Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 804

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 804 (NJ DDR 1960, S. 804); Buchbesprechung Der Leipziger Hochverratsprozeß vom Jahre 1872. Herausgegeben von Karl-Heinz Leidigkeit. Verlag Rütten & Loening, Berlin 1960, 536 Seiten, Preis 17,50 DM. Die Neuherausgabe dieses dokumentarischen Werkes erfolgte knapp 50 Jahre nach seiner letzten Auflage und fast 90 Jahre nach Durchführung des Prozesses. Dennoch hat dieses Werk nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Seine Bedeutung besteht vor allen Dingen darin, daß es den Klassencharakter der Justiz des kapitalistischen Deutschlands zeigt, die bisher durch eine Kette von Prozessen, vom Kölner Kommunistenprozeß bis zum Verbotsprozeß gegen die KPD, vergeblich versucht hat, die gesetzmäßige Entwicklung vom Kapitalismus zum Sozialismus aufzuhalten. Das Buch enthält ein Vorwort des Herausgebers und in seinem Hauptteil die Aufzeichnungen über die Verhandlungstage des Schwurgerichts zu Leipzig in dem Prozeß gegen Liebknecht, Bebel und H e p n e r wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom 11. bis zum 26. März 1872 und die unmittelbar die Prozeßhandlungen betreffenden Erklärungen. Im Anhang befinden sich die Einleitung Wilhelm Liebknechts zur 2. Auflage des „Leipziger Hochverratsprozesses“, der Bericht über den 5. Vereinstag deutscher Arbeitervereine zu Nürnberg (5. bis 7. September 1868), das Protokoll über die Verhandlungen des Allgemeinen Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterkongresses zu Eisenach am 7., 8. und 9. August 1869 und der Aufruf des Braunschweiger Ausschusses vom 24. Juli 1870. Die im Anhang enthaltenen historischen Dokumente erleichtern das Verständnis des Prozeßstoffes und stellen daher eine wertvolle Ergänzung des Buches dar. Bezeichnend für den Klassencharakter der Justiz war bereits die Besetzung des Gerichts, dessen Präsident sich in der Verhandlung offen als Feind der Sozialdemokratie ausgab. Die Geschworenen, die nach dem Gesetz nur aus den Höchstbesteuerten hervorgehen konnten, waren sämtlich Vertreter der herrschenden Klasse. Völlig zu Recht stellten daher Liebknecht und Bebel nach ihrer Verurteilung in einer Stellungnahme fest, daß die Schwurgerichte „ ausschließlich aus der besitzenden Klasse gebildet, nichts sind als Mittel der Klassenherrschaft und Klassenunterdrückung“ (S. 313). Mit welchen Mitteln der „Beweis“ geführt wurde, ergab sich u. a. daraus, daß im Prozeß eine große Anzahl von Broschüren, Zeitungsartikeln und revolutionären Gedichten zur Verlesung kam, die vorher jahrelang verbreitet worden waren, ohne daß darin ein Hochverrat erblickt worden wäre. Aufschlußreich waren z. B. die Gründe, die der Staatsanwalt für die Verlesung des „Kommunistischen Manifestes“ angab: „Im .Kommunistischen Manifest1 ist die offene Gewalt gepredigt. Das .Manifest1 ist von Marx verfaßt. Liebknecht ist ein Schüler von Marx!“ (S. 380). Neben dem „Kommunistischen Manifest“ wurden u. a. solche bedeutenden. Dokumente des wissenschaftlichen Sozialismus wie die Inauguraladresse, die Statuten der Internationalen Arbeiter-Assoziation und die Broschüre August Bebels „Unsere Ziele“ verlesen. Gegenstand des Brozesses war weiter eine von August Bebel in Plauen gehaltene Rede, in der er das Programm der Sozialdemokratie entwickelt hatte und die Gesetzmäßigkeit des Sieges des Sozialismus über den Kapitalismus historisch nachwies. Bereits aus diesen Darlegungen geht klar hervor, gegen wen sich der Prozeß richtete. Liebknecht selbst führte in seinem Vorwort zur zweiten Auflage des „Leipziger Hochverratsprozesses“ folgendes aus: „ . in unseren Personen war der Sozialismus, war die Arbeiterbewegung angeklagt. In uns sollte der Sozialismus, sollte die Arbeiterbewegung verurteilt werden. Denn und das ist es, was dem Leipziger Hochverratsprozeß an sich seine*Bedeutung gibt dieser Prozeß war ein Tendenzprozeß in des Wortes verwegenster Bedeutung ein Prozeß gegen eine Partei, ein Prozeß gegen eine Weltanschauung, die in ihren ange-klagten Vertretern getroffen werden sollte. Und die ganze Weltanschauung des Sozialismus saß auf der Anklagebank“ (S. 386). Die Haltlosigkeit des Prozesses ergab sich besonders aus folgenden Ausführungen des Präsidenten: „ . daß sich aus dem einen oder anderen Artikel, für sich allein betrachtet, nicht die Anklage begründen läßt, daß aber aus der Zusammenwirkung dieser sämtlichen Artikel, in Verbindung mit anderen Tatsachen, die Anklage hervorgegangen ist“ (S. 188). Der Absurdität dieser Auffassung begegnete Liebknecht mit dem Hinweis: „Ein Artikel ist straflos, zehn Artikel aber, von denen jeder einzelne straflos ist, ergeben ein Verbrechen. Oder will man etwa sagen: zehn Lügen machen einen Diebstahl, zehn Diebstähle einen Mord, also hundert Lügen einen Mord? Oder, daß im Laufe der Zeit aus einem kleinen Vergehen ein größeres werden kann?“ (S. 188/189). Die Prozeßführung ließ keine Zweifel darüber aufkom-men, daß es einzig und allein darum ging, die sozialistische Weltanschauung zu treffen. Sehr bezeichnend war die Haltung des Präsidenten zur Redefreiheit der Verteidigung. Auf Ausführungen Liebknechts entgegnete er z. B.: „ es kommt nicht darauf an, wie Sie, Herr Liebknecht, den Inhalt dieser Schriftstücke auslegen, es ist das doch ganz gleichgültig. Sie verzögern durch Ihre langen Reden die Verhandlungen so außerordentlich, daß ich mir für die Zukunft das Recht wahren muß. unnötigen Zeitaufwand zu vermeiden“ (S. 127). Liebknecht protestierte gegen die Beschränkung seiner Redefreiheit, indem er darlegte, daß „stundenlang, ja tagelang seitens der Anklage Aktenstücke, die gar nicht zur Anklage gehören“ (S. 128), zur Verlesung gelangten, während er wiederholt in seiner Redefreiheit beschränkt wurde. Der Präsident behinderte die Verteidigung sogar im Schlußwort, indem er einen Teil der Rede eines Verteidigers als unangemessen bezeichnete. Liebknecht, Bebel und Hepner verteidigten im Verlauf des Prozesses mutig die sozialistische Weltanschauung. Sie entwickelten vor aller Öffentlichkeit das Programm des wissenschaftlichen Sozialismus und legten dar, daß der Sozialismus u. a. das Ziel verfolgt, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen. Bei der Verwirklichung ihrer Ziele sprachen sie sich entschieden gegen jeden Kompromiß mit dem herrschenden System aus und wiesen konsequent Ansichten über eine angebliche Harmonie zwischen Kapital und Arbeit zurück. „Der heutige Staat ist der Ausdruck der Klassenherrschaft, er vertritt die Macht des Kapitals“ (S. 212), mit diesen Worten nahm Liebknecht gegenüber dem damaligen Klassenstaat Stellung. Gleichzeitig blieben Liebknecht, Bebel und Hepner den Prinzipien des proletarischen Internationalismus treu. „Gegen diese .internationale1 Ausbeutung der Arbeiter gibt es nur ein Mittel: die internationale Verbrüderung der Ausgebeuteten“ (S. 133/134), führte Liebknecht aus. Die Verteidigung der Prinzipien des proletarischen Internationalismus zeigte sich auch in ihrer Stellungnahme zum Charakter des Krieges 1870/71, die durch Verlesen mehrerer Schriftstücke ebenfalls zum Gegenstand der Verhandlung gemacht wurde. In einem dieser Artikel, der dem „Volksstaat“, dem ersten Zentralorgan der revolutionären sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands, entnommen worden war, hieß es: „Bis zum 4. September war der Krieg für Deutschland ein Verteidigungskrieg, . wird der Krieg fortgesetzt, so ist es ein Eroberungskrieg“ (S. 222). Folgerichtig sprachen sich Liebknecht, Bebel und auch Hepner gegen den Militarismus aus. Diese Ausführungen zeugen davon, daß die heutige SPD Westdeutschlands durch die Politik ihrer rechten Führer nur noch den Namen mit der damaligen SPD gemein hat, nachdem sie das Banner des Marxismus über Bord geworfen (Godesberger Programm), auf eine eigene Politik verzichtet hat und sich völlig im Fahrwasser der Adenauer-Clique befindet. Mit Recht mahnte daher Walter Ulbricht kürzlich anläßlich einer Aussprache mit Funktionären der SPD, den Grundsätzen August Bebels treu zu bleiben. Wenngleich das Gericht ein Terrorurteil fällte, durch das Liebknecht und Bebel zu je zwei Jahren Festung verurteilt wurden1, hat der Prozeß zur Verbreitung der sozialistischen Weltanschauung sehr stark beigetragen. Liebknecht charakterisierte seine Bedeutung damit, daß „ der Sozialismus seine Stimme erhob, der Welt zurief: Ich bin nicht tot! Ich lebe! Ich kämpfe; ich werde siegen! daß er 14 Tage lang der schauenden und horchenden Welt seine Grundsätze entwickelte, seine Ziele entschleierte, seine Lebensberechtigung und seine Notwendigkeit nachwies“ (S. 385). „Dieser Prozeß war die erste Gelegenheit zur gründlichen Aussprache vor einem aufmerksamen Publikum. Und ganz Deutschland war unser Publikum“ (S. 386). Der Prozeß war somit ein „Bumerang“2 für die herrschende Klasse, da sie durch ihn eine moralische Niederlage erlitten hatte. Gerhard Baatz. Richter am Kreisgericht Bitterfeld 1 Hepner wurde freigesprochen, was dieser folgendermaßen kommentierte: „Ich bin also freigesprochen worden, weil ich weder Liebknecht noch Bebel heiße“ (S. 314). 2 Mit diesem Titel überschrieb der kürzlich verstorbene westdeutsche Schriftsteller H. J. Rehfisch ein Stüde um den „Leipziger Hochverratsprozeß“, das an den Städtischen Theatern in Leipzig uraufgeführt wurde. 804;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 804 (NJ DDR 1960, S. 804) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 804 (NJ DDR 1960, S. 804)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

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