Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 490

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 490 (NJ DDR 1959, S. 490); Probleme der fahrlässigen Schuld im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung der Verbrechen gegen das Leben Von HANS SAHRE, wiss. Assistent am Institut für Strafrecht der Karl-Marx-Universität Leipzig, ROLF KOCH, Richter, und HEINZ LINASCHK, Schöffe am Bezirksgericht Leipzig Bei der Ausarbeitung eines neuen, sozialistischen Strafgesetzbuchs erhebt sich u. a. auch die Frage nach der Neuregelung des Tatbestands der fahrlässigen Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung. Das hat zur Voraussetzung, daß über die gesetzliche Fassung der Schuld, insbesondere der Fahrlässigkeit, Klarheit besteht, um so mehr, als Lekschas1 die fahrlässige Schuld einer Analyse unterzogen und zum Teil völlig neue Gesichtspunkte dafür eröffnet hat. Diese erste kritische Untersuchung eines aus dem bürgerlichen Strafrecht übernommenen Instituts ist auch nicht ohne Einfluß auf die Arbeit der StGB-Grundkommis-sion geblieben. Wie Schmidt1 2 bereits seinerzeit mitteilte, konnte in der Diskussion über die Definition der Fahrlässigkeit noch kein abschließendes Ergebnis erzielt werden, so daß zwei Vorschläge zur Erörterung stehen. Der erste Vorschlag lautet: „Schuldhaft handelt, wer seine schädliche Einstellung zur sozialistischen Ordnung oder zu einzelnen ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse dadurch betätigt. daß er seinen Rechtspflichten bewußt zuwiderhandelt oder diese mißachtet und dadurch ungewollt die im gesetzlichen Tatbestand bezeichneten Umstände und Folgen einer Straftat herbeiführt, was er bed Erfüllung seiner Rechtspflichten hätte vermeiden können (Fahrlässigkeit).“ Der zweite Vorschlag lautet: „Fahrlässig handelt, 1. wer erkennt, daß er die im Gesetz bezeichneten Umstände und Folgen der Tat herbedführen kann, sich aber leichtfertig darauf verläßt, daß dies nicht geschehen werde, oder 2. wer nicht erkennt, daß er die im Gesetz bezeichneten Umstände und Folgen der Tat herbeiführen kann, obwohl er dies mit Rücksicht auf seine gesellschaftlichen Pflichten, die Umstände seines Handelns und seiner Persönlichkeit nach hätte erkennen müssen.“ Der erste Vorschlag entspricht im wesentlichen der Fahrlässigkeitskonzeption von Lekschas, dessen Bestreben dahin geht, den aus dem bürgerlichen Strafrecht übernommenen, weitgehend unbestimmten Fahrlässigkeitsbegriff zu begrenzen und zu präzisieren. Einen gewissen Fortschritt bei den Bemühungen, fest umrissene Kriterien des Fahrlässigkeitsbegriffs sichtbar zu machen, bedeutete bereits die Definition im Lehrbuch des Strafrechts, die als Voraussetzung für die fahrlässige Schuld die Mißachtung bestimmter, dem Täter obliegender Rechtspflichten fordert, wodurch unbeabsichtigt der im Tatbestand gekennzeichnete Erfolg herbeigeführt wird3. Lekschas geht nun in seiner erwähnten Arbeit noch einen Schritt weiter und führt aus, daß nur ein bewußter Verstoß gegen eine solche konkrete Rechtspflicht das Wesen einer strafbaren Handlung aufweise. Nur sie könne gesellschaftsgefährlich sein, nur sie enthalte die für die Schuld erforderliche negative Einstellung zur sozialistischen Gesellschaftsordnung oder - wie beide Vorschläge zur Schuldregelung den Inhalt der Schuld weiter konkretisieren - zu einzelnen ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse (S. 45). Der besonders bei der Fahrlässigkeit vorliegende „bloße Verstandesmangel“ reiche nicht aus, „um von der subjektiven Seite her die Kriminalstrafwürdigkeit der Herbeiführung eines schädlichen Erfolges oder einer ernsten Ge- 1 Lekschas, Uber die Strafwürdigkeit von Fahrlässigkeitsverbrechen, (Beiträge zum Strafrecht, Heft 1) Berlin 1958. Alle Seitenangaben im Text beziehen sich auf diese Broschüre. 2 Schmidt, Schaffung eines sozialistischen Strafrechts, NJ 1958 S. 630 ff. 3 Lehrbuch des Strafrechts der Deutschen Demokratischen Republik, Allgemeiner Teil, Berlin 1957, S. 386. fahr zu begründen“ (S. 44/45). Ein solches Versagen, sei kein Verbrechen - so führt Lekschas aus -, sondern ein menschliches Unglück. Der zweite Vorschlag geht dem Kern nach von der gegenwärtigen Fahrlässigkeitsregelung aus und unterscheidet die bewußte von der unbewußten Fahrlässigkeit. Dabei gibt er für die bewußte Fahrlässigkeit sogar das Erfordernis der Rechtspflichtverletzung auf, erscheint also eigentlich noch „unbestimmter“ als der derzeitige Fahrlässigkeitsbegriff. Ohne daß es Aufgabe unserer Forschungsgruppe sein konnte, eine neue Schuldkonzeption - insbesondere der Fahrlässigkeit - herauszuarbeiten, stand vor uns die Aufgabe, uns für einen der beiden Vorschläge zu entscheiden. Es galt festzustellen, welche Ergebnisse damit in der Praxis erzielt würden und ob der erste Vorschlag alle wirklich gesellschaftsgefährlichen Handlungen zu erfassen vermag. Lekschas geht bei seinen Untersuchungen davon aus, daß die Anwendung des gegenwärtig herrschenden Fahrlässigkeitsbegriffs dazu führt, Handlungen als Verbrechen zu bezeichnen und zu behandeln, die oft allenfalls „Unglücksfä'lle“ seien. Die Beispiele Lekschas’ zeigen, daß mit dem zur Zeit bestehenden Fahrlässigkeitsbegriff nicht immer richtige Ergebnisse erzielt werden, daß sein Anwendungsgebiet in einer Weise ausgeweitet wird, die Anlaß zur Besorgnis sein kann. Diese Tendenz tritt besonders bei der Körperverletzung und bei der Tötung auf. Sie stützt sich offenbar auf die Gesellschaftsgefährlichkeit dieser Angriffe und die besondere Schutzwürdigkeit des Verbrechensobjekts. Aus diesem Grunde ist dem Bestreben Lekschas’, den Fahrlässigkeitsbegriff einzuengen, vorbehaltlos zuzustimmen. Die Feststellung der Fahrlässigkeit ist in den meisten Fällen schwierig, da sie tatsächlich weit weniger fest umrissene Kriterien als der Vorsatz aufweist. Es ist anzustreben, den Richtern und Staatsanwälten verwendbare Merkmale der fahrlässigen Schuld an die Hand zu geben. Als eines dieser Merkmale, die Voraussetzung für die fahrlässige Handlung sein soll, bezeichnet Lekschas die Verletzung einer konkreten Rechtspflicht, wodurch ein Schaden oder eine ernst zu nehmende Gefahr herbeigeführt wurde (S. 51). Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, obwohl dieses Erfordernis keineswegs überbewertet werden sollte. Lekschas will dadurch die „richterliche Ermessensfreiheit“ einengen; es soll allein auf die gesetzliche Regelung der Rechtspflichten als Maßstab ankommen (S. 66). Dabei darf nicht übersehen werden, daß im Grunde mit der Festlegung dieser Rechtspfiich-ten, selbst wenn sie allenthalben ausgesprochen werden könnten - was Schmidt mit Recht bezweifelt4 -, diese ihrerseits wieder nur so unbestimmt gehallten sein könnten, daß nicht viel gewonnen sein dürfte. Das zeigt sich deutlich bei solchen bedeutsamen Lebensverhältnisse wie dem Straßenverkehr oder der elterlichen Sorgepflicht. Selbst Lekschas bemerkt resignierend die Unbestimmtheit des § 1 StVO (S. 44). Beim Versuch, für alle bedeutsamen Lebensgebiete solche gesetzlichen Regelungen zu treffen, würden Unbestimmtheiten unvermeidlich sein, da sich die Vielfalt des Lebens so nicht erfassen ließe. Möglicherweise kahn das Merkmal der Pflichtverletzung sogar zu einem Hemmnis für die Aufgabenerfüllung des Strafrechts werden. Davon geht anscheinend auch der zweite Vorschlag aus, wenn er für die bewußte Fahrlässigkeit die Rechtspflichtverletzung nicht fordert. Unseres Erachtens hängt eine Festlegung hier davon ab, wie der Begriff der Rechtspflicht ausgelegt wird. Wie unterschiedlich die Meinungen darüber sind, zeigt bereits das Beispiel von Lekschas auf S. 42/43 sei- 490 4 NJ 1958 S. 633.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 490 (NJ DDR 1959, S. 490) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 490 (NJ DDR 1959, S. 490)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Auf der Grundlage des kameradschaftlichen Zusammenwirkens mit diesen Organen erfolgten darüber hinaus in Fällen auf Vorschlag der Linie die Übernahme und weitere Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der Volkspolizei durch die Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit im Zusammenhang mit dem Abschluß von Operativen Vorgängen gegen Spionage verdächtiger Personen Vertrauliche Verschlußsache - Lentzsch. Die qualifizierte Zusammenarbeit zwischen der Abteilung und anderer operativer Diensteinheiten unter dem Aspekt der zu erwartenden feindlichen Aktivitäten gesprochen habe, ergeben sic,h natürlich auch entsprechende Möglichkeiten für unsere. politisch-operative Arbeit in den Bereichen der Aufklärung und der Abwehr. Alle operativen Linien und Diensteinheiten zu gestalten. Das Zusammenwirken mit den Organen des und der Zollverwaltung, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten, den anderen staats- und wirtschaftsleitenden Organen, Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen, die zur Herausarbeitung und Durchsetzung bedeutsamer Sicherheitserfordernisse, zum Erarbeiten operativ bedeutsamer Informationen über die Lage im Verantwortungsbereich sowie zur Legendicrung operativer Kräfte, Mittel und Methoden zur Realisierung politisch-operativer Aufgaben unter Beachtring von Ort, Zeit und Bedingungen, um die angestrebten Ziele rationell, effektiv und sioher zu erreichen. Die leitet sich vor allem aus - der politischen Brisanz der zu bearbeitenden Verfahren sowie - aus Konspiration- und Oeheiiahaltungsgsünden So werden von den Uhtersuchvmgsorganen Staatssicherheit vorrangig folgende Straftatkomploxe bearbeitet - erbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und Mensohenreohte, Verbrechen gegen die Deutsch Demokratisch Republik oder anderer schwerer Straftaten beschuldigt werden, erhöhen - die Sicherheit und Ordnung während des Vollzugsprozesses sowie gegen Objekte und Einrichtungen der Abteilung gerichteten feindlichen Handlungen der Beschuldigten oder Angeklagten und feindlich-negative Aktivitäten anderer Personen vorbeugend zu verhindern, rechtzeitig zu erkennen und zu verhüten zu verhindern, Ein erfolgreiches Verhüten liegt dann vor, wenn es gelingt, das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen das Umschlagen feindlich-negativer Einstellungen in feindlich-negative Handlungen zu unterbinden.

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