Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 238

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 238 (NJ DDR 1961, S. 238); es im Auftrag des FDGB mit Mitgliedern des Betriebsrats einer Firma in Frankfurt am Main Gespräche über Atomrüstung und Wiedervereinigung führen wollte. Die Strafverfolgungsbehörde hat ferner ein staatsgefährdendes Nachrichtensammeln angenommen, als ,ein FGDB-Vertreter sich über lohn- und arbeitsrechtliche Fragen (u. a. die Preise der Winterkartoffeln oder die Höhe des Weihnachtsgeldes) in der Bundesrepublik' informieren wollte.“3 Diese Fälle zitierte Küchenhoff als Beispiel dafür, daß die politische Justiz vor allem auch gegen „offene Sammler von ,Nachrichten' über durch und durch offene und allgemein bekannte Sachverhalte“ vorging. „Erforderlich ist nur“, fügte der Verfasser hinzu, „die am Anfang des Tatbestandes angeführte .Absicht'.“0 Damit traf Küchenhoff ob bewußt oder unbewußt den Kern der Sache. § 92 macht die Bestrafung davon abhängig, daß der Angeklagte in der „Absicht“ gehandelt hat, „den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik zu beeinträchtigen“ oder gegen „Verfassungsgrundsätze" gerichtete Bestrebungen zu verfolgen. (Es sei bereits hier vermerkt, daß diese Subjektivierung im Wortlaut nahezu gleich im neuen § 373 wiederkehrt!) Ist diese Absicht nicht vorhanden, solle nicht bestraft werden, meinten die Sprecher der regierenden Kreise seinerzeit Im Bundestag und glaubten damit, der „demokratischen“ Tarnung der mit dem Gesetz bezweckten Erleichterung der Gesinnungsverfolgung Genüge getan zu haben. Man muß jedoch abermals an Äußerungen erinnern, aus denen hervorgeht, welche hintergründigen Ziele mit der Aufnahme des Begriffs „staatsgefährdende Absicht“ in den § 92 StGB und andere politische Strafbestimmungen verbunden sind. Bekanntlich forderte z. B. der Sprecher der Adenauer-CDU, Wahl, in der Bundestagssitzung vom 9. Juli 1951, daß die „-staatsgefährdende Absicht“ als entscheidendes Kriterium aufgenommen werden müsse, denn „ohne die Einschaltung dieser subjektiven Elemente wäre die dem Gesetzgeber gestellte Aufgabe überhaupt nicht lösbar gewesen“. Auch in den Stellungnahmen anderer Vertretei- der Bonner Prominenz, die in der Folgezeit abgegeben wurden, findet sich" die Schwerpunktverlagerung auf die Gesinnungsseite. So erklärte z. B. der damalige Bundesjustizminister von Meikatz in der Bundestagssitzung vom 8. Februar 1957: „Es gibt zahllose Tatbestände, in denen ein an sich wertneutrales Verhalten (hinsichtlich des politischen Strafrechts also ein -völlig legales, mit den Prinzipien des Grundgesetzes übereinstimmendes Verhalten, wie z. B. Gespräche über Friedenssicherung und Wiedervereinigung d. Verf.) . straf rechtlich erheblich und zugleich strafwürdig wird . erst durch einen inneren Tatbestand, eine subjektive Willenshaltung des Täters, die in seiner Brust verschlossen ist.“ Auf Grund dieser Auslegungsanweisungen aus prominentem Munde halten sich viele Richter in den Verfahren insbesondere auch wegen sog. staatsgefährdenden Nachrichtendienstes nicht für verpflichtet, sich an das wahrnehmbare, für jedermann erkennbare äußere Geschehen, z. B. das Eintreten des Angeklagten für Frieden und Völkerverständigung, zu halten. Die Tat und die Tatumstände sollen unmaßgeblich sein. Allein die „in der Brust verschlossene“ und deshalb unerkennbare „hintergründige Absicht“ wird als maßgebend betrachtet Das bedeutet in letzter Konsequenz, daß diese Richter völlig willkürlich das Vorhandensein einer solchen Absicht behaupten, obwohl sie sich nicht in der Tat selbst geäußert hat, ja ihr sogar widerspricht. Daher * 2 6 Küchenhoff, Tatbestand und Praxis des § 92 und das Wiedervereinigu-ngsgebot des Grundgesetzes, Neue Juristische Wochenschrift 1960, S. 222. o a. a. O. 2 auszugsweise veröffentlicht in Neue Juristische Wochenschrift 1958, S. 2025. wimmeln die Urteile nach §§ 92, 100 d Abs. 2 StGB von typisch gesinnungsstrafrechtlich gefärbten Ausdrücken wie „nach verständiger Deutung“ oder „muß dahingehend verstanden werden“. Auf einen Nenner gebracht heißt das: Die Bonner politische Justiz urteilt nicht vom Standpunkt des Grundgesetzes über die wahre Gesinnung der angeklagten Partner gesamtdeutscher Gespräche, sondern unterwirft diese Einstellung einer rigorosen und willkürlichen Ausdeutung. Ausgehend vom friedensfeindlichen politischen Standpunkt der Adenauer Strauss Schröder Gruppe, „deutet“ sie die Gesinnung der angeklagten DDR-Bürger und in zunehmendem Maße auch der westdeutschen Gesprächspartner als „verfassungsfeindlich“. Die Konsequenz daraus ist die Umdeutung einer völlig verfassungsmäßigen Handlung in eine verfassungsfeindliche. Aus dem völligem Mangel an beweiserheblichen Tatsachen greifen Staatsanwaltschaft und von Ausnahmen abgesehen die Gerichte im konkreten Fall zu der Unterstellung, der Angeklagte gehöre dem FDGB, der FDJ oder einer anderen demokratischen Organisation der DDR an und sei deshalb mit einer entsprechenden verfassungsfeindlichen Einstellung auf seine Besuchsreise nach Westdeutschland gegangen. Ausgangspunkt dieser Konstruktion ist die Behauptung, die SED und überhaupt alle gesellschaftlichen Organisationen und Einrichtungen der DDR zielten samt und sonders darauf ab, die Verhältnisse in der DDR mit mehr oder weniger Gewalt auf Westdeutschland zu übertragen, die dortige „verfassungsmäßige Ordnung“ zu beseitigen und statt dessen eine „Gewalt- und Willkürherrschaft“ zu errichten. Entgegen den verfahrensrechtlichen Vorschriften wird nicht einmal versucht, darüber Beweis zu erheben. Vielmehr wird in einer Art und Weise vorgegangen, die an das Anklage- und Urteilsschema der Hitlerjustiz erinnert. Das ist das Hexeneinmaleins der kollektiven Schuldvermutung, die den Bonner „Rechtswahrern“ hilft, die gefährlichen Klippen der Beweisführung mit solchen lapidaren und ständig wiederkehrenden Formulierungen zu überspringen, daß die Zielsetzung der DDR-Organisationen und daher auch die Absichten ihrer nach Westdeutschland einreisenden Mitglieder „offenkundig“, „allgemeinbekannt“ oder „gerichtsnotorisch“ verfassungsfeindlich seien und daher keiner be-sondern (d. h. auf den konkreten Fall zugeschnittenen) Beweisführung bedürfen. Dieses Vorgehen ist keineswegs ein Ausdruck des für den bürgerlichen' Richter ansonsten sprichwörtlichen Träghertsprinzips. Es ist vielmehr charakteristisch für eine Justiz, deren Hauptaufgabe in der Sicherung der Positionen der herrschenden aggressiven Monopolgruppierungen und ihrer Exekutivbevollmächtigten im Bonner Kabinett und anderer staatlicher Institutionen besteht. Für diese Kreise sind die Prinzipien der friedlichen Koexistenz und deren Anwendung auf Deutschland wie diese ihren Ausdruck u. a. in den Vorschlägen der DDR über die Bildung einer Konföderation finden ein. rotes Tuch, weil sie den Bestrebungen nach atomarer Rüstung, nach Wiedereroberung der für den Imperialismus verlorenen Gebiete und nicht zuletzt auch nach ökonomischer und politischer Vorherrschaft in Europa diametral entgegengesetzt sind. Daher tun die Propagandisten dieser Unrechtsordnung und mit ihnen auch eine Reihe von Richtern und Staatsanwälten alles, um die politischen Ziele der DDR zu verfälschen und die Bonner Politik als „Verteidigung der Freiheit“ hinzustellen. In diesem Sinne werden alle verbindlichen Äußerungen von Staatsmännern der DDR in den Urteilen einfach übergangen, -obwohl oder besser: gerade weil sie die Behauptungen der Anklagebehörden und Gerichte völlig ad absurdum führen. So sei z. B. daran erinnert, daß Walter Ulbricht auf der 4. Tagung des ZK der SED im Januar 1959 erklärte: 238;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 238 (NJ DDR 1961, S. 238) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 238 (NJ DDR 1961, S. 238)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Bei der Durchführung der Besuche ist es wichtigster Grunde satzrri dle; tziiehea: peintedngön- söwie döLe. Redh-te tfn Pflichten der Verhafteten einzuhalten. Ein wichtiges Erfordernis für die Realisierung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit . Die Untersuchungsorgane Staatssicherheit werden dabei in Erfüllung konkreter Weisungen des Ministers für Staatssicherheit eigenverantwortlich tätig und tragen damit die Verantwortung für die politisch-operative Dienstdurchführung und die allseitige Aufgabenerfüllung in seinem Dienstbereich. Auf der Grundlage der Befehle und Anweisungen des Ministers den Grundsatzdokumenten Staatssicherheit den Befehlen und Anweisungen der Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmenkomplexe zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Instruktion zum Befehl des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Instruktion zum Befehl des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Vergangenheit bereits mit disziplinwidrigen Verhaltens weisen in der Öffentlichkeit in Erscheinung traten und hierfür zum Teil mit Ordnungsstrafen durch die belegt worden waren. Aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einhergeht. Fünftens ist in begründeten Ausnahmefällen eine Abweichung von diesen Grundsätzen aus politischen oder politisch-operativen, einschließlich untersuchungstaktischen Gründen möglich, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und ihre strikte Einhaltung wird jedoch diese Möglichkeit auf das unvermeidliche Minimum reduziert. Dabei muß aber immer beachtet werden, daß die in den Akten vorhandenen Informationen durch den sie erarbeitenden operativen Mitarbeiter subjektiv falsch widergespiegelt werden können, ohne daß es ihm bewußt wird.

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