Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 239

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 239 (NJ DDR 1961, S. 239); „Wir haben keinen Zweifel darüber gelassen, daß mit der Konföderation und der Wiedervereinigung nicht solche Forderungen verbunden werden können, die darauf abzielen, die gesellschaftliche Ordnung der DDR auf die Bundesrepublik auszudehnen Und im September 1959 führte Walter Ulbricht auf der 6. Tagung des ZK der SED aus: „Der Verzicht beider deutscher Staaten auf Atomrüstung und die Bildung eines Gesamtdeutschen Ausschusses ändern weder etwas am Bestehen des kapitalistischen Systems in Westdeutschland noch am Aufbau des Sozialismus in der DDR. Wir wollen lediglich, daß die Bevölkerung beider deutscher Staaten in Frieden leben kann und nicht durch die Atomkriegsrüstung in Westdeutschland bedroht wird.“ Genau auf dieser Linie liegen die im „Deutschlandplan des Volkes“ getroffenen Feststellungen über die Verständigung der Deutschen auf der Grundlage eines nationalen Kompromisses, zu dessen Erläuterung u. a. erklärt wird: „Die Bürger Westdeutschlands sollten nach eigenem Ermessen über die staatliche und gesellschaftliche Ordnung Westdeutschlands ohne Einmischung seitens der DDR (!) entscheiden.“ Diese Feststellung kehrt in allen bedeutsamen politischen Dokumenten wieder, so in der Erklärung des neugebildeten Staatsrates der DDR und in der Rede Walter Ulbrichts auf der 11. Tagung des ZK der SED, die überdies klar zum Ausdruck brachte, daß die sozialistischen Länder und insbesondere die DDR „nicht die Absicht haben, den Sozialismus in andere Länder zu exportieren“! Angesichts dieser klaren Verlautbarungen mutet das in Bonn gesponnene Verleumdungsnetz immer kläglicher an. Das sollten sich jene Richter, an ihrer Spitze der Senatsvorsitzende Jagusch, sagen, die bar jeglicher Logik solche diesen Tatsachen widersprechenden Behauptungen- noch immer benutzen. Die Schwächeposition des Regimes und seines Systems des gerichtlichen Terrors kann kaum deutlicher in Erscheinung treten als in der Flucht in solche Methoden. In der letzten Zeit nahmen diese Methoden einen Umfang an, der selbst voreingenommene Betrachter bedenklich stimmt, weil sie ein völliges Abbröckeln der „freiheitlichdemokratischen“ Fassade befürchten. Das zeigt sich an zwei Urteilen des politischen Strafsenats des BGH, in denen es in der Hauptsache um die Interpretation und Anwendung des § 92 StGB geht. Dem ersten dieser beiden Urteile lag folgender, von der politischen Strafkammer beim Landgericht München I festgestellter Sachverhalt zugrunde: Ein Angehöriger des VEB Galvanotechnik Leipzig fuhr im Frühjahr 1958 nach München, um den Betriebsratsmitgliedern der Firma Siemens & Halske die Auffassungen seiner Gewerkschaftskollegen über Fragen der Atombewaffnung, über den Rapacki-Plan und die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone zu unterbreiten. Dazu kam es jedoch nicht, weil er (wie übrigens in den meisten Fällen inhaftierter DDR-Bürger) sofort nach dem Grenzübertritt festgenommen wurde. Die Strafkammer aber verurteilte ihn wegen „eines versuchten Vergehens des Nachrichtensammelns“ nach § 92 StGB. Gegen dieses Urteil legte der betroffene DDR-Bürger Revision ein. In seinem Revisionsurteil vom 22. Oktober 1958 (3 StR 27/58)7 stellte der BGH nun fest, daß das Rechtsmittel Erfolg haben müsse. Dabei handelt es sich indessen um einen mehr als merkwürdigen Erfolg. Zunächst scheint es recht positiv zu klingen, wenn der BGH ausführte: „Unter diesen (oben geschilderten d. Verf.) Umständen kann in dem Verhalten des Angeklagten vor seiner Festnahme noch kein Versuch des Nachrichtensammelns gesehen werden, sondern nur eine Vorbereitungshandlung hierzu, die nicht unter Strafe 7 auszugsweise veröffentlicht in Neue Juristische Wochenschrift 1958 S. 2025. gestellt ist.“ Der Pferdefuß folgte jedoch bereits im übernächsten Absatz. Darin wurde das Landgericht darüber belehrt, daß es hätte prüfen müssen, „ob der Angeklagte nicht den Tatbestand des § 92 StGB in der Begehungsform der Unterstützung (!) eines Nachrichtendienstes erfüllt hat.“ Hier wurde bereits mit einem Schlage die ganze Stoßrichtung des § 92 StGB klar: die Unterbindung aller Kontakte zwischen den Bürgern beider deutscher Staaten, die dem Streben der Militaristen, im Interesse der ungestörten Atomkriegsrüstung eine möglichst umfassende politische Friedhofsruhe im Innern zu schaf-. fen, entgegenstehen. Wenn es in der Zusammenfassung des angeführten Urteils hieß, daß bereits der „Antritt einer Reise“ ein versuchter Verstoß gegen § 92 StGB sein kann, dann bedeutet das nichts anderes als eine rigorose Bedrohung aller nach Westdeutschland reisenden DDR-Bürger, die einer demokratischen Organisation angehören. Zu denken ist dabei vor allem daran, daß dem FDGB über 6 Millionen Mitglieder angehören, und das sind weit über 90 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Der oben skizzierten gesinnungsstrafrechtlichen Methode entsprechend steht jedes dieser Mit-,, glieder in der Gefahr gerichtlicher Verfolgung im übrigen eine Vorwegnahme der Maßnahmen, die Schröder mittels des Reisesperrgesetzes, des bereits beschlossenen Gesetzes gegen die Einfuhr humanistischer Literatur und anderer in Vorbereitung befindlicher Terrorgesetze zur Perfektion bringen will. Das gegenseitige Zuarbeiten zwischen politischer Justiz und Exekutive als den hauptsächlichen Unterdrückungsorganen jener angeblichen gewaltengeteilten, in Wirklichkeit aber zu einem unteilbaren System des Terrors gegen die Friedenskräfte gewordenen Ordnung wurde durch ein BGH-Urteil der jüngsten Zeit noch deutlicher. Am 23. September 1960 entschied der BGH (3 StR 28/60) über die von der Staatsanwaltschaft gegen ein freisprechendes Urteil des Landgerichts Bamberg eingelegte Revision. Dem erstinstanzlichen Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Lehrer Otto Kellner aus Gera war von der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung des Bezirks Gera offiziell nach München entsandt worden, um mit dem dortigen Bayrischen Lehrer-Verein ins Gespräch zu kommen. Kellner wollte als Gesprächsthemen vor allem die atomare Aufrüstung und die Ausführungen N. S. Chruschtschows zur Abrüstung Vorschlägen. Aber auch er wurde bereits beim Grenzübertritt festgenommen. Den geschilderten Sachverhalt erachtete sogar das Landgericht Bamberg (und das will nach den bisherigen Erfahrungen mit diesem Gericht viel heißen) als für eine Verurteilung nicht ausreichend. Dagegen wandte sich der politische Strafsenat des BGH in dem vorerwähnten Urteil. Diese Entscheidung trägt deutlich den Stempel des Senatsvorsitzenden Jagusch, des Verfassers der gesinnungsstrafrechtlichen Interpretation der Staatsgefährdungsvorschriften im „Leipziger Kommentar“, ein Mann übrigens, dessen manischer Haß auf jede fortschrittliche Regung ihn zu Kapriolen veranlaßt, die einer Selbstentlarvung gleichkommen. Zu erinnern ist nur an seine Verhandlungsführung in dem im Herbst 1960 durchgeführten Prozeß gegen den Berliner Rudolf Esterle. Hier stützte sich Jagusch im wesentlichen auf die Aussagen eines als Zeugen vernommenen Verfassungsschutzbeamten über die „staatsgefährdenden Absichten“ Esterles. Der Zeuge war nicht in der Lage, auch nur eine Spur eines exakten Beweises zu liefern. Sein Vorbringen beruhte nach seinen eigenen Worten auf reinem „Hörensagen“. Das focht den Experten Jagusch indessen nicht an. Im Gegenteil: Sich auf diese mysteriösen Aussagen stützend, verkündete Jagusch dreieinhalb Jahre Freiheitsentzug und ging damit zwei Jahre über den .gestellten Strafantrag hinaus! Dieses Verhalten zeigt, daß Jagusch, der sein Jurastudium in der Nazizeit absolvierte, die „Lehren“ der damaligen Rechtsideologen nicht vergessen hat. Nichts 239;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 239 (NJ DDR 1961, S. 239) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 239 (NJ DDR 1961, S. 239)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Von besonderer Bedeutung ist in jeden Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von der Linie bearbeiteten Bürger vorbestraft eine stark ausgeprägte ablehnende Haltung zur Tätigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane vertrat; Täter, speziell aus dem Bereich des politischen Untergrundes, die Konfrontation mit dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit stellt in jedem Palle eine Situation dar, die den zur Orientierung und Entscheidung zwingt und es hat sich gezeigt, daß in der Regel die Voraussetzungen für die im Einzelfall erforderliche differenzierte! Anwendung des sozialistischen Rechts dar. Das trifft vor allem zu, wenn die Verdächtigen bekannt sind und. die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die Beantragung eines Haftbefehls gegeben sind. In diesem Abschnitt sollen deshalb einige grundsätzliche Fragen der eiteren Qualifizierung der Beweisführung in Operativen Vorgängen durch die Zusammenarbeit zwischen operativen Diensteinheiten und Untersuchungsabteilungen als ein Hauptweg der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfahren Erfordernisse und Wege zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren Vertrauliche Verschlußsache . Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei Verdächtigenbefragungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Zu den Möglichkeiten der Nutzung inoffizieller Beweismittel zur Erarbeitung einer unwiderlegbaren offiziellen Beweislage bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren! Die Beratungen vermittelten den beteiligten Seiten jeweils wertvolle Erkenntnisse und Anregungen für die Untersuchungsarbeit, Es zeigte sich wiederum, daß im wesentlichen gleichartige Erfahrungen im Kampf gegen den Feind und bei der weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft. Die höheren Sicherheits-erfordernisse sowie die veränderten politischen und politisch-operativen Lagebedingungen stellen höhere Anforderungen an die Leitung- und Organisation der Zusammenarbeit mit . Sie erfordert ein neues Denken und Herangehen von allen Leitern und operativen Mitarbeitern.

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