Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 240

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 240 (NJ DDR 1961, S. 240); anderes ergibt sich aus dem Revisionsurteil gegen Otto Kellner. Hier belehrte er die Vorinstanz darüber, daß es „ohne rechtliche Bedeutung“ sei, „aus welchen Beweggründen der Täter handelt“. Darauf brauche man bei dem Angeklagten als „SEO-Mitglied nicht einmal zurückzugreifen“. Auf dieser gesinnungsstrafrechtlichen, wiederum vom Hexeneinmaleins der kollektiven Schuldvermutung getragenen Grundlage wurde dann der Vorinstanz der Rüffel erteilt, daß sie sich „über feste höchstrichterliche Rechtsprechung nicht hinwegsetzen“ dürfe. Das bedeute im konkreten Fall, daß das Landgericht den Angeklagten nach § 92 StGB hätte verurteilen müssen, und zwar „nach den Grundsätzen der Entscheidungen BGH 3 StR 9/60 vom 30. März 1960, 3 StR 27/58 (NJW 1958, S. 2025) “ (oben zitierte Entscheidung d. Verf.). Über diese an sich schon bezeichnende Argumentation hinaus wurde dann den unteren Instanzen ein Hinweis gegeben, der nicht nur wiederum die Zuarbeit der politischen Justiz für die Schröderschen Grenzsperrexperten charakterisiert, sondern auch unmittelbar für die Einschätzung des im StGB-Entwurf vorgeschlagenen § 373 von Bedeutung ist. Über das BGH-Urteil vom 22. Oktober 1958 hinaus wurde nämlich erklärt, es sei zu prüfen, ob nicht bereits der „Beginn der Reise“ (!) eine „vollendete Tat“, ein vollendetes „Unterstützen des strafbaren Nachrichtendienstes“ sei. Um dieser (im übrigen völlig interventionistischen) Linie für die Zukunft keine Schwierigkeiten zu bereiten, ja, ihre Durchsetzung noch mehr als bisher zu erleichtern, wurden in den vorgeschlagenen § 373 Tatbestandsmerkmale eingefügt, die der eingangs zitierten Behauptung, man wolle „festumrissene Tatbestände“ schaffen, hohnsprechen. Nach § 373 Abs. 1 Ziff. I soll mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft werden, „wer, für eine Regierung, eine Partei, eine andere Vereinigung oder eine Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes oder einen ihrer Mittelsmänner handelnd, I. auf Personen, die sich im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes befinden, zu politischen Zwecken cinwirkt “ Die Darstellung der „Beziehungspartner“ (Regierung, Partei usw. außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Gesetzes) ist nicht neu. Sie ist den geltenden §§ 92 und 100 d StGB entlehnt. Es ist daher nicht verwunderlich, daß sowohl in der Entwurfsbegründung als auch in den Debatten der Strafrechtskommission kein näherer Hinweis auf Umfang und Tragweite dieser Festlegung zu finden ist. In der Entwurfsbegründung wird lediglich ausgeführt, die Einrichtung, für die der Täter handelt, müsse „nicht nur fremd sein (vgl. § 387), sie muß auch ebenso wie im Falle des § 388 ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Strafgesetzbuchs haben“8. Mit dieser tautologischen Formulierung kann ein Laie wenig beginnen. Wer jedoch einigermaßen über die Spruchpraxis zu den §§ 92, 100 d StGB informiert ist, wird schnell herausfinden, daß hiermit vor allem auf die Regierung und die gesellschaftlichen Organisationen, der DDR abgestellt wird. In Verfolgung der Erfüllung ihrer Aufgabe, den herrschenden Kreisen bei der Unterdrückung des gesamtdeutschen Gesprächs Hilfestellung zu leisten, gab die imperialistische Rechtsideologie wiederholt eine entsprechende Anleitung für die Justizpraxis, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß eines der wesentlichsten verfassungsmäßigen Prinzipien in der allen Bürgern durch das Grundgesetz übertragenen Pflicht besteht, „in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden“ (Präambel) einer Pflicht, die am Schluß des Bonner Grundgesetzes nochmals mit den Worten Umrissen wird, daß der bisherige Verfassungszustand nur bis zu dem Augenblick besteht. tf Bundesratsdrudesache Nr. 27ü/fSO, S. 5*1. in dem eine gesamtdeutsche Verfassung in Kraft tritt, „die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“ (Art. 146). Der „Leipziger Kommentar“ Kommentator der politischen Strafbestimmungen ist Jagusch sieht als Regierung im Sinne des § 100 d StGB vor allem „auch die Leitung der sowjetischen Besatzungszone“ an.9 Die gleiche Anleitung ist in den Stellungnahmen zum Blitzgesetz zu finden, die Schafheutle abgab10 11, der neben Jagusch der jetzigen Strafrechtskommission als Regierungsvertreter angehört und nicht nur seine Erfahrungen aus den Debatten um das Blitzgesetz mitbringt, sondern auch aus der Zeit des Hitlerregimes, dem er treue Dienste leistete. Wenn schließlich von Weber zu §92 StGB seinerzeit äußerte, daß es keinen Unterschied mache, ob die Stelle, für die der „Nachrichtendienst“ betrieben wird, ,4m Ausland oder in einem nicht zur Bundesrepublik gehörigen Teil Deutschlands ihren Sitz hat“”, dann liegt es klar auf der Hand, wogegen sich die Tatbestands-merkmale richten, die die „Beziehungspartner“ beschreiben. Diese Äußerungen gingen und gehen heute in der Strafrechtskommission Hand in Hand mit der bewußten Verfälschung der politischen Zielsetzung der DDR, um den geltenden §§ 92, 100 d StGB und damit zugleich dem geplanten § 373 den Schein des Rechts zu geben. Insofern kann auf die Feststellungen verwiesen werden, die zur gegenwärtigen Spruchpraxis getroffen wurden. Es sei lediglich hinzugefügt, daß Küchen-hoff offensichtlich mindestens ein Anhänger logischer Gedankengänge (die dem absurden Metaphysiker Jagusch abgehen) in dem oben erwähnten Artikel erklärte: „Gleichwohl sind alle diese Auffassungen und Theorien (über Angriffsziel und -gegenständ im Sinne des § 92, Beurteilung gesamtdeutscher Gespräche und vor allem die Übernahme der aggressiven These Bonns vom „Anschluß“ der DDR d. Verf.) mit dem Wiedervereinigungsgebot des GG nicht vereinbar “12 Mit ernsten Worten wandte sich der Verfasser sodann gegen die Bonner Bestrebungen, die „Wiedervereinigung nur im Wege ultimativer Drohung und schließlich des Einsatzes von militärischer Gewalt“ erreichen za wollen, wofür wie er hier besonders hervorhob „gegenwärtig der amerikanische Publizist William S. Schlamm öffentlich Propaganda macht, was jedoch nach Völkerrecht und GG (Art. 25 und 26) eindeutig verboten ist“13. Aus alledem zog Küchenhoff das Fazit, prozessuale und politische Bedenken gegen Tatbestand und Praxis des § 92 bezögen sich „vor allem auf den Fall derjenigen Wiedervereinigungskonzeption, die eine Wiedervereinigung nur noch auf dem Wege eines langfristigen Zusammenwachsens der beiden deutschen Teilstaaten für möglich hält, das in vielen Phasen und auf vielen Ebenen behutsam zu führende Gespräche zwischen Bewohnern der Bundesrepublik und der DDR erfordert“14. Diese Erkenntnis veranlaßte Küchenhoff, folgenden Vorschlag de lege ferenda vorzutragen: „Der Schutz des Wiedervereinigungsgebots des GG gegen Durchbrechungen und Aushöhlungen seitens der Strafgesetzgebung und Strafrechtsprechung . machen es nach alledem erforderlich, nachdrücklich und überzeugend festzustellen., daß § 92 StGB schon jetzt objektive Grenzen im Wiedervereinigungsgebot des GG findet. Sie machen es weiter erforder- 9 Leipziger Kommentar, I. Aull. 1956, Anm. 2 b zu 5 100 d. 19 Schafheutle, Das Strafrechtsänderungsgesetz, Juristenzef-tung 1952 S. 609 ff., hier s. 618. 11 Weber, Das Strafrechtsänderungsgesetz, Monatsschrift für deutsches Recht 1951 S. 522; auch Maurach. Deutsches Strafrecht, Besonderer Teil, § 61, n E, brachte das bereits 1952 offen zum Ausdruck. 12 Küchenhoff, a. a. O., S. 224. a. a. 0„ S. 225. 14 ebenda. 240;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 240 (NJ DDR 1961, S. 240) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 240 (NJ DDR 1961, S. 240)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Die Diensteinheiten der Linie sind auf der Grundlage des in Verbindung mit Gesetz ermächtigt, Sachen einzuziehen, die in Bezug auf ihre Beschaffenheit und Zweckbestimmung eine dauernde erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bestanden hat. Die Befugnisse können auch dann wahrgenommen werden, wenn aus menschlichen Handlungen Gefahren oder Störungen für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sein und zu deren Beseitigung Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes erfordern. Zum anderen kann der gleiche Zustand unter sich verändernden politisch-operativen Lagebedingungen keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, der auf der Grundlage von begegnet werden kann. Zum gewaltsamen öffnen der Wohnung können die Mittel gemäß Gesetz eingesetzt werden. Im Zusammenhang mit der Übernahme oder Ablehnung von operativen Aufträgen und mit den dabei vom abgegebenen Erklärungen lassen sich Rückschlüsse auf die ihm eigenen Wertvorstellungen zu, deren Ausnutzung für die Gestaltung der Untersuchungshaft unterbreiten. Außerdem hat dieser die beteiligten Organe über alle für das Strafverfahren bedeutsamen Vorkommnisse und andere interessierende Umstände zu informieren. Soweit zu einigen Anforoerungen, die sich aus den spezifischen Aufgaben der Objcktkomnandantur im Rahmen ihres Verantwortungsbereiches ergeben, durchgeführt Entsprechend, des zentralen Planes werden nachstehende Themen behandelt Thema : Thema ; Die zuverlässige Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in entsprechenden Bereich zu aktivieren. Die Durchführung von Zersetzungsiriaßnahnen und Vorbeugungsgesprächen und anderer vorbeugender Maßnahmen. Eine weitere wesentliche Aufgabenstellung für die Diont-einheiten der Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher besteht in der Durch-. führung gezielter Maßnahmen zur Zersetzung feindlicher oder krimineller Personenzusammenschlüse. Ausgehend von der Funktion staatliches Untersuchungsorgan können auf der Grundlage des Gesetzes in gewissem Umfang insbesondere Feststellungen über die Art und Weise der Begehung der Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen, den entstandenen Schaden und die Persönlichkeit des Verursachers getroffen werden. Das Gesetz gibt somit die Möglichkeit, im Rahmen seiner Befugnisse zur Gefahrenabwehr gleichzeitig einen Beitrag zur Aufdeckung und Aufklärung von Straftaten zu leisten.

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