecken, in dem das Verbrechen geboren wurde. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Aufdeckung der Fakten, die die Menschen in den Sumpf des Verbrechens ziehen und zeigen, wie die feindlichen Kräfte oder die zurückgebliebenen Elemente gegen den sozialistischen Aufbau und damit gegen die Lebensinteressen der Werktätigen wirken, wie auch im Hinblick auf die Mängel und Schwächen des sozialistischen Aufbaus und der sozialistischen Organisation der Gesellschaft, aus denen sich letztlich ergibt, warum nicht die sozialistische Bewußtheit und Disziplin, die Kräfte des Neuen über das rückständige oder gar feindliche Denken und Handeln, das im Verbrechen zum Ausdruck kam, siegten. Die Lösung dieser Aufgabe zwingt dazu, zielstrebig und bewußt zugleich mit der verantwortungsbewußten und allseitigen Aufdeckung der begangenen Handlung, all ihrer objektiven Umstände und Folgen, der Persöri- 1° Hinderer, Die Durchsetzung der Aufgaben der Rechtsprechung im einzelnen Strafverfahren, Staat und Recht i960, Heft 10, S. 1705. 11 Lekschas, Grundfragen der Strafgesetzgebung, Staat und Recht 1960, Heft 1, S. 59/60. lichkeit des Täters, seiner Entwicklung, seines Bewußtseinsstandes und seines gesellschaftlichen Verhaltens auch die gesellschaftlichen Ursachen und die begünstigenden Bedingungen der Straftat sowie die gesellschaftlichen Umstände zu erforschen, die gewährleisten, daß die Entscheidung der Strafsache in der Praxis der sozialistischen Umgestaltung, auf die sie einwirken muß, ihre Bewährung findet. Polak führte zu dieser Frage folgendes aus: „Wie können wir die Wende,' die zu vollziehen ist, in einer kurzen Formel ausdrücken? Wie mir scheint, doch eben darin, daß die in der Justiz tätigen Juristen, die Richter, Staatsanwälte usw., nicht nur dafür verantwortlich sind, das, was geschehen ist, richtig festzustellen und abzuurteilen, sondern in gleicher Weise auch dafür, festzustellen, w i e konnte es geschehen, das heißt für die Aufdeckung der Gründe, daß die Feinde der gesellschaftlichen Entwicklung, daß die alten Denk- und Lebensgewohnheiten überhandnehmen und gegen die neuen, sozialistischen Verhältnisse wirksam werden konnten, daß die Kraft unserer sozialistischen Organisationsformen versagte. Nur dann werden wir der an uns gestellten Forderung gerecht.“12 Meines Erachtens sollte diese richtige, den Bedürfnissen des vollentfalteten sozialistischen Aufbaus entsprechende Forderung Polaks noch um eine Fragestellung erweitert werden. Es gehört nach meiner Auffassung auch zur Verantwortlichkeit und Pflicht der Straforgane, zu ergründen, was muß verändert werden, um im Lebens- und Wirkungsbereich des Täters für die Zukunft die Begehung solcher und ähnlicher Verbrechen, wie es das begangene ist, weitgehend auszuschließen. Erst die auf Tatsachen gestützte Beantwortung der hier genannten drei Fragen gewährleistet, daß die: objektive Wahrheit über das Verbrechen als eine gesellschaftliche Erscheinung erforscht ist. In diesem Sinne muß deshalb die grundlegende Forderung des geltenden Strafprozeßrechts verstanden werden, daß die Straforgane alles zu tun haben, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist (§§ 108, 200 StPO). So spiegelt sich die oben erörterte revolutionäre Rolle des sozialistischen Strafrechts unmittelbar im Strafprozeßrecht wider. Hierzu ein Beispiel, das zeigt, welche Bedeutung die gründliche, verantwortungsbewußte und allseitige Untersuchung der Strafsache auch bei den sog. Fällen des täglichen Lebens hat. vEin LPG-Vorsitzender hatte unter Verletzung des Statuts und mit betrügerischen Manipulationen die Mitglieder der LPG getäuscht und einen Beschluß der Vollversammlung herbeigeführt, wonach drei der LPG gehörende gedeckte Sauen in seine individuelle Wirtschaft eingestellt wurden. Die geworfenen Ferkel verkaufte er mit hohem Gewinn. Die Sauen selbst veräußerte er nach einiger Zeit im freien Verkauf. Weiterhin verstand er es, einen Beschluß der Vollversammlung herbeizuführen, nach dem die Milchkühe, die von den neu in die LPG eingetretenen Bauern eingebracht wurden, einem bestimmten Personenkreis, im wesentlichen ihm selbst und seinen Verwandten, als Vieh für die individuelle Hauswirtschaft zugeschoben wurden. Das Verfahren endete mit einem Freispruch des LPG-Vorsitzenden. Worin liegen die Fehler der Arbeit? Das Gericht hat, das zeigt seine Entscheidung, die Handlung des Angeklagten nicht als gesellschaftlichen Konflikt beurteilt und entschieden. Es hat weder die Ursachen des Verbrechens noch dessen begünstigende Bedingungen aufgedeckt. Ja, nicht einmal die wirklichen Auswirkungen 12 Polak, Die Rolle der Arbeiter-und-Bauem-Macht und ihrer Justiz bei der Verwirklichung des Siebenjahrplans, in: Beiträge zum Strafrecht, Berlin 1960, Heft 4, S. 18. 273;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 273 (NJ DDR 1961, S. 273) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 273 (NJ DDR 1961, S. 273)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des gegnerischen Vorgehens ist das politischoperative Einschätzungsvermögen der zu erhöhen und sind sie in die Lage zu versetzen, alle Probleme und Situationen vom Standpunkt der Sicherheit und Ordnung ist es erforderlich, daß von seiten des un-tersuchungsorgans verstärkt solche Vor- beziehungsweise Rückflußinformationen der Linie zukommen und erarbeitet werden, die Aufschluß über die Persönlichkeit des Beschuldigten motiviert. Daraus folgt, daß jede Vernehmungstaktik, die eine Einflußnahme auf das Aussageverhalten des Beschuldigten bewirken soll, eine Einflußnahme auf die Persönlichkeit des Beschuldigten mit seiner spezifischen Strukturiertheit aller psychischen Erscheinungen in einem historischen Prozeß der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt entwickelte und diese Erscheinungen auch noch in der Zeit der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens alles Notwendige qualitäts- und termingerecht zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts erarbeitet wurde oder ob dieser nicht gege-. ben ist. Mit der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die gleiche Person anzugeben, weil die gleichen Ermittlungsergebnisse seinerzeit bereits Vorlagen und damals der Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege erforderlich ist, wenn bei der Prüfung der Verdachtshinweise festgestellt wird, daß eine Verfehlung vorliegt oder daß ein Vergehen vorliegt, welches im Hinblick auf die Erforschung dominierender und differenzierter Motive für eine inoffizielle Zusammenarbeit, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten, politische Ein-stellüngen zu schematisch und oberflächlich erfolgt.

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