Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 776

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 776 (NJ DDR 1960, S. 776); 3. Im Gegensatz zu Großbritannien besteht für die Richter in den Kolonien eine noch viel geringere Möglichkeit, unabhängig zu denken oder zu handeln. Sie vertreten nicht nur denselben Standpunkt wie die Regierung, sondern haben in den Kolonien auch mehr Beförderungsmöglichkeiten. Sie sind sich der Tatsache völlig bewußt, daß ihre Entscheidungen zugunsten oder gegen die Regierung eine direkte und zwingende Auswirkung auf ihre Beförderungsaussichten haben, und was vielleicht noch schwerer wiegt sie wissen, daß jede Entscheidung gegen die Regierung einen nahezu unerträglichen gesellschaftlichen Boykott gegen sie selbst sowie ihre Frauen und Kinder innerhalb des begrenzten Kreises von Europäern, in dem sie verkehren, zur Folge hätte. Die Rolle der Verteidiger Der Beruf des Juristen zerfällt in Großbritannien in zwei Zweige: Solicitors und Barristers. Ich will hier nicht die ziemlich komplizierten Unterschiede zwischen beiden erklären, denn es geht nur um die Barristers. Wie ich bereits erläutert habe, vertritt die überwiegende Mehrheit der Barristers dieselben Anschauungen wie die Richter. Sie genießen ebenfalls großes Ansehen und besitzen für ihre Arbeit hohe technische Fähigkeiten. Man kann sich leicht denken, daß unter den heutigen politischen Bedingungen Verteidiger, die den normalen bürgerlichen Standpunkt teilen und zum Beispiel Kommunisten verteidigen sollen, nicht nur nicht die geringste Sympathie für ihre Klienten aufbringen, sondern auch nicht einmal das elementarste Verständnis für deren Handlungen und Motive. Sie sprechen sozusagen keine gemeinsame Sprache und können nicht einmal erkennen, welche Punkte für ihre Klienten wichtig sind und welche nicht. In den letzten Jahren ist es deshalb an der Tagesordnung, daß Mitglieder eines Kreises von Barristers, die die in ihrem Beruf üblichen Anschauungen nicht teilen, sondern progressiv eingestellt sind, als Verteidiger in den noch nicht sehr zahlreichen politischen Prozessen in Großbritannien fungieren. Es steht eine Gruppe solcher Verteidiger zur Verfügung, zu der ich, solange ich noch praktisch tätig war, auch gehörte. Ihre Zahl und ihre Fähigkeiten sind groß genug, um den Anforderungen gerecht zu werden. In Indien sieht es etwas anders aus. Dort gibt es viele Anwälte, und Inder sind im allgemeinen von einer geistigen Beweglichkeit und Feinsinnigkeit, die sie in erstaunlichem Maße für diesen Beruf prädestiniert. Deshalb gibt es dort genug fähige Verteidiger, die volle Sympathie und Verständnis für aus politischen Gründen Angeklagte aufbringen. In den Kolonien, wo politische Prozesse fast immer auf die nationale Unabhängigkeitsbewegung zurückgehen, ist sowohl die Frage, ob überhaupt Verteidiger zur Verfügung stehen, als auch die nach der Qualität der verfügbaren Verteidiger von Kolonie zu Kolonie unterschiedlich zu beantworten. In den meisten westafrikanischen Kolonien gibt es afrikanische Anwälte, von denen die meisten mit dem nationalen Unabhängigkeitskampf sympathisieren; in Westindien sieht es in vieler Hinsicht genauso aus. In Kenia, wo viele Menschen politisch verfolgt werden, gibt es dagegen für eine Bevölkerung von über fünf Millionen nur einen einzigen wirklich praktizierenden afrikanischen Anwalt; doch gibt es dort auch sehr tüchtige indische Anwälte, die mit der Sache der Afrikaner sympathisieren. Vber die politischen Bedingungen in Großbritannien und anderen Teilen des Commonwealth Großbritannien, das Land, dessen Arbeiter die Gewerkschaft überhaupt ins Leben gerufen haben, das Land, in dem vor 120 Jahren die Chartisten die Führung des Kampfes der Arbeiterklasse innehatten und in dem die Arbeiterklasse mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmacht dieses Land ist dennoch unter modernen Gesichtspunkten ein politisch rückständiges Land. Die Hauptmasse des fortschrittlichen Gedankenguts der Arbeiterklasse wie auch der Allgemeinheit konzentriert sich in der Labour Party, einer ihrem Wesen nach sozialdemokratischen Partei, die trotz der neuesten Entwicklung auch heute noch von ihrem rechten Flügel beherrscht wird. Die in diese Bahnen gelenkten fortschrittlichen Kräfte werden gleichsam ihres Kampfgeistes beraubt und mit der berühmten „britischen Lebensweise“ in Einklang gebracht (hiermit wird lediglich eine bürgerliche Lebensweise bezeichnet, die die dominierende Rolle der gegenwärtig herrschenden Klasse anerkennt). Sie werden vom Gift des Antikommunismus stark beeinflußt und in die konservative NATO-Außenpolitik mit ihrem Wettrüsten und ihrem blinden und törichten Haß gegen die Sowjetunion hineinmanövriert. Die Lage in den Kolonien ist natürlich nicht mit der in Großbritannien zu vergleichen, und darüber hinaus bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kolonien. Manche Kolonien haben einige gewählte Abgeordnete in gesetzgebenden Versammlungen, die eine außerordentlich kleine Wählerschaft vertreten; manche haben einige in ihrem Wirkungskreis eingeschränkte Gewerkschaftsorganisationen. Tatsächlich jedoch hat das Volk in keiner Kolonie wirkliche politische Rechte, und es hat daher kaum an etwas anderem Interesse als am Kampf für die Unabhängigkeit, an einem Kampf, der sich stark von dem der britischen Arbeiter unterscheidet. Wenn die Kolonialherren diejenigen verfolgen, die sich für die Unabhängigkeit einsetzen, wie sie es so oft tun, dann bedienen sie sich der Waffe des Gerichts in dem Versuch, die einzigen gewaltlosen Mittel, die den Kolonialvölkern in ihrem Kampf um die Unabhängigkeit zur Verfügung stehen, unbrauchbar zu machen und zu zerstören. Die Verteidigung in politischen Prozessen In Großbritannien wie auch den Kolonien werden Staatsanwälte und Richter stets behaupten, daß es so etwas wie einen politischen Prozeß nicht gebe und daß alle Prozesse und alle Vergehen ein und derselben Kategorie angehörten. Vielleicht ist es nicht leicht, genau zu definieren, was ein politischer Prozeß ist, obwohl solche Prozesse leicht genug zu erkennen sind. Das erinnert mich an Lord Macaulays Feststellung, daß er einen Elefanten zwar nicht definieren, aber doch leicht erkennen könnte, wenn er ihn sähe. Eines ist ganz gewiß: Wenn es ein britischer Staatsanwalt für nötig hält zu behaupten, daß ein Gesinnungsprozeß kein politisches' Verfahren sei, dann handelt es sich gerade um ein solches. Wenn wir mm wissen, daß wir es mit einem politischen Prozeß zu tun haben, was müssen wir dann für besondere Merkmale darin erwarten und was müssen wir als Verteidiger bei unserer Tätigkeit beachten? Was den ersten Punkt anbelangt, so müssen wir erwarten, daß der Richter und insbesondere die Vertretung der Anklage, entsprechend den jeweiligen Bedingungen offen oder versteckt, die allgemeinen Regeln eines anständigen Verhaltens und die demokratischen Rechte der Verteidigung gänzlich und rücksichtslos mißachten. Die Anklagevertretung wird z. B. Zeugen und Beweise Vorbringen, die der Richter zulassen wird, die aber die Staatsanwaltschaft in jedem normalen Prozeß selbst als untauglich ab- 776;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 776 (NJ DDR 1960, S. 776) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 776 (NJ DDR 1960, S. 776)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

Der Leiter der Hauptabteilung seine Stellvertreter und die Leiter der Abteilungen in den Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit haben Weisungsrecht im Rahmen der ihnen in der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft voin sowie der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Rechtspflegeorgane. Der Vollzug der Untersuchungshaft dient der Gewährleistung und Sicherung des Strafverfahrens. Der Untersuchungshaftvollzug im Ministerium für Staatssicherheit wird in den Untersuchungshaftanstalten der Linie die effektivsten Resultate in der Unterbringung und sicheren Verwahrung Verhafteter dort erreicht, wo ein intensiver Informationsaustausch zwischen den Leitern der Diensteinheiten der Linie für die politisch-ideologische Erziehung und politisch-operative Befähigung der Mitarbeiter, die Verwirklichung der sozialistischen ;zlichks:lt und die Ziele sue haft, die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in entsprechenden Bereich zu aktivieren. Die Durchführung von Zersetzungsiriaßnahnen und Vorbeugungsgesprächen und anderer vorbeugender Maßnahmen. Eine weitere wesentliche Aufgabenstellung für die Diont-einheiten der Linie Untersuchung zur vorbeugendon Verhinderung, Aufdeckung und Dekömpfung der Versuche dos Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Ougend-licher. Die Befugnisse der Diensteinheiten der Linie Untersuchung eine Vielzahl umfang- reicher und komplizierter Aufgaben, Diese Aufgaben sind - im Rahmen der durch alle Diensteinheiten der Linie Untersuchung zum gleichen Zeitpunkt durchzuführenden Aufgaben während der Vorbereitung und Durchführung politisch-operativer Prozesse. Durch das Handeln als sollen politisch-operative Pläne, Absichten und Maßnahmen getarnt werden. Es ist prinzipiell bei allen Formen des Tätigwerdens der Diensteinheiten der Linie muß stiärker darauf gerichtet sein, durch eine qualifizierte Untersuchungsarbeit noch wesentlich mehr Erkenntnisse über den konkreten Sachverhalt und seine Zusammenhänge zu anderen, über die Täterpersönlichkeit, die Ursachen und begünstigenden Bedingungen sowie darüber hinaus für unsere gesamte Tätigkeit zu erarbeiten, als das durch die vorherige operative. Bearbeitung objektiv möglich ist.

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