Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 718

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 718 (NJ DDR 1960, S. 718); der angeklagte Jugendliche zur Zeit der Tat die Ein-sichts- und Willensbestimmungsfähigkeit hatte8 9. Diese Prüfungspflicht wurde mit § 4 JGG von 1952 gesetzlich festgelegt. Sie soll auch im künftigen Strafgesetzbuch erhalten bleiben. Dabei muß aber durch ihre gesetzlich klare und eindeutige Ausgestaltung erreicht werden, daß die Straforgane auf die politisch bedeutsamen Fragen, die in einem Verfahren gegen Jugendliche zu beantworten sind, hingelenkt werden. Eine solche Bestimmung, in der die notwendigen, vom Gericht jeweils festzustellenden Voraussetzungen beschrieben sind, um die strafgerichtliche Verantwortung eines jugendlichen Täters zu begründen, erfaßt in ihrem Wesen den jungen Menschen in seiner sozialen oder gesellschaftlichen Natur. Sie geht, davon aus, daß sich der junge Bürger des sozialistischen Staates durch staatliche und gesellschaftliche Bildung und Erziehung zu einer Persönlichkeit zu entwickeln vermag, die die Fähigkeit oder reale Möglichkeit einschließt, sich in die sozialistische Gesellschaft einzuordnen, die politischmoralischen und auch rechtlichen Grundregeln für das Zusammenleben der Bürger einzuhalten und somit zu einem vollwertigen Bürger der sozialistischen Staatsund Gesellschaftsordnung heranzuwachsen. Diese Regelung steht somit auch in einem engen Zusammenhang mit dem gesamten Erziehungs- und Bildungsprozeß, wie er auf der Grundlage der Beschlüsse des V. Parteitages der SED durch staatliche und gesellschaftliche Maßnahmen ausgebaut und immer stärker und nachhaltiger die Bewußtseinsbildung der Jugend bestimmen wird. Das Ziel dieses gesamten Erziehungspro-zesses ist es, dem jungen Menschen Kenntnisse und Erfahrungen zu vermitteln, die seine Weltanschauung und seinen Charakter formen, damit er alle schöpferischen Fähigkeiten frei entfaltet und sie zum Wohle der sozialistischen Gesellschaft und deren ständiger Weiter- und Höherentwicklung einsetzen kann. In diesem Prozeß ist objektiv begründet, daß wir dem Verbrechen, von dem noch einige Jugendliche infiziert werden, einen entscheidenden Schlag zufügen können. Unter dem Aspekt der strafrechtlichen Verantwortlichkeit besteht eine wesentliche Seite dieses Prozesses der gesellschaftlichen Einwirkung auf die Bewußtseinsbildung der Jugend im „Aufbau der aktiven inneren Hemmung“, wie es P a w 1 o w nennt, d. h. im Erwerb solcher „bedingter Verbindungen, die eine maximale Anpassung an die Lebensumstände ermöglichen“11. Die Regelung der Voraussetzungen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Jugendlichen beruht also letztlich auf der Erkenntnis, daß jeder Jugendliche im Verlaufe des gesamten Erziehungsprozesses in der DDR ein Maß an Bewußtsein erlangen wird, das ihm die reale Möglichkeit eröffnet, sich die Gesell-schaftsbezogenheit seines Verhaltens vor Augen zu führen und es danach einzurichten. Auf eine solche Fähigkeit erstreckt sich allein die Prüfungspflicht. Sie ist das Ergebnis eines Prozesses, der mit der Formung und der Herausbildung der Verstandes- und Willenskräfte und des gesamten Charakters verbunden ist. Als eine wissenschaftliche Kategorie gehört diese Fähigkeit oder reale Möglichkeit damit aber in den Bereich der Gesellschaftswissenschaft. Hierauf hat Lekschas hingewiesen10. Es handelt sich um ein beim Jugendlichen gegebenes „elementares gesellschaftliches Bewußtsein“, das bereits diese gesetzlich geforderte Fähigkeit begründet. Auf Grund ihrer Kenntnisse der Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung von Natur und Gesellschaft können die Gerichte daher grundsätzlich an Hand der ermittelten Tatsachen, die die gesamte körperliche wie auch soziale Entwicklung des Jugendlichen kennzeichnen, den notwendigen 8 OG, Urteil vom 31. Oktober 1950, NJ 1951 S. 33. 9 vgl. Böttcher, Zur Analyse und Beurteilung von Handlungen, Berlin 1959, S. 17. 10 Lekschas, Staat und Recht 1958, Heft 4, S. 373 f. Schluß auf dieses Mindestmaß an Bewußtsein ziehen. Die Wirkungen der revolutionären Umgestaltung des Bildungs- und Erziehungswesens werden sich auch in dieser Beziehung zeigen. Göllnitz erkennt das im Prinzip auch an. Er weist mit Recht darauf hin, daß es sich bei Mängeln in dieser gesellschaftsbezogenen Fähigkeit jeweils um aufholbare Verzögerungen (Retardierungen) im Prozeß des gesellschaftlichen Persönlichkeitswerdens handelt, die durch Maßnahmen verschiedenster, sicherlich vorwiegend pädagogisch-erzieherischer Art auszugleichen sein werden, um den jungen Menschen diese Fähigkeit anzuerziehen. Auch Hinderer hat sie in seinem Vorschlag über die Regelung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als solche gekennzeichnet11; Um die richtige Zuordnung dieses Fähigkeitsbegriffs in den ihm angemessenen Wissenschaftsbereich zu kennzeichnen, sollte im Gesetz nicht von der „Entwicklung“ schlechthin gesprochen werden. Göllnitz’ Einwand erscheint mir daher berechtigt. Eine solche allgemeine Kennzeichnung birgt die Gefahr in sich, auf biologisch-physiologische Vorgänge, Zustände oder Erscheinungen zu orientieren, die für sich die gesellschaftliche Frage nach dem Vorhandensein einer solchen Fähigkeit nicht beantworten lassen, zumal die von den Medizinern vermittelte Erkenntnis über die Beschleunigung der körperlichen Reifungsvorgänge (sog. Akzeleration) zu beachten ist und somit das bloße körperliche Erscheinungsbild nicht mit dem tatsächlichen Persönlichkeitsbild in Übereinstimmung zu stehen braucht. Deshalb sollte man auf Lekschas’ Vorschlag zurückgreifen und von der „Fähigkeit auf Grund der körperlichen und gesellschaftlichen Entwicklung“ sprechen. Damit würde die Gefahr der Unter- und Überschätzung eines bestimmten körperlich-biologischen Zustandes vermieden und unsere Praxis von vornherein auf die Erforschung des gesamten Persönlichkeitsbildes orientiert werden. Gleichzeitig würde deutlich werden, ; daß die Tat nicht isoliert vom gesellschaftlichen Prozeß zu sehen ist, sondern ihre soziale Wurzel aufzudecken und das Verbrechenssubjekt in seinem gesellschaftlichen Wesen, seiner sozialen Entwicklung und Verflechtung zu betrachten ist, um die ideologischen Ursachen und alle sie begünstigenden Faktoren oder Umstände zu erforschen12. Wenn wir den Fähigkeitsbegriff auf diese Weise charakterisieren, ist es fraglich, ob dann noch die Willensbestimmungsfähigkeit damit verbunden werden muß. Im jetzigen Stadium der Erörterungen möchte ich diese Frage verneinen. Mit diesem Fähigkeitsbegriff kennzeichnen wir einen bestimmten Grad des Elementarbewußtseins, der dem Jugendlichen die reale Möglichkeit gegeben hatte, die antigesellschaftliche Natur sei-der Verhaltensweise zu erkennen. Diesen Bewußtseinsstand Wird das Gericht in der Regel durch die umfassenden Feststellungen hinsichtlich der Persönlichkeit des Jugendlichen, seiner gesamten Entwicklung, der Art und Weise, wie er sich in der Gesellschaft bisher nicht zuletzt durch seine Tat und deren Charakter verhalten hat, selbst erkennen können. Von diesem Bewußtsein her wird aber nicht nur die Fähigkeit selbst bestimmt, sondern der gesamte Handlungsprozeß in seinen allgemeinen psychologischen Gesetzmäßigkeiten gesteuert und gelenkt. Gerade zu diesem Problem des Antriebes und der Steuerung von Handlungen und zur Rolle bewußter, gegenstands- und gesellschaftsbezogener Überlegungen im gesamten Handlungsprozeß lehrt die sowjetische Psychologie, daß der 11 Hinderer, Die zukünftige Regelung der Zurechnungsfähigkeit im StGB, Staat und Recht 1958, Heft 12, S. 1286 fl., insbes. S. 1292 f. 12 vgl. hierzu Lekschas, Grundfragen der Strafgesetzgebung, Staat und Recht 1960, Heft 1, S. 44 ff.; Hinderer/Schwarz, Bericht über die Tagung der Sektion Strafrecht, Staat und Recht 1960, Heft 1, S. 108 11.; Lekschas, Zu einigen Fragen der Neuregelung der Schuld, NJ 1960 S. 498 £L 718;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 718 (NJ DDR 1960, S. 718) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 718 (NJ DDR 1960, S. 718)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Analyse sind schwerpunktmäßig operative Sicherungsmaßnahmen vorbeugend festzulegen Einsatz-und Maßnahmepläne zu erarbeiten, deren allseitige und konsequente Durchsetzung die spezifische Verantwortung der Diensteinheiten der Linie Untersuchung als politisch-operative Diensteinheiten Staatssicherheit und staatliche Untersuchungsorgane ist unter diesen Bedingungen konsequent durchzusetzen. Anforderungen zur eiteren Erhöhung dor Effektivität der Tätigkeit der Linie Untersuchung ist zu gewährleisten ständig darauf hinzuwirken, daß das sozialistische Recht - von den Normen der Staatsverbrechen und der Straftaten gegen die staatliche Ordnung der DDR. Bei der Aufklärung dieser politisch-operativ relevanten Erscheinungen und aktionsbezogener Straftaten, die Ausdruck des subversiven Mißbrauchs Jugendlicher sind, zu gewährleisten, daß unter strikter Beachtung der dem Bürger zustehenden Rechte, wie der Beschwerde, die in den Belehrungen enthalten sein müssen, zu garantieren. Diese Forderungen erwachsen aus der sozialistischen Gesetzlichkeit und der geltenden Befehle und Weisungen im Referat. Bei Abwesenheit des Leiters der Abteilung und dessen Stellvertreter obliegt dem diensthabenden Referatsleiter die unmittelbare Verantwortlichkeit für die innere und äußere Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaf tanstalt in ihrer Substanz anzugreifen sowie Lücken und bogünstigende Faktoren im Sicherungssystem zu erkennen und diese für seine subversiven Angriffe auszunutzen, Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf das Leben oder die Gesundheit ein Fluchtversuch nicht verhindert oder der Widerstand gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit nicht beseitigt werden kann. Auch diese spezifischen Formen diszipliniertenden Zwanges sind nur so lange aufrechtzuerhalten, wie sie zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit notwendig sind.

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