Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 750

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 750 (NJ DDR 1959, S. 750); könne nicht beigetreten werden. Dies würde bedeuten, daß. wenn Scheidungsklage erhoben, der Kläger aber vor ihrer Erledigung gestorben sei, die letztwillige Verfügung wirksam bliebe. Das widerspreche den Anschauungen der Werktätigen. Wollte man der Ehefrau, die den Ehescheidungsstreit allein überlebt habe, ein Erbrecht geben, so würde dies wieder den Versorgungscharakter der Ehe herstellen, der unseren Anschauungen zuwiderlaufe und durch die Gesetzgebung ab'geschafft worden sei. Im vorliegenden Fall sei, was das Bezirksgericht im einzelnen ausführt, die Ehe derartig zerrüttet gewesen, daß mit Sicherheit ihre Scheidung zu erwarten gewesen sei. Gegen dieses Urteil richtet sich der Kassationsantrag des, Generalstaatsanwalts der Deutschen Demokratischen Repu-' blik, der Erfolg hatte. Aus den Gründen: Der Auffassung des Bezirksgerichts, der Verlust des Erbrechtes gemäß §§ 1933, 2077 und 2268 BGB nach Erhebung einer Ehescheidungsklage, die zur Ehescheidung geführt hätte, sei aufrechterhalten geblieben, es sei lediglich an Stelle des dort vorgesehenen Verschuldensprinzips das sog. Zerrüttungsprinzip getreten, kann nicht zugestimmt werden. Noch weniger ist es allerdings möglich, der Auffassung von Neye (NJ 1959 S. 313) beizupflichten, daß das in diesen Gesetzesbestimmungen enthaltene Verschuldensprinzip aufrechterhalten geblieben sei. Es muß vielmehr beachtet werden: Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten (§§ 1931 bis 1934 BGB) beruht gesetzlich auf der Tatsache, daß bis zum Tode des Erblassers eine Ehe bestanden hat. An dieser Regelung hat die Deutsche Demokratische Republik festgehalten. Es ist zwar richtig, daß die Ehe eine für das Leben geschlossene Gemeinschaft zwischen Mann und Frau ist, die, gegründet auf Gleichberechtigung, gegenseitige Liebe und Achtung, der gemeinsamen Entwicklung der Ehegatten und der Erziehung der Kinder dient. Im Einzelfall ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten aber davon unabhängig ob die bis zum Tode des Erblassers bestandene Ehe diese Forderung der Gesellschaft erfüllt hat oder dem wenigstens nahegekommen ist. Es ist nicht nur unzweifelhaft, daß der überlebende Ehegatte auch dann ein Erbrecht hat, wenn aus der Ehe keine Kinder hervorgegangen sind; es steht vielmehr auch fest, daß das Erbrecht nicht etwa untergegangen ist, wenn die Beziehungen der Ehegatten sich vor dem Tode des Erblassers getrübt hatten. Für ein Erbrecht des überlebenden Ehegatten kommt es also lediglich darauf an, ob beim Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Ehe rechtlich noch bestanden hat (und selbstverständlich beim testamentarischen Erbrecht auch darauf, ob der Erblasser sein früheres Testament nicht inzwischen geändert hatte). Infolgedessen fällt das gesetzliche Erbrecht des Überlebenden ohne weiteres fort, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Erbfalls, d. h. des Todes des Erblassers, rechtskräftig geschieden war. Diese Rechtsfolge ist vom Standpunkt der von unserem Staat übernommenen Regelung des BGB so selbstverständlich, daß sie überhaupt nicht ausdrücklich ausgesprochen worden ist, insbesondere nicht im § 1933 BGB. Die Erbeinsetzung des Ehegatten durch letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) stellt aber lediglich eine der gesetzlichen Erbfolge grundsätzlich entsprechende Bestimmung des Erblassers dar, wenn auch im einzelnen Fall die dem überlebenden Ehegatten durch letztwillige Verfügung gemachte Zuwendung in der Höhe vom gesetzlichen Erbteil abweichen kann. Die Bestimmung des Abs. 1 Satz 1 des § 2077 BGB, daß die letztwilliga Verfügung, durch die ein Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam ist, wenn die Ehe nichtig oder wenn sie vor dem Tode des Erblassers aufgelöst insbesondere also rechtskräftig geschieden worden ist, entspricht also dem dargelegten allgemeinen Grundsatz des BGB, daß das Erbrecht des überlebenden Ehegatten auf der Tatsache des Bestehens der Ehe bis zum Tode des Erblassers beruht. Anders liegen die Dinge aber, wenn die Ehe noch nicht aufgelöst, sondern nur Scheidungsklage erhoben ist. Die Rechtswirkungen der Ehe bleiben grundsätzlich während des Scheidungsprozesses erhalten, und so war es auch im allgemeinen nach der Regelung des BGB. Es bedurfte also hier einer besonderen Bestimmung, daß eine Rechtswirkung der Ehescheidung, nämlich der Verlust des Erbrechts, schon mit der Erhebung der Ehescheidungsklage eintreten sollte. Eine solche Bestimmung ist die Anordnung des § 2077 Abis. 1 Satz 2 BGB, daß das Erbrecht erlischt, wenn Scheidungsklage erhoben war und infolge Verschuldens des Verklagten zum Erfolge geführt hätte. Das ist eine Regelung, die sich nur durch das das Ehescheidungsrecht des BGB beherrschende Verschuldensprinzip erklären läßt. Dieses Verschuldensprinzip, das in gewissem Umfang noch in dem ebenfalls außer Kraft getretenen Ehegesetz des Kontrollrats (KRG Nr. 16, §§ 42 und 43 sowie § 48 Abs. 2) galt, ist durch die Eheverordnung aufgehoben worden. Die Ehescheidung* ist jetzt nur zulässig, wenn ernstliche Gründe hierfür vorliegen und das Gericht durch eine eingehende Untersuchung festgestellt hat, daß die Ehe ihren Sinn für die Ehegatten, ihre Kinder und die Gesellschaft verloren hat (§ 8 EheVO). Ob diese Tatsache auf dem Verschulden eines oder beider Ehegatten beruht, ist grundsätzlich nicht ausschlaggebend. Es geht aber nicht an, das Verschuldensprinzip, das unseren gesellschaftlichen Anschauungen grundsätzlich widerspricht, für die Ehescheidung zwar aufzugeben, es aber für ihre erbrechtlichen Folgen bestehen zu lassen. Infolgedessen muß die Ansicht von Neye abgelehnt werden. Es kann aber auch nicht der . Ansicht des Bezirksgerichts zugestimmt werden, daß innerhalb der §§ 1933 und 2077 BGB an Stelle des Verschuldensprinzips das Zerrüttungsprinzip getreten sei* Eine Rechtsfolge, die sich aus einem der früheren Gesellschaftsordnung und einer aufgehobenen gesetzlichen Regelung eigentümlichen Prinzip ergibt, kann nicht ohne weiteres durch Anwendung eines mit der jetzigen Rechtsordnung vereinbaren Prinzips aufrechterhalten werden. Eine solche Ersetzung eines früheren Prinzips durch ein jetziges ist nur möglich, wenn das auf Grund unserer Rechtsordnung, insbesondere der Verfassung, unzweifelhaft gefordert wird, wie etwa die gemeinsame Vertretung der Kinder durch beide Eltern an Stelle der Vertretung durch den Vater auf Grund der Gleichberechtigung der Frau. Eine solche unzweifelhafte Rechtslage ist hier aber nicht gegeben. Gegen die Anwendung des Zerrüttungsprinzips auf den Erbrechtsverlust sprechen vielmehr folgende Erwägungen: Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ist an die Tatsache des Bestehens der Ehe geknüpft und erlischt infolgedessen allerdings mit ihrer Auflösung vor dem Tode des Erblassers. Vom Standpunkt des BGB aus, nach dem eine Ehe grundsätzlich nur infolge Verschuldens des Verklagten geschieden werden konnte, mochte die erbrechtliche Regelung, die ebenfalls das Verschulden maßgebend sein ließ, vertretbar erscheinen. Wer die Auflösung der Ehe verschuldet haben würde, hatte den Verlust des Erbrechts zu tragen. Eine innere Rechtfertigung fehlt aber jetzt, da die Ehescheidung auf dem Verlust des Sinns der Ehe beruht. Es wäre also, wenn das Erbrecht des auf Scheidung verklagten Ehegatten verwirkt wäre, falls das über das Erbrecht entscheidende Gericht zur der Auffassung kommt, die Ehe wäre geschieden worden, wenn der Kläger das Ende des Scheidungsprozesses erlebt hätte, möglich, daß der Verklagte das Erbrecht verliert, obwohl die Entwicklung der Ehe, die zu ihrer Scheidung führte, überwiegend oder sogar ausschließlich in dem Verhalten des Klägers zu suchen ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß, in bewußtem Gegensatz zur früheren Auffassung, bei der Entscheidung darüber, ob die Ehe ihren Sinn verloren hat, nicht nur auf die Entwicklung der letzten dem Ehescheidungsprozeß vorangegangenen Zeit das Augenmerk zu richten ist, sondern auf die gesamte Entwicklung der Ehe. Es wird unter diesen Umständen noch weniger als unter der Herrschaft der früheren Grundsätze möglich sein, über die Berechtigung einer Scheidung einer Ehe zu entscheiden, ohne beide Ehegatten zu hören, wenn auch hin und wieder in seltenen Ausnahmen eine solche Entscheidung möglich ist. Auch aus diesem Grund ist es also unmöglich, das Erbrecht des überlebenden Ehegatten als erloschen zu betrachten, weil der andere Ehegatte Ehescheidungsklage erhoben hatte. In Übereinstimmung mit dem Generalstaatsanwalt und auch übrigens mit der Auffassung des Ministeriums der Justiz, wie sie der von diesem herausgegebenen * vgL hierzoi Grandke in NJ 1957 S. 744, die ziur Frage der Entziehung des Pflichtteils -den gleichen Standpunkt vertreten hatte. D. Red.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 750 (NJ DDR 1959, S. 750) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 750 (NJ DDR 1959, S. 750)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmenkomplexe zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Regel in der bisherigen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit als inoffizielle Mitarbeiter ihre besondere Qualifikation und ihre unbedingte Zuverlässigkeit bereits bewiesen haben und auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit, ihrer gesellschaftlichen Stellung und anderer günstiger Bedingungen tatsächlich die Möglichkeit der konspirativen Arbeit als haben. Durch die Leiter ist in jedem Fall zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens alle Beweisgegenstände und Aufzeichnungen, die vom Täter zur Straftat benutzt oder durch die Straftat hervorgebracht worden sind, im Rahmen der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit durch wahrheitsgemäße Aussagen zur Straftat als auch eine ausschließlich in Wahrnehmung seines Rechts auf Verteidigung erfolgende Mitwirkung am Strafverfahren, die gegen die Feststellung der objoktLvnWahrhsit gerichtet ist. Das berührt nicht die VerpfLxht des Untersuchungsorgans, daß die Beweismittel selbstverständlich dem Staatsanwalt und dem Haftrichter zur Begründung der Einleitung des Ermittlungsverfahrens beginnt und mit der Übergabe des üntersuchungsergebnisses an den für das inistex lum für Staatssicherheit bestätigten Staatsanwalt endet, rffZ. Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß der Verdacht einer Straftat besteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, obwohl der Verdacht einer Straftat vorliegt, ist eine rechtspolitisch bedeutsame Entscheidungsbefugnis der Untersuchungs-organe, die einer hohen politischen Verantwortung bedarf.

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