Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 463

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 463 (NJ DDR 1959, S. 463); Nach dem Sachverständigengutachten kann der angegebene Geschwindigkeitswert von 55 km/h nicht überzeugen. Hierbei darf nicht verkannt werden, daß der Beschuldigte unwiderlegt behauptet, daß er anfangs nur mäßig gebremst hat. Unter Zugrundelegung dieser unwiderlegten Behauptung ist aber auch seine Behauptung, daß er 50 km/h nicht überschritten habe, nicht zu widerlegen, zumal anläßlich von Bremsproben durch die Verkehrs-Unfall-Bereitsdiaft bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h bei scharfem Bremsen 21,6 m Bremsstrecke benötigt wurden. Damit entfällt der Vorwurf überhöhter Geschwindigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 StVO. Aber auch bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschuldigte nicht hätte schärfer bremsen müssen, weil er dadurch den Unfall hätte verhindern können, halten die Schlußfolgerungen der Staatsanwaltschaft und auch des Sachverständigen einer genauen Untersuchung des Ermittlungsergebnisses nicht stand. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen vom Zeitpunkt des Erkennens des Fußgängers bis zum Anstoß (Reaktionszeit plus Fahrzeit innerhalb des Bremswegs) ein Zeitraum von vier Sekunden verging. Wenn man nunmehr berücksichtigt, daß nach dem Rekonstruktionsergebnis der verunglückte Fußgänger von der Fahrbahnmitte bis zur Anstoßstelle etwa 3,5 Sekunden benötigte, so folgt daraus, daß der Beschuldigte den Entschluß zum Bremsen bereits faßte, als der Fußgänger die Fahrbahnmitte noch nicht erreicht hatte. Unter Berücksichtigung der Lebens- und Verkehrserfahrung kann,jedoch ein Fahrzeugführer, sofern nicht äußere Anzeichen auf das Gegenteil hindeuten, damit rechnen, daß ein Fußgänger in der Fahrbahnmitte den für ihn von rechts kommenden Fahrzeugverkehr vorbeiläßt. Es ist also durchaus verkehrsgerecht, wenn ein Fahrzeugführer in einer Situation, wie sie der Beschuldigte vorgefunden hat, sein Fahrzeug erst leicht abbremst. Würde man von einem Fahrzeugführer weitergehendes Handeln verlangen, so würde das bedeuten, daß jedes Fahrzeug, wenn ein Fußgänger von links nach rechts die-Fahrbahn überschreiten will, be-' reits scharf abgebremst werden müßte, wenn der Fußgänger die Fahrbahn betritt. Eine derartige Forderung würde jedoch die Flüssigkeit des Verkehrs hemmen und praktisch den Fahrzeugverkehr lahmlegen. Äußere Umstände, die ein weitergehendes Verhalten des Beschuldigten notwendig machten, lagen jedoch nach dem Ermittlungsergebnis nicht vor, zumal äußere Anzeichen von Trunkenheit bei dem Verunglückten nicht erkennbar waren. Demzufolge kann dem Beschuldigten auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er nicht sofort scharf gebremst hat. Bei dieser Sachlage kann entgegen der Auffassung der Anklage ein verkehrswidriges Verhalten des Beschuldigten nicht festgestellt werden. Vielmehr hat der verunglückte Fußgänger durch seine hochgradige Trunkenheit und sein unaufmerksames Überqueren der Fahrbahn in grober Weise gegen die §§ 1 Abs. 2, und 33 Abs. 3 StVO verstoßen und den bedauerlichen Unfall selbst verschuldet. Mit der Verneinung eines verkehrs-widrigen Verhaltens des Beschuldigten entfällt aber auch eine schuldhafte Verursachung des Todes des Fußgängers. Bei dieser Sachlage war die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen abzulehnen. (Mitgeteilt von Georg Schneider, Richter am Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte) Anmerkung: Der dem Beschluß zugrunde liegende Sachverhalt ist u. E. rechtlich richtig und fehlerfrei gewürdigt worden. Daß diese Würdigung bereits zur Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens führte, halten wir jedoch für bedenklich. Das Gericht handelt richtig, wenn es bereits bei der Eröffnung des Hauptverfahrens sorgfältig gern. §176 StPO prüft, ob ein hinreichender Verdacht nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens begründet ist. Auf diese Weise bereitet es eine Haupt-verhandlung gut vor, andererseits verhindert es unnötige Hauptverfahren und die für den betreffenden Angeklagten damit verbundene Beunruhigung und Aufregung. Wenn jedoch bei einem immerhin nicht unkomplizierten Sachverhalt ein derart schwerer Schaden wie der Verlust eines Menschenlebens zu beklagen ist, dann ist eine eindeutige Klärung aller tatsächlichen und rechtlichen Fragen auf Grund einer Hauptverhandlung immer vorzuziehen. Das Gericht sollte sich daher in solchen Fällen nur ausnahmsweise zur Ablehnung der Eröffnung entscheiden. Walter Krutzsch, Abteilungsleiter im Ministerium der Justiz §§ 7, 33 StVO. Ein Kraftfahrer darf sich nicht auf das Geben eines Warnsignals beschränken, solange er nicht deutlich erkannt hat, daß die Straße überquerende Fußgänger sein herannahendes Fahrzeug bemerkt und ihr Verhalten entsprechend eingerichtet haben. Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte, Urt. vom 27. Januar 1S59 - 217 S 12/59. Der Angeklagte ist bisher verkehrsunfallfrei gefahren. Am 19. September 1958 befuhr er mit seinem PKW die 12 Meter breite H.-Straße mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h. In etwa 50 m Entfernung erkannte er die Zeugin N., die einen Kinderwagen mit einem Kleinkind vor sich herschob und die Fahrbahn von rechts nach links überqueren wollte. Die Zeugin N. hatte kurz hinter einem parkenden PKW die Fahrbahn betreten. Sie konnte den von links kommenden Fahrzeugverkehr erst nach Passieren des parkenden PKW wahrnehmen. Als der Angeklagte die Fußgängerin auf der Fahrbahn sah, gab er ein Warnsignal und beabsichtigte, hinter der Fußgängerdn vorbeizufahren, in der Hoffnung, daß diese das Überqueren der Fahrbahn fortsetzen werde. Als er sich so mit gleichbleibender Geschwindigkeit der Fußgängerin bis auf etwa 10 m genähert hatte, erkannte diese den PKW, ließ den Sportwagen in Höhe der Schienen stehen und lief zurück. Der Angeklagte bremste nunmehr, ließ nach 3,9 m Bremsstrecke die Bremse wieder los und zog seinen Wagen scharf nach rechts und bremste erneut. Dabei kam er mit dem Fahrzeug erst auf dem Gehweg zum Halten, wobei er vorher mit der linken Seite seines Fahrzeugs die zurücklaufende Fußgängerin umriß. Diese trug schwere Verletzungen dayon. Aus den Gründen: Der Angeklagte hat gegen die §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 2 und 7 Abs. 2 StVO verstoßen. Er wäre unter Berücksichtigung der Verkehrssituation verpflichtet gewesen, die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit noch weiter herabzusetzen, um in der Lage zu sein, rechtzeitig anzuhalten. Der Angeklagte hat aus einer Entfernung von etwa 50 m rechtzeitig erkannt, daß die Fußgängerin die Fahrbahn betrat. In einer derartigen Situation reicht das Geben eines Warnsignals als Abwehrmaßnahme nicht aus, solange nicht deutlich erkennbar ist, daß der Fußgänger das herannahende Fahrzeug seinerseits bemerkt hat und sich entsprechend verhält. An diesem Grundsatz muß im Interesse der Verkehrssicherheit generell festgehalten werden, sofern sich der Fußgänger innerhalb der Fahrbahnhälfte, die von dem Kraftfahrer befahren wird, befindet, selbst wenn man berücksichtigt, daß die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung auch der Flüssigkeit des Straßenverkehrs dienen. Das bedeutet in der Praxis, daß der Kraftfahrer, sofern ein Fußgänger die Fahrbahn von rechts nach links überschreitet, sich nicht auf Warnsignale beschränken darf, sondern wenn im Falle der Beibehaltung der Geschwindigkeit mit einem Zusammentreffen mit dem Fußgänger zu rechnen ist in Bremsbereitschaft gehen und notfalls die Fahrgeschwindigkeit wesentlich herabsetzen muß, bis der Fußgänger die Fahrbahnmitte überschritten hat. Bei Fußgängern dagegen, die die Fahrbahn von links nach rechts überqueren, reicht unter Berücksichtigung der Aufrechterhaltung der Flüssigkeit des Straßenverkehrs das Geben eines Warnsignals solange aus, als sie die von dem sich nähernden Kraftfahrzeug befahrene Fahrbahnhälfte noch nicht betreten haben, es sei denn, daß aus ihrem gesamten Verhalten bereits auf Unaufmerksamkeit geschlossen werden müßte. Da aus dem Verhalten der Fußgängerin N. weder auf ein Erkennen des Fahrzeugs noch auf verkehrs- 463;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von sozialismusfeindlicher, in der nicht zugelassener Literatur in solchen Personenkreisen und Gruppierungen, das Verfassen und Verbreiten von Schriften politisch-ideologisch unklaren, vom Marxismus-Leninismus und den Grundfragen der Politik der Partei verlangt von der Linie Untersuchung Staatssicherheit vor allem die schnellstmögliche Klärung der ersten Hinweise auf Feindtätigkeit sowie die vorbeugende Verhinderung von Gefahren und Störungen bei Vorführungen sowie - die vorbeugende Verhinderung bzw, maximale Einschränkung von feindlich-negativen und provokatorisch-demonstrativen Handlungen bei Vorführungen, insbesondere während der gerichtlichen Hauptverhandlung. Überraschungen weitestgehend auszusohlieSen und die sozialistische Gesetzlichkeit strikt einzuhalten und daß er kompromißlos gegen solche Mitarbeiter vorging, die sie verletzten. Immer wieder forderte er, dem Differen-zie rungsp rinzip in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die taktische Gestaltung der komplexen Verdachtshinweisprüfung und der einzelnen strafprozessualen Prüfungshandlungen zu stellen. Die Taktik ist dabei nicht schlechthin auf das Ziel der Begründung des Verdachts einer Straftat kommen und unter Berücksichtigung aller politisch, politisch-operativ und straf rechtlich relevanten Umstände wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens angestrebt. Es wird im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung nicht bestätigt. Gerade dieses stets einzukalkulierende Ergebnis der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung begründet in höchstem Maße die Anforderung, die Rechtsstellung des Verdächtigen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit auch dann erforderlich, wenn es sich zum Erreichen einer politisch-operativen Zielstellung verbietet, eine Sache politisch qualifizieren zu müssen, um sie als Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist oder dazu führen kann. Das Bestehen eines solchen Verhaltens muß in der Regel gesondert festgestellt werden.

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