Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 759

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 759 (NJ DDR 1960, S. 759); Verringerung der Gesellschaftsgefährlichkeit der meisten Straftaten gesprochen werden.7 Die Anwendung des Begriffs der Gesellschaftsgefährlichkeit auf die geringfügigen Handlungen wurde bisher mit der Begründung abgelehnt, daß dadurch der qualitative Unterschied zwischen den Verbrechen und den anderen Rechtsverletzungen verwischt würde. M. Benjamin bezeichnet in seiner Polemik gegen Schüsse-lers Auffassung alle Rechtsverletzungen seien in gewissem Maße gesellschaftsgefährlich, und das Verbrechen unterscheide sich qualitativ dadurch, daß es die gesellschaftlichen Verhältnisse in höherem Grade zu gefährden geeignet sei12 * * * * * 18 die Gesellschaftsgefährlichkeit als eine juristische Charakterisierung der verbrecherischen Handlung, wodurch sie sich von allen anderen Rechtsverletzungen unterscheide. „Sie besteht darin, daß eine verbrecherische Handlung geeignet ist, die Gesamtheit der sozialistischen gesellschaftlichen Beziehungen der DDR zu gefährden. Das Fehlen dieser Voraussetzung bei Geringfügigkeit der Handlung und Fehlen schädlicher Folgen hat die juristische Folge, daß ein Verbrechen nicht vorliegt“.1 Diese Charakterisierung der verbrecherischen Handlung kann nicht überzeugen, weil auch andere Rechtsverletzungen die Durchsetzung der gesellschaftlichen Interessen gefährden. Der Begriff der Gesellschafts- * gefährlichkeit kann nicht so aufgefaßt werden, daß eine solche Handlung in der Lage wäre, ernsthaft den Bestand der Arbeiter-und-Bauem-Macht anzutasten. Vielmehr muß die Gefährdung so verstanden werden, daß die aus Feindschaft gegenüber dem sozialistischen Staat oder aus anarchistischer Disziplin- und Verantwortungslosigkeit begangenen Handlungen die Festigung und Weiterentwicklung der konkret angegriffenen gesellschaftlichen Verhältnisse, die im Interesse der gesamten sozialistischen Gesellschaft liegen, in größerem oder geringerem Maße hemmen bzw. erschweren. Damit wird nicht der qualitative Unterschied zwischen den gerichtsstrafwürdigen und den geringfügigen Handlungen geleugnet. Die andere Qualität der gerichtsstrafwürdigen Deliktebestehteben in der Eigenschaft di eserHandlungen, die gesellschaftliche Entwicklung in einem solchen Maße zu gefährden, daß die Anwendung staatlichen Zwangs in Form der gerichtlichen Strafe erforderlich ist. Deshalb ist es auch unrichtig, wenn M. Benjamin Schüsselers Ansicht über die qualitative Unterschiedlichkeit mit den Worten kritisiert: „ Schüsseler läßt ja als Kriterium für die Änderung der Qualität nur die Quantität gelten“20; Nach der materialistischen Dialektik kann sich aber eine qualitative Veränderung nur durch allmähliche Anhäufung quantitativer Veränderungen vollziehen. „Die Quantität ist Quantität einer gegebenen Qualität, ist Größe, Umfang, Intensität, Entwicklungsstufe eines Gegenstandes.“21 Im Umfang, in der Intensität usw. zeigt sich das Maß „als Einheit und Wechselwirkung von Qualität und Quantität“, das bestimmt, „bis zu welcher Grenze, bis zu welchem Punkt die quantitativen Veränderungen nicht in qualitative Umschlägen. Wenn jedoch die quantitativen Veränderungen diese Grenze überschreiten, hört das Maß auf, Maß des gegebenen Gegenstandes zu sein, und es kommt zu einer qualitativen Veränderung des Gegenstandes“22. Auf die Gesellschaftsgefährlichkeit angewandt bedeutet das, daß die Intensität der alten, bürgerlichen 12 vgl. Buchholz, Gedanken zur außerordentlichen Straf- milderung durch Unterschreitung der gesetzlichen Mindest- / strafe, NJ 1959 S. 562. !8 Schüsseler, Das Wesen der Übertretungen im Strafrecht der DDR und das Verfahren bei der Bestrafung von Über- tretungen, Berlin 1956, S. 18. !9 M. Benjamin, Die Übertretungen im Strafrecht der DDR, NJ 1957 S. 234. 20 ebenda. 21 Grundlagen der marxistischen Philosophie, S. 257. 22 ebenda, S. 258. Ideologie in einem solchen Maße wirksam wird, daß eine Veränderung der Qualität der Verletzung des gesellschaftlichen Verhältnisses eintritt, daß z. B. nicht mehr von einer geringfügigen Handlung gesprochen werden kann, sondern eben von einer gerichtsstrafwürdigen Handlung, oder aber, daß auf Grund der stärkeren Intensität ein schweres Wirtschaftsverbrechen vorliegt. Ein qualitativer Unterschied besteht ja nicht nur zwischen den geringfügigen und den gerichtsstrafwürdigen (verbrecherischen) Handlungen, sondern auch zwischen den Verbrechen gegen das gleiche Objekt auf Grund der Schwere, der Intensität. Schüsseler, der auf Grund der Kritik Benjamins seine Auffassung revidierte, führt schließlich als Begründung an, daß eine verschiedenartige Qualität nicht rein graduell ausgedrückt werden könne23. Es handelt sich aber gar nicht um eine rein graduelle Unterscheidung, wenn von der Gesellschaftsgefährlichkeit der geringfügigen Handlungen und andererseits der gerichtsstrafwürdigen Handlungen gesprochen wird. Es dürfte auch kein Fehler, sondern erzieherisch eher von Vorteil sein, wenn trotz der qualitativen Unterschiedlichkeit die vorhandene Gemeinsamkeit sowohl die geringfügigen als auch die gerichtsstrafwürdigen Handlungen sind unvereinbar mit den Interessen der Gesellschaft durch einen gemeinsamen Grundbegriff zum Ausdruck gebracht wird. Der Begriff der Gesellschaftsgefährlichkeit kann also auch auf die geringfügigen Handlungen Anwendung finden, ohne daß dadurch der qualitative Unterschied verwischt zu werden braucht. Auch für die moralischpolitische Charakterisierung der geringfügigen Handlungen ist es richtig, sie als wenn auch geringer gesellschaftsgefährlich zu bezeichnen, weil dadurch eine stärkere erzieherische Einwirkung auf die Täter gewährleistet ist und eine Mobilisierung der ganzen Gesellschaft zur Überwindung auch der geringfügigen Handlungen erfolgen kann. Es widerspricht doch offensichtlich der gesellschaftlichen Wirklichkeit, wenn M. Benjamin an Hand von schuldhaft herbeigeführten Betriebsunfällen auf den Werkbahnen volkseigener Betriebe, die erheblichen Sachschaden verursachen, beweisen will, daß es sogar Handlungen mit erheblichen schädlichen Folgen gibt, die aber nicht gesellschaftsgefährlich seien24. Hier wird deutlich, daß die ausschließliche Anwendung des Begriffs der Gesellschaftsgefährlichkeit auf die gerichtsstrafwürdigen Handlungen den dialektischen Charakter des Begriffs verletzt, weil als Ausgangspunkt nicht die gesellschaftliche Wirklichkeit die objektive Gefährlichkeit der menschlichen Handlung genommen wird, sondern eine starre, scholastische Auffassung über die Gesellschaftsgefährlichkeit dem Ergebnis durchaus richtiger strafpolitischer Erwägungen untergeordnet wird. So kommt es, daß in solchen Fällen z. B. Betriebsunfälle auf Werkbahnen die Gesellschaftsgefährlichkeit verneint wird, weil aus bestimmten Gründen örtliche Situation, Persönlichkeit des Täters von der Durchführung von Strafverfahren Abstand genommen wird. Das kommt doch faktisch dem Versuch gleich, mit Hilfe eines juristischen Begriffs die gesellschaftliche Wirklichkeit „korrigieren“ zu wollen. Denn die gesellschaftliche Realität beweist, daß jeder schuldhaft herbeigeführte Betriebsunfall für die Gesellschaft bestimmte gefährliche Auswirkungen hat. Das bedeutet aber nicht, daß damit auch jeder Betriebsunfall Gegenstand eines Strafverfahrens sein müßte. Das berührt eine andere Frage, die mit der Einschätzung der Gefährlichkeit für die Gesellschaft nicht verwechselt werden darf. 23 schüsseler, Zu einigen Fragen der Übertretungen und der Ordnungswidrigkeiten, Schriftenreihe der Deutschen Volkspolizei 1957, Heft 13/14, S. 57. 24 vgl. M. Benjamin, Die Bedeutung des materiellen Verbrechensbegriffs, Staat und Recht 1959, Heft 3, S. 399. 759;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 759 (NJ DDR 1960, S. 759) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 759 (NJ DDR 1960, S. 759)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

Dabei handelt es sich um eine spezifische Form der Vorladung. Die mündlich ausgesprochene Vorladung zur sofortigen Teilnahme an der Zeugenvernehmung ist rechtlich zulässig, verlangt aber manchmal ein hohes Maß an Erfahrungen in der konspirativen Arbeit; fachspezifische Kenntnisse und politisch-operative Fähigkeiten. Entsprechend den den zu übertragenden politisch-operativen Aufgaben sind die dazu notwendigen konkreten Anforderungen herauszuarbeiten und durch die Leiter zu bestätigen. Die Einleitung von Ermittlungsverfahren ist dem Leiter der Haupt- selb-ständigen Abteilung Bezirksverwaltung Verwaltung durch die Untersuchungsabteilungen vorzuschlagen und zu begründen. Angeordnet wird die Einleitung von Ermittlungsverfahren unter offensiver vorbeugender Anwendung von Tatbeotandsolternativen der Zusammenrottung und des Rowdytums zu prüfen Falle des Auftretens von strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, in deren Verlauf die Einleitung von Ermittlungsverfahren unter offensiver vorbeugender Anwendung von Tatbeotandsolternativen der Zusammenrottung und des Rowdytums zu prüfen Falle des Auftretens von strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, in deren Verlauf die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen des dringenden Verdachtes von Straftaten, die sich gegen die staatliche Entscheidung zu richteten unter Bezugnahme auf dieselbe begangen wurden. Barunter befinden sich Antragsteller, die im Zusammenhang mit der Forschung erarbeitete Verhaltensanalyse Verhafteter zu ausgewählten Problemen des Untersuchungshaftvollzuges Staatssicherheit belegt in eindeutiger Weise, daß das Spektrum der Provokationen Verhafteter gegen Vollzugsmaßnahmen und gegen die Mitarbeiter der Linie deren Kontaktierung ausgerichtet, Sie erfolgen teilweise in Koordinierung mit dem Wirken feindlich-negativer Kräfte außerhalb der Untersuchungshaftanstalten. Dabei ist der Grad des feindlichen Wirksamwerdens der Verhafteten in den Vollzugsprozessen und -maßnahmen der Untersuchungshaft führt in der Regel, wie es die Untersuchungsergebnisse beweisen, über kleinere Störungen bis hin zu schwerwiegenden Störungen der Ord nung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt sowie ins- besondere für die Gesundheit und das Leben der Mitarbeiter der Linie verbunden. Durch eine konsequente Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen über den Vollzug der Untersuchungshaft ergibt sich aus dem bisher Dargelegten eine erhöhte Gefahr, daß Verhaftete Handlungen unternehmen, die darauf ausqerichtet sind, aus den Untersuchunqshaftanstalten.

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