Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 99

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 99 (NJ DDR 1960, S. 99); t. sem Prozeß vorliegt, würde im Falle ihres Erfolges gegen die allgemeinen Grundsätze des Rechts verstoßen: gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und gegen den Grundsatz, daß Meinungen allein nicht strafbar sein können. Für alles, was juristisch und gesetzlich ist, habe ich’ in diesem Prozeß Formen, aber keine Substanz gesehen. Mit Formen ohne Substanz aber kann man alles machen das ist der Grund, warum ich erschrak.“ Dr.K, Bonn verfolgt das gesamtdeutsche Gespräch Brief des Generalstaatsanwalts der DDR an Generalbundesanwalt Dr. Güde Herrn Generalbundesanwalt Dr. Güde Bundesgerichtshof Karlsruhe Sehr geehrter Herr Generalbundesanwalt! Es erscheint mir unerläßlich, Sie darauf hinzuweisen, daß in den letzten Monaten in wachsender Zahl Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, die mit dem Ziel der friedlichen Verständigung nach Westdeutschland reisen, durch die Behörden in der Bundesrepublik den verschiedensten Repressalien ausgesetzt, festgenommen und inhaftiert werden. Ich brauche nicht zu betonen, daß dieses Vorgehen der. Behörden in krassem Gegensatz zu den Erklärungen der Vertreter der Bundesregierung über die Notwendigkeit der Herstellung und Pflege menschlicher Kontakte zwischen der Bevölkerung beider deutscher Staaten steht. Besonders mehren sich die Fälle, daß Mitglieder der Volksvertretungen der Deutschen Demokratischen Republik, die im Auftrag ihrer Wähler Verbindung mit Kommunalorganen in Westdeutschland aufnehmen, um das gesamtdeutsche Gespräch zu führen, in skandalöser Weise an der Erfüllung ihres Auftrags gehindert und verhaftet werden. So wurden am 21. September 1959 die Vertreter des Stadtrodaer Kreistags Ernst Kleinschmager, Gustav Boldt und Wilhelm Richter am Grenzübergang Probst-zella von Polizeibeamten aus dem Zug heraus verhaftet. Sie fuhren im Aufträge und mit Vollmacht ihrer Vertretungskörperschaft nach Westdeutschland, um mit Vertretern des Rosenheimer Parlaments über Fragen der Erhaltung des Friedens und der Verständigung zu sprechen. Wegen dieses ihres Anliegens, das das Anliegen aller friedliebenden Deutschen ist, wurden die Vertreter des Stadtrodaer Kreistags von der Großen Strafkammer des Landgerichts Bamberg mit der Begründung der „Geheimbündelei“ und „versuchten Unterstützung eines staatsgefährdenden Nachrichtendienstes“ zu Freiheitsstrafen von insgesamt 16 Monaten ohne Bewährungsfrist verurteilt. Im Namen der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik, die das Vorgehen der westdeutschen Behörden gegen die friedliche Verständigung mit äußerster Empörung aufgenommen hat, erhebe ich schärfsten Protest gegen eine derartige, allen Rechtsgrundsätzen widersprechende Praxis der Polizei- und Justizorgane. Ich muß die Frage stellen, ob das Urteil des Landgerichts Bamberg als Präjudiz dienen soll, um künftig jegliches Streben nach friedlicher Verständigung zwischen den Bürgern und den Kommunalorganen beider deutscher Staaten strafrechtlich zu verfolgen und damit auf dem Boden der Bundesrepublik die elementarsten Freiheitsrechte der Bürger außer Kraft zu setzen. Zwangsläufig kann in einer solchen Gerichtspraxis nur der Versuch gesehen werden, die Justiz in den Dienst der von der Bundesregierung verfochtenen „Politik der Stärke“ zu stellen, einer Politik, die der sich anbahnenden internationalen Entspannung entgegensteht und besonders gegen die Verständigung mit der Deutschen Demokratischen Republik und damit gegen die friedliche Wiedervereinigung gerichtet ist. Soll sich die Entwicklung jener unheilvollen Jahre der deutschen Vergangenheit wiederholen, die zum Mißbrauch der Justiz als Werkzeug eines Systems des Unrechts und brutaler Willkür führte? Ich kann in diesem Zusammenhang nicht umhin, auf die Flut nazistischer Umtriebe zu Beginn dieses Jahres in der Bundesrepublik hinzuweisen, die. in der Weltöffentlichkeit große Erregung ausgelöst hat. Bedeutet es nicht geradezu eine Ermunterung für die faschistischen Kräfte, wenn ehrliche Berlin, den 14. Januar 1960 Demokraten, die für Frieden und Verständigung ein-treten, durch die Polizei- und Justizorgane der Freiheit beraubt und zu Rechtsbrechern gestempelt werden, während das Wiederaufleben des faschistischen Ungeistes geduldet und von bestimmten Instanzen sogar gefördert wurde? In der Deutschen Demokratischen Republik besteht entsprechend den friedlichen Zielen ihrer Regierung die völlige Freiheit für die gesamtdeutsche Verständigung im Interesse des Friedens und der demokratischen Wiedervereinigung. Die Kommunalpolitiker der Bundesrepublik haben in der Deutschen Demokratischen Republik jederzeit die Möglichkeit, mit den Vertretern der Bevölkerung über solche Fragen zu sprechen. Gemäß den staatsrechtlich fixierten Aufgaben des Generalstaatsanwalts der Deutschen Demokratischen Republik sehe ich eine meiner vornehmsten Pflichten darin, darüber zu wachen, daß diese elementare Freiheit nicht angetastet wird. Ich spreche die Erwartung aus, daß Sie, Herr Generalbundesanwalt, im gleichen Sinne von Ihrem Amt Gebrauch machen und das in Ihren Kräften Stehende tun werden, um auch in der Bundesrepublik die Freiheit der gesamtdeutschen Verständigung im Interesse der Sicherung des Friedens und der friedlichen Wiedervereinigung herzustellen und zu gewährleisten. Im Namen der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik ersuche ich Sie, die sofortige Freilassung der Vertreter des Kreistags Stadtroda zu erwirken. Ich darf daran erinnern, daß Sie im vergangenen Jahr in den Verfahren gegen die Kommunalpolitiker der Deutschen Demokratischen Republik Milde und Übel die Einstellung verfügten, weil Sie selbst zu der Überzeugung gelangten, daß strafbare Handlungen nicht Vorlagen. Den Stadtrodaer Abgeordneten kann ebensowenig wie all den anderen Volksvertretern der Deutschen Demokratischen Republik, die um des friedlichen gesamtdeutschen Gesprächs willen in die Bundesrepublik kommen, eine Straftat zur Last gelegt werden. Ich würde es sehr bedauern, wenn Sie in diesem Falle dem Druck bestimmter politischer Kreise in Westdeutschland, die die friedliche Verständigung zu verhindern suchen, nachgeben würden. In Anbetracht der hohen Verantwortung, die Sie für die Einhaltung der Rechtsgarantien, für die Wahrung der Grundrechte und demokratischen Freiheiten in der Bundesrepublik tragen, ersuche ich Sie, mit allen Ihnen zu Gebote stehenden Mitteln dem Vorgehen der Polizei-und Justizorgane in der Bundesrepublik gegen die gesamtdeutsche Verständigung Einhalt zu gebieten und die Freilassung aller wegen ihres Eintretens für Frieden und demokratische Wiedervereinigung inhaftierten Bürger der Deutschen Demokratischen Republik herbeizuführen. Da die in diesem Schreiben aufgeworfenen Fragen von großer Bedeutung für das Streben des ganzen deutschen Volkes nach Sicherung des Friedens und demokratischer Wiedervereinigung sind, erlaube ich mir, 'das Schreiben zugleich der Öffentlichkeit zu übergeben. Mit vorzüglicher Hochachtung gez. Dr. Melsheimer Generalstaatsanwalt der DDR 99;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 99 (NJ DDR 1960, S. 99) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 99 (NJ DDR 1960, S. 99)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich seinFormelle, gleichgültige, politisch unkluge, undifferenzierte, letztlich ungesetzliche Entscheidungen darf es nicht geben. Immer wieder muß gerade die hohe politische Bedeutung der strikten Einhaltung der Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren Vertrauliche Verschlußsache . Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei Verdächtigenbefragungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Zu : Trotz Begründung des Verdachts einer Straftat kann es unter Berücksichtigung aller politisch, politisch-operativ und strafrechtlich relevanten Umständen zweckmäßig und angebracht sein, auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Verdächtigen für das Kollektiv in positiver und negativer Hinsicht ergeben? In welcher Weise und durch wen müßte gegenüber dem Kollektiv im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in dieser Alternative an den Staatsanwalt entspricht der Regelung der über die ausschließlich dem Staatsanwalt vorbehaltene Einstellung des Ermittlungsverfahrens, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuch von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß abgeschlossen, auch wenn im Ergebnis des Prüfungsverfahrens die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erarbeitet wurden.

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