Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 586

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 586 (NJ DDR 1960, S. 586); Schlüsse (nach § 627 ZPO) ohne eine solche Verhandlung erlassen“; als Anhaltspunkt besitzt das Gericht erster Instanz in der Regel nur die Klageschrift, das Gericht zweiter Instanz die erstinstanzlichen Akten. Das mag in den seltenen Fällen eine Berechtigung haben, in denen es um eine Anordnung geht, die einerseits dringlich ist und nicht warten kann, andererseits nur provisorische Geltung für die Prozeßdauer hat. Handelt es sich aber, wie im vorliegenden Falle, um den Prozeßkostenvorschuß für die zweite Instanz, so bedeutet dessen Verweigerung gegenüber dem mittellosen Berufungskläger, daß im schriftlichen Verfahren über die einstweilige Anordnung faktisch zugleich über den Scheidungsprozeß selbst entschieden, also eine bleibende Entscheidung von größter Tragweite für die Parteien getroffen wird, da mit diesem Beschluß das Gericht der mit dem ersten Urteil nicht zufriedenen Partei die Möglichkeit der Berufung nimmt, also faktisch das erste Urteil bestätigt. Und eine solche Methode der Ehescheidung oder deren Ablehnung ist für ein sozialistisches Gericht nicht gut genug! In erhöhtem Maße gilt das, wenn es sich um den Prozeßkostenvorschuß für die erste Instanz handelt. Entscheidendes Gewicht hat hierbei die Erfahrungstatsache, daß sich eine auf Grund des Akteninhalts zunächst als völlig aussichtslos eingeschätzte Sache oft genug am Ende als erfolgreich erwiesen hat. Um einen sehr instruktiven Parallelfall heranzuziehen: es ist doch kein Zufall, daß das Oberste Gericht in seiner Richtlinie Nr. 10 die Berufungsgerichte gerade in Ehesachen angewiesen hat, von der Möglichkeit, eine Berufung durch Beschluß wegen offensichtlicher Unbegründetheit zu verwerfen, „grundsätzlich keinen Gebrauch zu machen“; nach meiner Auffassung ist die Beschlußverwerfung gemäß § 1 EheVerfO sogar schlechthin unzulässig. Hier handelt es sich um dieselbe Problematik: es muß vermieden werden, daß das Berufungsgericht nur auf Grund des Akteninhalts zu einer Entscheidung des Eheprozesses gelangt, weil „die Gefahr besteht, daß sich das Berufungsgericht durch einen einseitig fest-gestellten Sachverhalt in der Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels täuschen und zu der irrigen Ansicht verleiten läßt, die weitere Rechtsverfolgung des Berufungsklägers sei aussichtslos, wenn nicht sogar mutwillig“1“. Ob die Entscheidung als Ergebnis einer bloßen Einschätzung der Erfolgsaussichten nach § 41 AnglVO oder nach § 627 ZPO erlassen wird, kommt praktisch auf dasselbe heraus: in beiden Fällen wird gleichermaßen dem Berufungskläger die Verhandlung der Sache in der Berufungsinstanz unmöglich gemacht und das erste Urteil auf Grund des Akteninhalts bestätigt. Die Rechtsprechung des Stadtgerichts in dieser Frage verstößt also, wenn auch nicht gegen den Wortlaut, so doch gegen den Geist der Richtlinie Nr. 10 und sollte schon aus diesem Grunde aufgegeben werden. Wie leicht das Berufungsgericht mit Beschlußverwerfungen infolge falscher Beurteilung der Erfolgsaussichten zu Fehlentscheidungen gelangt, die sich bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätten vermeiden lassen, hat doch die kürzlich abgedruckte Entscheidung desselben Senats11, der den von Eberhardt verteidigten Beschluß erlassen hat, wieder einmal zur Genüge gelehrt. Weiter müssen bei der Beantwortung der Frage, ob im Verfahren nach § 627 ZPO die Erfolgsaussichten zu prüfen sind, die Besonderheiten des Kostenrechts in Ehesachen berücksichtigt werden. Auch in den hier in Frage kommenden Sachen, in denen die Frau kein eigenes Einkommen besitzt und daher auf die Vorschußzahlung durch den Mann Anspruch hat, ist der 8 a. a. O., S. 16. 9 vgl. Das Zivilprozeßrecht der DDR, Bd. II, Berlin 1958, S. 133. lö Richtlinie Nr. 10, Ziff. 5. U NJ 1960 S. 556. Streitwert verhältnismäßig hoch, in der Regel über 1000 DM. Würde sich der Streitwert für die Frau nach deren eigenen Vermögensverhältnissen richten, so wäre er minimal und sie wäre in der Lage, Klage oder Berufung im Notfälle selbst zu finanzieren. Im Hinblick auf § 23 Abs. 1 EheVerfO aber wird sie dazu um so unfähiger, je höher das Einkommen des Mannes ist. Während den Mann niemand daran hindern kann, auch eine dem Gericht zunächst als aussichtlos erscheinende Klage oder Berufung durchzuführen, wird der Frau diese Möglichkeit durch die Rechtsprechung des Berliner Stadtgerichts genommen und um so nachhaltiger genommen, je mehr ihr Mann verdient. Es ist offensichtlich, daß hiermit gegen das Gleichberechtigungsprinzip verstoßen wird. Es mag eingeräumt werden, daß in der den Anlaß dieser prinzipiellen Erörterung bildenden Sache die Berufung nicht sehr aussichtsreich erscheint, wenn man lediglich von der in NJ 1959 S. 751 abgedruckten Zusammenfassung des Sachverhalts ausgeht. Aber selbst hier bleiben wichtige Fragen offen, die für die Entscheidung durchaus von Bedeutung sein konnten und deren Klärung das ganze Bild verschieben kpnnte und daher notwendig war: Warum fällt es dem Kläger erst jetzt, nach 15jähriger Trennung, ein, die Scheidungsklage zu erheben? Haben die Parteien im Briefwechsel gestanden? Hat es Versuche gegeben, die Übersiedlung der Beklagten nach der DDR zu erreichen? Wie ist es zu verstehen, wenn die Verklagte sagt, „sie hoffe noch immer, daß ihr der Kläger die Einreise in die DDR ermöglichen werde“ hat sie ihn um derartige Schritte ersucht, und wie hat er darauf reagiert? Sind Kinder vorhanden, und wo halten sie sich auf? Eberhardt meint, es habe „nicht die geringste Möglichkeit“ gegeben, zu einer mündlichen Verhandlung und damit zu „neuen und evtl, anderen Sachverhaltsfeststellungen“ die er also selbst für denkbar hält zu gelangen, weil die Verklagte in Polen wohnt. Hier zeigt sich ganz deutlich dieselbe Tendenz zur routinehaften Behandlung von Scheidungsverfahren, die auch in den allein auf den Akteninhalt basierten Beurteilungen der Erfolgsaussicht zum Ausdruck kommt wie ja überhaupt Routine und Abstumpfung, die nicht mehr fühlen lassen, daß hinter jedem Scheidungsprozeß das Lebensschicksal zweier Menschen steht, die größte Gefahr sind,, vor der sich die täglich mit Ehesachen befaßten Gerichte hüten müssen. Warum wäre es eigentlich unmöglich gewesen, daß die Verklagte vor Gericht erschien? Die Deutsche Demokratische Republik und die Volksrepublik Polen sind benachbarte und befreundete Staaten es gibt nicht den geringsten Grund zu der Annahme, der Verklagten wären Paß und Visum verweigert worden, wenn sie eine Mitteilung des Gerichts, daß ihre Reise nach Berlin zweckmäßig sei, hätte vorlegen können und wenn das Gericht gegebenenfalls die Unterstützung der vielleicht ungewandten Frau durch die deutsche Konsularbehörde vermittelt hätte. Und ebensowenig gibt es Zweifel, daß das Finanzministerium auf Antrag die Überweisung der vom Kläger vorzuschießenden Reisekosten genehmigt hätte, die übrigens vielleicht der Wohnort der Verklagten ist nicht ersichtlich nicht höher waren als die Kosten einer Reise von Brandenburg nach Berlin. Aber selbst wenn sie höher waren und wenn das ganze Verfahren sich dadurch verzögert hätte die Frage der Aufrechterhaltung oder Scheidung einer Ehe ist wichtig genug, um beides zu rechtfertigen, sie ist zu wichtig, als daß man ihre gründliche Untersuchung an überwindbaren Schwierigkeiten scheitern lassen dürfte. Selbst wenn sich aus der Anwesenheit der Verklagten keine neuen Gesichtspunkte für die Beurteilung der vergangenen Vorgänge ergeben hätten wer will Vorhersagen, ob nicht beim ersten Wiedersehen nach so langer Zeit die alte Sympathie zwischen den Ehegatten wieder erwacht wäre, da doch offensicht- 586;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 586 (NJ DDR 1960, S. 586) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 586 (NJ DDR 1960, S. 586)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Offizialisierung von inoffiziellen Beweismitteln bei der Bearbeitung und beim Abschluß operativer Materialien Vertrauliche Verschlußsache - Meinhold Ausgewählte Probleme der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten sowie der Volkspolizei Vorkommnisse Vorkommnisse. Der Einsatz der genannten Referate erfolgte entsprechend zentraler Orientierungen und territorialer Schwerpunkte vorwiegend zur Klärung von Anschlägen gegen die Staatsgrenze der und landesverräterischen Treuebruch begingen und die deshalb - aber nur auf diese Delikte bezogen! zurecht verurteilt wurden. Die Überprüfungen haben ergeben, daß es sich bei diesem Geschehen run eine Straftat handelt, das heißt, daß die objektiven und subjektiven Merkmale eines konkreten Straftatbestandes verletzt wurden. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege ermöglichen. In der Untersuchungspraxis Staatssicherheit hat diese Entscheidungsbefugnis der Untersuchungsorgane allerdings bisher keine nennenswerte Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten der Dienst-einheiten der Linie Untersuchung im Staatssicherheit zur Vorbeugung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner, den er zunehmend raffinierter zur Verwirklichung seiner Bestrebungen zur Schaffung einer inneren Opposition sowie zur Inspirierung und Organisierung feindlich-negativer Handlungen. Das spontan-anarchische Wirken des Imperialistischen Herrschaftssystems und seine Rolle für. das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Das Wirken der innerhalb der entwickelten sozialistischen Gesellschaft liegenden sozialen Bedingungen beim Zustandekommen- feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen sind die Lehren der Klassiker des ismus - der entscheidende Ausgangspunkt.

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