Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 244

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 244 (NJ DDR 1960, S. 244); / blieben für fünf der Angeklagten noch drei Paragraphen übrig und für Johannes Oberhof noch vier. Für die zur Last gelegten angeblichen Vergehen und Verbrechen war nicht der Schatten eines Beweises erbracht worden. Die Staatsanwälte mußten sich daher auf die Gummiparagraphen des berüchtigten Blitzgesetzes aus dem Jahre 1951 beschränken, die das beweist die Praxis der politischen Sondergerichte jeden bedrohen, der die Politik der Bundesregierung kritisiert. Die Angeklagten, so behauptete der Staatsanwalt, hätten die Absicht gehabt, die „verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik“ zu beseitigen. Sie seien Rädelsführer einer Geheimorganisation gewesen. Die Argumentation der Anklagevertreter für diese angeblichen Vergehen und Verbrechen war mehr als dürftig. Nach der Beweisaufnahme, die 20 Wochen dauerte, war das kein Wunder, denn es gab keine staatsgefährdende Tätigkeit der Mitglieder des Friedenskomitees und dementsprechend auch keine Beweise. Offensichtlich waren sich die Staatsanwälte dessen bewußt, denn sie stellten den Hilfsantrag, die Beweisaufnahme eventuell noch einmal zu eröffnen, um weitere Reden und Berichte zu verlesen. Um den „Schuldvorwurf“ konstruieren zu können, blieb den Staatsanwälten kein anderer Weg, als sich mit der angeblich staatsgefährdenden Gesinnung der Angeklagten zu befassen. Nach dem Motto „Kommunisten sind Staatsfeinde“ werteten sie z. B. bei Gerhard Wohlrath als strafverschärfend, er sei Kommunist seit dem Jahre 1928. Uber Erwin Eckert wurde ausgeführt, er müsse als „ein überzeugter Kommunist“ bezeichnet werden. Dem Geschäftsführer des Friedenskomitees, Walter Diehl, wurde besonders folgender Satz angekreidet: „Die Kommunisten von heute sind die Juden von gestern“. Mit dieser Bemerkung hatte Diehl vor einigen Wochen die Methoden des kalten Krieges entlarvt und den militanten Antikommunismus als größte Gefahr für den Frieden in Europa bezeichnet. Angesichts dieser seltsamen Beweisführung war es eine Farce, wenn Staatsanwalt Stinshoff pathetisch in Abrede zu stellen versuchte, es werde die Gesinnung bestraft. Noch befremdlicher aber erschien allen Prozeßbeobachtern die Beweisführung für die angebliche Geheimbündelei. Aus der Tatsache, daß sich einige Mitglieder des Präsidiums freundschaftlich mit ihren Vornamen anredeten, zog der Anklagevertreter wahrhaft „kühne“ Schlußfolgerungen. „Hinter Walter verbirgt sich der Angeklagte Diehl“, sagte der Staatsanwalt und schlug eine noch bezeichnendere Kapriole, als er den Umstand, daß die politische Polizei die Kassenunterlagen der Friedensbewegung nicht in größerem Umfange beschlagnahmte, als „Beweis“ für die Geheimbündelei ausdeutete. Aber immer wieder stand die Gesinnung der Angeklagten im Mittelpunkt des Plädoyers. Sie hätten beispielsweise die Einbeziehung der Bundesrepublik in die NATO abgelehnt. Das ist zweifellos richtig, denn mit den Prinzipien der Koexistenz, der Richtschnur des Handelns für die Friedensbewegung, sind gegeneinander gerichtete militärische Machtblöcke unvereinbar. Der Staatsanwalt aber zog aus der Behauptung, das Friedenskomitee sei „antiwestlich“, die Schlußfolgerung, eine solche Haltung sei „staatsgefährdend“. Das Plädoyer der Staatsanwälte ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Da es keine strafbaren Handlungen gibt, muß die politische Auffassung, die Gesinnung der Angeklagten als strafwürdig behandelt werden. Das freilich stand schon vor über vier Monaten fest, als das Verfahren gegen die sechs Persönlichkeiten der westdeutschen Friedensbewegung vor dem Düsseldorfer Gericht eröffnet wurde. Völlig unberücksichtigt ließen die Anklagevertreter die zahlreichen Zeugenaussagen in den vergangenen vier Monaten, die ein- deutig alle erhobenen Vorwürfe widerlegt hatten. Es bleibt nur eine reale Schlußfolgerung: Das Plädoyer der Staatsanwälte zeigte ein übriges Mal, daß das Düsseldorfer Verfahren ein Gesinnungsprozeß ist. In ihren Schlußvorträgen enthüllten die Verteidiger diesen Charakter des Prozesses noch einmal sehr deutlich und mit großem Nachdruck. Kronanwalt D. N. Pritt rief dem Gericht zu: „Sprechen Sie unsere Mandanten wegen erwiesener Unschuld frei. Sie können dem Ansehen Deutschlands damit einen großen Dienst erweisen. Sie, meine Herren Richter, haben eine große Gelegenheit, die Freiheit für den Frieden zu bestätigen. Sie können das Bemühen der Völker um den Frieden unterstützen.“ Die Angeklagten seien freizusprechen, da die Beweisaufnahme weder eine Staatsgefährdung erwiesen noch die These der Anklagebehörde erhärtet habe, daß das westdeutsche Friedenskomitee durch den Weltfriedensrat kommunistisch inspiriert oder gelenkt worden sei. Das hätten die zahlreichen prominenten Zeugen aus Deutschland und dem Ausland unter Beweis gestellt. In der Weltöffentlichkeit sei die Frage gestellt worden, ob diese Art von Verfolgung der Friedenskämpfer nicht eine Kriegsvorbereitung sei, erklärte der weltberühmte britische Jurist. „Die Weltöffentlichkeit spricht von einem Gesinnungsprozeß. Sie ist beunruhigt und empört. Besonders kann ich dies von den Menschen in Großbritannien sagen. Auch die Engländer wünschen eine enge Freundschaft mit Deutschland. Unsere öffentliche Meinung ist jedoch verstimmt besonders wegen der Remilitarisierung und der atomaren Aufrüstung in Westdeutschland. Die Friedensbewegung in Westdeutschland gibt uns die Garantie für eine friedliche Entwicklung. Wenn sie verurteilt wird, wird das einen sehr schlechten Eindruck auf die Weltöffentlichkeit machen.“ „Nicht unsere Mandanten, sondern die Bundesregierung sollte auf der Anklagebank sitzen, denn die Aufrüstungspolitik der Regierung verstößt gegen die Verfassung“, fuhr der britische Kronanwalt fort. „Sicher ist, daß sie auf der Anklagebank der Geschichte sitzen wird.“ Die Politik der Stärke und der Aufrüstung verstoße ebenso gegen den Wortlaut der Verfassung, wie die Ablehnung der Politik der Koexistenz, denn das Völkerrecht ist im Grundgesetz als verbindliches Recht anerkannt. „Diese Politik führt zum Kriege, und unsere Mandanten haben das Recht, das auszusprechen, um das Volk davor zu bewahren. Man kann jedoch Menschen nicht verurteilen, nur weil sie ihre Meinung gesagt und damit von einem verfassungsmäßig garantierten Recht Gebrauch gemacht haben.“ Die Verfolgung der Friedenskräfte sei keine besondere westdeutsche Spzialität, sondern in allen Ländern üblich, in denen der Krieg vorbereitet werde, sagte D. N. Pritt. Adenauer beschimpfe die Friedensfreunde als Verräter, nur weil sie gegen die Politik der NATO seien. Die Welt käme in eine üble Lage, wenn das Gericht diesen scharfen Worten konsequent folge. „Der Prozeß ist nur angestrengt worden, um die Friedensbewegung zu zerstören, die eine starke Opposition gegen die Regierungspolitik darstellt. Es ist das einzige Ziel des Prozesses, die Friedensbewegung lahmzulegen. Aber die Kritik an der Politik der Regierung ist kein strafbarer Tatbestand.“ Scharfe Abrechnung hielt Kronanwalt Pritt mit dem Bonner Antikommundsmus. Die Anklagebehörde habe die alte Karte des Antikommunismus gespielt, die Thomas Mann bereits als die Grundtorheit unserer Epoche bezeichnete. Dieser Trick sei uralt und im Grunde älter als die Kommunisten. Immer habe die Reaktion sich Sündenböcke gesucht. Zuerst waren es die Christen, später die Ketzer, dann die Liberalen, die Sozialdemokraten und schließlich die Kommunisten. 244;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 244 (NJ DDR 1960, S. 244) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 244 (NJ DDR 1960, S. 244)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

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