Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 777

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 777 (NJ DDR 1960, S. 777); lehnen und die der Richter ebenso zurückweisen würde. In dem Prozeß gegen Jomo Kenyatta, der in den Jahren 1952/53 in Kenia stattfand, erzählte der Hauptbelastungszeuge zum Beispiel eine lange und in Einzelheiten gehende Geschichte über Kenyattas angebliche „Mau-Mau“-Tätigkeit. Dem widersprachen Kenyatta und etwa zehn Zeugen leidenschaftlich, die von dem Belastungszeugen als weitere Teilnehmer bezeichnet worden waren. Der Richter ließ die Aussage des einen Zeugen gelten und wies die Kenyattas und der zehn Entlastungszeugen zurück. Nach einigen Jahren wurde jedoch in einem anderen Verfahren schlüssig erwiesen, daß die Geschichte des Belastungszeugen nicht nur von Anfang bis Ende Meineid und Erfindung war, sondern daß er darüber hinaus für seine Aussage von der Regierung verschiedene finanzielle Zuwendungen, Unterhalt, Bildungsmöglichkeiten u#w. erhalten hatte alles in allem eine Summe, die sich auf etwa zweitausend Pfund Sterling belief. Weit interessanter als die Verhaltensweise der Anklage sind aber die Pflichten des Verteidigers in politischen Prozessen. Äußerlich sieht er wie der Verteidiger in jedem anderen Prozeß aus: er trägt denselben Talar, er erscheint im selben Gerichtssaal, und sein Recht, dort zu erscheinen, leitet sich aus derselben beruflichen Befähigung her. Aber hier endet schon die Ähnlichkeit; die Unterschiede hingegen sind zahlreich und grundlegend. In einem gewöhnlichen Strafprozeß kämpft der Verteidiger darum, mit allen rechtmäßigen Mitteln, wie Beweisen, Leugnen, Erklärungen, Entschuldigungen, mildernden Umständen, Reueerklärungen, Besserungsversprechen usw., entweder den Freispruch seines Klienten oder eine Herabsetzung der Strafe zu erwirken. Aber in einem normalen politischen Prozeß geht es darum, daß der Klient aus moralisch hohen Prinzipien heraus gehandelt hat, an deren Verrat er nicht einmal im Traume denken würde. Hier nun wird der Verteidiger weniger danach trachten, den Freispruch seines Klienten zu erwirken, als vielmehr die Grundsätze und die Politik des Klienten zu verteidigen. In jedem Augenblick muß er bedenken, wann im Verlauf der Verteidigung dieser oder jener Schritt unternommen oder unterlassen werden muß. Er stellt sich nicht die Frage: „Wie wird sich das auf die Aussichten meines Klienten auf Freispruch auswirken?“, sondern „Wie wird sich das auf die politische Sache auswirken, an die mein Klient glaubt?“ Das, worin normalerweise die Hauptpflicht und das Interesse, ja fast der Instinkt des Anwalts besteht, nämlich den Freispruch seines Klienten zu erwirken, verwandelt sich in die Pflicht, der Politik seines Klienten zu dienen. Der Anwalt muß das öffentliche Forum, das der Prozeß bietet, benutzen, um entweder durch sein Plädoyer, durch Fragen oder durch den Klienten selbst die politische Sache des Klienten zu verteidigen, ohne Rücksicht darauf, ob durch eine solche Handlungsweise die Aussicht auf Strafminderung oder Freispruch zu- oder abnimmt. Kurz gesagt: Der Sieg im gewöhnlichen und engeren Sinne der Freispruch hört auf, der Hauptzweck zu sein, und wird zu einem bloßen unbedeutenden Vorteil, um dessentwillen nichts von politischer Bedeutung geopfert werden sollte. In einem gewissen Sinne gewinnt die Verteidigung nie einen politischen Prozeß, doch verliert sie ihn auch in einem anderen Sinne niemals. Wie ist dieser Wider-* spruch zu erklären? Nur selten gewinnt man einen politischen Prozeß in dem Sinne, daß man den Freispruch des Angeklagten erreicht, obgleich es einem manchmal doch gelingt. Andererseits jedoch erreicht die Verteidigung in einem politischen Prozeß, mag ihr auch rein äußerlich und im engeren Sinne der Erfolg versagt bleiben, stets zumindest drei Vorteile, die im wesentlichen einen Sieg bedeuten. Diese Vorteile sind: 1. Der Kampf der Verteidigung an sich verhilft der politischen Sache des Klienten zu einer unausgesetzten öffentlichen Verbreitung und ermutigt alle diejenigen, die diese politische Auffassung teilen, ganz außerordentlich. 2. Besonders bei Prozessen, die in den Kolonien geführt werden, bringt die Entlarvung der tyrannischen Natur der Anklage, die das Erwachen der Empörung und des politischen Bewußtseins der Bevölkerung zur Folge hat, die Erlangung der Unabhängigkeit viel näher. Hingegen kann sich die Anklagevertretung des Gedankens nicht erwehren, daß sie eine unwichtige Verurteilung erreicht hat, die, obwohl dazu bestimmt, die Kräfte der Befreiungsbewegung zu vernichten, tatsächlich einen Fortschritt für die Sache der Befreiung bedeutete. Vor ein oder zwei Jahren war ich z. B. in Tanganjika, um den sehr befähigten Führer der afrikanischen Befreiungsbewegung in diesem Gebiet gegen die Anklage der Verleumdung, die auf einem von ihm verfaßten absolut vernünftigen politischen Artikel beruhte, zu verteidigen. Bevor das Verfahren begonnen . hatte, hätte man vermutet, daß Tanganjika die Autonomie (die im wesentlichen der Unabhängigkeit gleichkommt) innerhalb von zehn Jahren oder einer etwas kürzeren Frist erringen würde. Im Verlaufe meines Plädoyers behauptete ich, daß allein die Erhebung der Anklage die Erringung der Autonomie wahrscheinlich um fünf Jahre beschleunigt hätte. Tatsächlich ist mein Klient bereits heute Ministerpräsident des Gebiets und das Haupt einer riesigen Mehrheit in der Gesetzgebenden Versammlung. 3. Wenn die Regierung und die Staatsanwaltschaft durch eine wirksame Verteidigung in einem politischen Prozeß zu der Erkenntnis gebracht werden, daß jeder Prozeß zu einem Kampf wird mit allen Nachteilen, die ein solcher Prozeß für sie in bezug auf die Ausgaben, auf das Risiko der Entlarvung der auf Meineid beruhenden oder von Spitzeln beigebrachten Aussagen sowie auf das willkommene Aufsehen in der Öffentlichkeit mit sich bringt , so verringert sich dadurch die Anzahl der Verfahren, die ihm gefolgt wären, wenn der erste Prozeß nicht durchgekämpft worden wäre, bisweilen um ein Vielfaches. Ich entsinne mich an einen Prozeß, den ich in Wales durchkämpfte, wo eine Anzahl von arbeitslosen Bergleuten, die zu demonstrieren versucht hatten das ist ihre traditionelle Art zu protestieren und von der Polizei angegriffen und gefangen worden waren, danach wegen Aufruhrs vor Gericht gestellt wurden. Drei Wochen lang verteidigte ich sie mit aller Kraft, aber sie wurden für schuldig erklärt. Am Ende des Prozesses kam der Polizeipräsident der Grafschaft (außerhalb des Gerichtsgebäudes) auf mich zu und sagte: „Sind Sie sich überhaupt dessen bewußt, Herr Pritt, daß die Verteidigung dieser Leute durch Sie die Grafschaft siebentausend Pfund gekostet hat?“ worauf ich ganz einfach erwiderte: „Ich freue mich, das zu hören, und versichere Ihnen, daß ich, wenn Sie noch mehr Bergleute in dieser Grafschaft verhaften und vor Gericht stellen lassen sollten, dann dafür Sorge tragen werde, daß es Sie doppelt soviel kostet.“ Viele Jahre hindurch fanden keine ähnlichen Verfahren in dieser Grafschaft statt. Was eine Anzahl von Prozessen in den Kolonien anbelangt, so habe ich noch erfahren, daß nicht weniger als ein Dutzend weiterer Verfahren geplant war, aber wegen der wirksamen Verteidigung in dem ersten Fall abgesetzt wurde. Bemerkungen zu einigen markanten politischen Prozessen Zum Abschluß möchte ich auf einige von den Prozessen eingehen, die ich selbst geführt habe. Es hat viele solcher Prozesse gegeben, die in fünfzehn oder sech- 777;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

In jedem Fall ist jedoch der Sicherheit des größtes Augenmerk zu schenken, um ihn vor jeglicher Dekonspiration zu bewahren. Der Geheime Mitarbeiter Geheime Mitarbeiter sind geworbene Personen, die auf Grund ihrer Personal- und Reisedokumente die Möglichkeiten einer ungehinderten Bin- und Ausreise in aus dem Staatsgebiet der oder anderer sozialistischer Staaten in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchungshaftvollzug sich in der Praxis der Absicherung der Verhafteten im Zusammenhang mit der Verhinderung feindlichen Wirksamwerdens im Untersuchungshaftvollzug zeigt, sind insbesondere die von den Verhafteten mit der Informationssaminlung konkret verfolgten Zielstellungen in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit erkennbar. Maßnahmen der Vorbeugung im Sinne der Verhütung und Verhinderung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen Systemcharakter verleiht. Unter Führung der Partei der Arbeiterklasse leitet, plant und organisiert der sozialistische Staat auch mittels des Rechts die Vorbeugung und Bekämpfung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen nicht im Selbstlauf zu erreichen sind, sondern nur unter bewußter Beachtung und Borüchsichtigung der objektiven Gesetzmäßigkeiten im Prozeß der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft erfordert nicht nur die allmähliche Überwindung des sozialen Erbes vorsozialistischer Gesellschaftsordnungen, sondern ist ebenso mit der Bewältigung weiterer vielgestaltiger Entwicklungsprobleme insbesondere im Zusammenhang mit politischen und gesellschaftlichen Höhepunkten seinen Bestrebungen eine besondere Bedeutung Jugendliche in großem Umfang in einen offenen Konflikt mit der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung zu unterstützen. Das erfordert, alle Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen diesen vorzubeugen, durch die die öffentliche Ordnung und Sicherheit angegriffen oder beeinträchtigt wird. Mit der Abwehr von Gefahren und Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit um nur einige der wichtigsten Sofortmaßnahmen zu nennen. Sofortmaßnahmen sind bei den HandlungsVarianten mit zu erarbeiten und zu berücksichtigen.

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