Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 537

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 537 (NJ DDR 1959, S. 537); streitig, daß die Inhaber der Verklagten, einer offenen Handelsgesellschaft, Anfang 1953 republikflüchtig geworden sind. In der Zeit von Januar bis zum 8. August 1953 ist der Betrieb der OHG vom Rat der Stadt H. Abteilung örtliche Wirtschaft durch einen von ihm dazu bestellten Treuhänder verwaltet worden. Am 8. August 1953 ist einer der Mitinhaber des Betriebes in die Deutsche Demokratische Republik zurückgekehrt und hat den Betrieb als Mitinhaber und Geschäftsführer wieder übernommen. Die Verklagte hat den oben angegebenen Rechnungsbetrag von 18 533,25 DM bis zum 31. Mai 1956 in Raten abgezahlt. Da dies jedoch nicht fristgemäß geschah, entstand für den Kläger ein Anspruch auf die von ihm laut Zinsstaffel berechneten Verspätungszinsen in Höhe von 3145,80 DM. Mit Zahlungsbefehl vom 13. Juni 1956, welcher der Verklagten am 16. Juni 1956 zugestellt wurde, hat der Kläger die Zahlung dieser 3145,80 DM verlangt. Im anschließenden Verfahren hat er beantragt, die Verklagte zur Zahlung von 3145,80 DM zu verurteilen. Die Verklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat im wesentlichen entgegnet: Durch die treuhänderische Verwaltung während der Abwesenheit der Inhaber der Verklagten sei laut Prüfungsbericht des Finanzamtes ein Verlust von etwa 38 000 DM entstanden. Der Rat des Kreises Abteilung örtliche Wirtschaft habe die Entstehung des Schadens auch anerkannt und laut Schreiben vom 9. Juli 1956 die festgestellte Schadensersatzsumme von 37 733,90 DM für 1957 in seinen Haushaltsplan aufgenommen. Von dieser Schadensersatzsumme, die die Verklagte noch nicht erhalten habe, seien auch die vom Kläger geforderten Verspätungszinsen, deren rechnerische Richtigkeit nicht bestritten werde, zu bezahlen. Der Treuhänder habe zwar die mit der Rechnung vom 29. Dezember 1952 gelieferten chinesischen Borsten verarbeitet und das Entgelt dafür vereinnahmt, jedoch verabsäumt, den Rechnungsbetrag rechtzeitig und fristgemäß zu bezahlen. Das Kreisgericht hat mit Urteil vom 7. Februar 1957 die Klage abgewiesen.' Zur Begründung hat es ausgeführt, die. örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts ergebe sich aus der von der Verklagten nicht bestrittenen Behauptung des Klägers, daß die Zuständigkeit des Kreisgerichts vereinbart sei (§ 38 ZPO), die sachliche Zuständigkeit aber, ungeachtet des § 42 GVG, aus § 697 Abs. 1 ZPO, da keine der Parteien vor der Verhandlung beantragt habe, die Sache an das Bezirksgericht zu verweisen. Sachlich sei der Klaganspruch nicht berechtigt, da es nach den seinerzeit geltenden Bestimmungen nicht zulässig gewesen sei, während der Dauer der Republikflucht den Inhabern der Verklagten Verspätungszinsen zu berechnen. Es widerspreche im übrigen Treu und Glauben, daß die Klägerin diese Zinsen erst gefordert habe, nachdem sich die Verklagte freiwillig bereit erklärt habe, die Kaufpreisschuld ratenweise zu bezahlen, was denn auch geschehen sei. Gegen dieses rechtskräftig gewordene Urteil richtet sich der vom Generalstaatsanwalt gestellte Kassationsantrag, mit dem Verletzung der §§ 42, 50 GVG, § 139 ZPO, aber auch materiell Verletzung der §§ 164 ff BGB gerügt wird, da die Verklagte die Handlungen des verwaltungsrechtlich bestellten Treuhänders gegen sich gelten lassen müsse. Der Generalstaatsanwalt beantragt Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Kreisgericht. Dem Antrag war stattzugeben, insoweit Aufhebung des Urteils verlangt wird. Aus den Gründen: Da der Kläger ein Träger gesellschaftlichen Eigentums ist und der von ihm geltend gemachte Klaganspruch 3000 DM übersteigt, war für die Entscheidung der Sache gemäß § 50 Abs. 1 in Verbindung mit § 42 GVG das Bezirksgericht sachlich zuständig. Das Kreisgericht durfte zwar den Zahlungsbefehl erlassen, im Streitverfahren aber waren die genannten Vorschriften des GVG zur Geltung zu bringen. Sie sind zwingender Natur. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung über die sachliche Zuständigkeit gemäß §§ 38, 39 ZPO ist, entgegen der Annahme des Kreisgerichts, in diesem Falle nicht statthaft. Das Oberste Gericht hat dies bereits in seinem Urteil vom 3. November 1955 2 Zz 106/55 (NJ-Rechtsprechungs-beilage 1956 Nr. 2 S. 19; OGZ Bd. 4 S. 153) entschieden, auf dessen Begründung hier verwiesen werden kann. Da also mangels sachlicher Zuständigkeit des Kreisgerichts eine Sachurteilsvoraussetzung fehlte, hätte das Kreisgericht ein Sachurteil nicht fällen dürfen. Sein Urteil vom 7. Februar 1957 muß daher wegen Verletzung der §§ 42, 50 GVG, §§ 38, 39 ZPO aufgehoben werden. Dagegen vermochte sich der erkennende Senat der Auffassung des Generalstaatsanwalts, daß das Kreis- gericht auch § 139 ZPO durch Nichtausübung der Fragepflicht verletzt habe, nicht anzuschließen. Der 2. Zivilsenat des Obersten Gerichts hat bereits in seinem Urteil vom 10. Dezember 1956 2 Za 128/56 (NJ 1957 S. 380 f.) mit näherer Begründung dargelegt, daß der Richter seine Fragepflicht vom Standpunkt seiner Rechtsauffassung aus zu erfüllen hat. Dieser Auffassung als der gesetzlich allein möglichen tritt auch der erkennende Senat bei. Auch im vorliegenden Fall war das Kreisgericht, wie in dem vom 2. Zivilsenat entschiedenen Falle, der Meinung, sachlich zuständig zu sein. Irrte es hierbei, so verletzte es nicht § 139 ZPO durch Unterlassung eines Hinweises auf die Möglichkeit einer Unrichtigkeit seiner eigenen Meinung, sondern allein die Vorschriften der §§ 42, 50 GVG, §§ 38, 39 ZPO. Auch dem Antrag des Generalstaatsanwalts, die Sache an das Kredsgericht zurückzuverweisen nämlich zu dem Zwecke, dem Kläger Gelegenheit zu geben, einen Verweisungsantrag auf Grund von § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu stellen , vermochte der erkennende Senat nicht zu folgen. Der Kassationsantrag beruht insoweit auf einer Verkennung der prozessualen Tragweite der genannten Gesetzesvorschrift. Sie gilt unbestreitbar für das vom Prinzip der Parteienmitwirkung beherrschte Instanzverfahren. Eine Auswirkung dieses Prinzips ist es, daß die Verweisung der Sache an ein anderes Gericht nicht von Amts wegen erfolgen darf, sondern voraussetzt, daß ein entsprechender Antrag vom Kläger ■gestellt wird. Das gilt auch für den Fall der ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit. Eine weitere Auswirkung des Parteigrundsatzes stellt die Vorschrift des § 504 Abs. 2 ZPO dar, wonach das Kreisgericht, wenn es sich für sachlich unzuständig erachtet, verpflichtet ist, den Verklagten vor der Verhandlung zur Hauptsache auf die Unzuständigkeit aufmerksam zu machen, um ihm nämlich Gelegenheit zu geben, die prozeßhindemde Einrede aus § 274 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO zu erheben. An einer ausdrücklichen Vorschrift über die Notwendigkeit eines entsprechendien Hinweises an den Kläger fehlt es. Hier muß dann aber § 139 ZPO eingreifen, d. h. das Gericht muß, wenn es sich für sachlich unzuständig hält, den Kläger dm Wege der Fragepflicht darauf hin weisen, um ihm Gelegenheit zu geben, Verweisungsantrag gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu stellen. Ob er der Anregung Folge geben will oder nicht, ist dann seine Sache. Stellt er gleichwohl den Verweisungsantrag nicht, so ist die Klage im Falle der Unzuständigkeit des Gerichts durch Prozeßurteil abzuweisen. Eine andere Beurteilung aber erfordert das Wesen des Kassationsverfah rens. Das Kassationsverfahren ist kein Instanzverfahren und wird nicht vom Grundsatz der Parteienmdtwirkung beherrscht. Die Kassation eines rechtskräftigen Urteils wird unabhängig vom Willen der Prozeßbeteiligten eröffnet. Ihr Zweck ist die Beseitigung unrichtiger rechtskräftiger Entscheidungen im Interesse der Gesellschaft. Es ist kein „Rechtsmittel“ im Sinne der ZPO, sondern ein spezielles Mittel der demokratischen Staatsgewalt der Deutschen Demokratischen Republik, mit dessen Hilfe im Interesse der Festigung der demokratischen Gesetzlichkeit und zur Vereinheitlichung und Weiterentwicklung des Rechts durch die Rechtsprechung rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen beseitigt werden können, wenn sie auf einer Verletzung des Gesetzes beruhen. Der Antrag auf Einleitung des Kassationsverfahrens kann nur von den vom Gesetze dazu ermächtigten Staatsfunktionären, dem Generalstaatsanwalt und dem Präsidenten des Obersten Gerichts, gestellt werden. Die ehemaligen Verfahrensbeteiligten erlangen im Kassationsvrfahren keine Parteistellung. Sie werden nicht Subjekte des Kassationsverfahrens, weil ihre prozessualen Ansprüche nur der Anlaß sind, um das staatliche Interesse an der Beseitigung einer fehlerhaften Entscheidung durchzusetzen. Das Ziel des Verfahrens ist die Beseitigung der vom Instanzgericht begangenen Gesetzesverletzung und die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes. Etat also das Instanzgericht, wie im vorliegenden Falle, die §§ 42, 50 GVG verletzt, so ist es Aufgabe des Obersten Gerichts als Kassationsgericht, diejenige prozessuale Lage herzustellen, die bestanden hätte, wenn die Gesetzesverletzung nicht vorgekommen wäre, also die §§ 42, 50 GVG von- allen Prozeßbeteiligten beachtet worden wären. 5.37;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 537 (NJ DDR 1959, S. 537) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 537 (NJ DDR 1959, S. 537)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Auf der Grundlage des kameradschaftlichen Zusammenwirkens mit diesen Organen erfolgten darüber hinaus in Fällen auf Vorschlag der Linie die Übernahme und weitere Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der Volkspolizei durch die Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit in einer Reihe von Fällen erfolgte ungesetzliche GrenzÜbertritte aufgeklärt, in deren Ergebnis neben Fahndung gegen die geflüchteten Täter auch Ermittlungsverfahren egen Beihilfe zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem Handeln des Verdächtigen sthen können bzw, die für das evtl, straf rechtlich relevante Handeln des Verdächtigen begünstigend wirkten wirken, konnten? Welche Fragen können sich durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Staatssicherheit . Sie stellt an die entscheidungsbefugten Leiter im Staatssicherheit sowie an die an der Entscheidungsvorbereitung beteiligten Diensteinhei ten und Mitarbeiter hohe Anforderungen. Für die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens; Recht auf Beweisanträge; Recht, sich zusammenhängend zur Beschuldigung zu äußern; und Strafprozeßordnung , Beschuldigtenvernehmung und Vernehmungsprotokoll. Dabei handelt es sich um jene Normen, die zur Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen durch den Untersuchungsführer mit dem Ziel erfolgen kann, die Möglichkeiten der Beschuldigtenvernehmung effektiv für die Erkenntnisgewinnung und den Beweisprozeß auszuschöpfen.

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