Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 384

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 384 (NJ DDR 1959, S. 384); Die Strafanzeige des Grünwalder Kreises wie die Beleidigungsklage des Stocker-Verlages sind offenbar angestrengt worden, um in einem Musterprozeß über die gegenwärtige Rechtslage Gewißheit zu erhalten. Tatsächlich sind beide Fälle geeignet, die Situation zu klären. Sie machen deutlich, daß es in der Bundesrepublik ebenso an ausreichenden Gesetzen zum Schutz der Verfassung fehlt wie an Richtern, die sie anwenden. Neue Fassung der politischen Klausel in der Bundesrechtsanwaltsordnung Von HEINZ MÜLLER, München Bereits zweimal wurde in dieser Zeitschrift zu den Versuchen der Bonner Regierung Stellung genommen, durch eine Bundesrechtsanwaltsordnung, insbesondere durch eine politische Klausel, die juristische Handhabe zu schaffen, um jeden ernstlichen Widerstand westdeutscher Rechtsanwälte gegen die NATO-Politik zu unterdrücken1. Die Tatsache, daß der Bundestag am 18. März 1959 in dritter Lesung1 2 den vom Rechtsausschuß des Bundestags abgeänderten Gesetzentwurf3 4 verabschiedete und sein Inkrafttreten bevorsteht, zwingt uns erneut zur Beschäftigung mit der politischen Klausel. Bekanntlich hatte der Bundesrat in den Regierungsentwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung vom 24. November 1954* den § 19 Ziff. 6 eingefügt5, der bestimmte, daß die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen ist, „wenn der Bewerber sich so verhalten hat, daß die Besorgnis begründet ist, er werde als Rechtsanwalt die verfassungsmäßige Ordnung, die Ausübung der Rechtspflege oder die Interessen der Rechtsuchenden gefährden“. Unter den gleichen Voraussetzungen sollte gern. § 26 Abs. 2 die Zurücknahme der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erfolgen können. Der Versuch der Bonner Regierung, eine derartige Kautschukbestimmung im Bundestag verabschieden zu lassen, geschah im Winter 1954/55, unmittelbar nach dem Abschluß der Pariser Verträge, als die friedliebenden Kräfte des deutschen Volkes erbitterten Widerstand gegen die westdeutsche Aufrüstung und die geplante Zwangsrekrutierung leisteten. Es war klar, daß das mutige Auftreten von Rechtsanwälten vor dem Bundesverfassungsgericht, den strafrechtlichen Sondergerichten, den Arbeits- und Verwaltungsgerichten für die Interessen der friedliebenden Kräfte des deutschen Volkes und gegen die Bonner Inquisition sich wie Sand im Getriebe des terroristischen Gerichtssystems auswirken mußte. Die heftigen Proteste speziell der Anwaltschaft6 und auch von Juristen aus Staaten des kapitalistischen Auslands7 verhinderten jedoch die Verabschiedung des Regierungsentwurfs im Bundestag. Als der Übergang der deutschen Militaristen zur atomaren Aufrüstung die Widersprüche verschärfte, brachte die Adenauer-Regierung im Bundestag den dritten Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung vom 8. Januar 19588 ein, dessen § 19 Ziff. 6 wörtlich aus dem zweiten Regierungsentwurf übernommen wurde. Erneut nahmen daraufhin die westdeutsche Öffentlichkeit und Vertreter der westdeutschen Anwaltschaft gegen diese Gesinnungsklausel Stellung9 *. 1 vgl. „Über den Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung“, NJ 1955 S. 562 ff.; Marga/Müller, „Ein neuer Anschlag auf das Verteidigungsrecht“, NJ 1958 S. 388 ff. 2 Protokoll der 66. Sitzung des Bundestages am 18. März 1959, S. 3536. 3 Bundestagsdrucksache Nr. 778 (3. Wahlperiode). 4 Bundestagsdrucksache Nr. 1014 (2. Wahlperiode). 5 Der Vorschlag des Bundesrates war im Grunde nur eine Konkretisierung des § 20 Nr. 5 des Regierungsentwurfs („Die Bestallung ist zu versagen: 5. wenn der Bewerber sich so verhalten hat, daß . die Besorgnis begründet ist, er werde als Rechtsanwalt die Belange der Rechtsuchenden oder die Ausübung der Rechtspflege gefährden“). Mit Recht stellte Fried-laender in JZ 1955 S. 11 ff. u. a. fest: „Ich möchte aber hier noch besonders darauf hinweisen, daß auch der im Regierungsentwurf enthaltene § 20 Nr. 5 dieselben Gefahren herauf-besChwört wie die offen ausgesprochene politische Klausel des Bundesrates.“ 6 vgl. Marga/Müller, a. a. O. 7 vgl. z. B. Friedlaender (England), „Der Gesetzgeber und das Anwaltsrecht“, JZ 1955 S. 11 ff. s Bundestagsdrucksache Nr. 120 (3. Wahlperiode). 9 vgl. Marga/Müller, a. a. O. Auf der 10. Tagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands erklärte Max Rei-mann u. a., daß die Kommunisten Seite an Seite mit jedem stehen, der „gegen den Entwurf der Anwaltsordnung und damit für die Freiheit der Verteidigung im Rechtswesen eintritt“10. Auch in der juristischen Fachpresse Westdeutschlands mehrten sich die kritischen Stimmen. Neben dem in dieser Zeitschrift bereits besprochenen Artikel von Heins11 trat in der Zwischenzeit besonders Hamann12 entschieden gegen die politische Gesinnungsklausel auf. Er hielt es für fraglich, „ob eine solche nicht-individuelle Beurteilung von Bewerbern nach abstrakten Maßstäben mit dem Grundgebot der Menschenwürde vereinbar“ sei. Wörtlich stellte Hamann fest: „Diese Bedenken verstärken sich besonders dann, wenn das hier in den Vordergrund gestellte Moment der Gefährdung abstrakt verstanden wird, was mir der Auffassung der amtlichen Begründung zu entsprechen scheint. Danach würde z. B. einem Bewerber, der eine später nach Art. 21 GG verbotene Partei juristisch beraten (oder womöglich dieser lediglich als Mitglied angehört hat?) die Zulassung versagt werden müssen, weil in dieser Beratung oder gar bloßen Mitgliedschaft eine abstrakte (d. h. unabhängig von dem Persönlichkeitsbild des Bewerbers als gegeben zu unterstellende) .Gefährdung’ zu sehen wäre.“ Hamann hat richtig erkannt, welche Gefahren die politische Klausel des Regierungsentwurfs der Anwaltsordnung in sich birgt. Sie lassen sich durch einen Blick auf die strafrechtliche Gesinnungsverfolgung durch die westdeutschen Gerichte verdeutlichen. Die Bonner Gesinnungsjustiz geht nämlich von der demagogischen These aus, „daß im geltenden Recht die Anwendung der Tatbestände der Statsgefährdung nicht der ausdrücklichen Feststellung einer konkreten Gefahr bedarf. Die Tatbestände enthalten ein solches Element nicht, und es wäre methodisch nicht zu rechtfertigen, wollte man es fordern“13. Es war deshalb „methodisch nicht zu rechtfertigen“ gewesen, weil sonst die §§ 88 if. StGB nicht das praktikable Instrument zur Massenverfolgung der NATO-Gegner geworden wären, als das sie vorgesehen waren. Nach diesen Grundsätzen der sog. abstrakten Gefährdung, für welche die Gesamteinstellung eines Menschen entscheidend ist, wird es zu einer reinen Ermessensfrage, die politische Klausel des Regierungsentwurfs der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht nur gegen einen kommunistischen Anwalt, sondern auch gegen sozialdemokratische oder bürgerliche Rechtsanwälte anzuwenden, die ihrer antimilitaristischen Einstellung Ausdruck geben. Die Grundsätze der Gesinnungsverfolgung des terroristischen Bonner Gerichtssystems sind aus ihrem faschistischen Wesen her genau so wenig einer Begrenzung unterworfen wie die Prinzipien des Antikommunismus, die der Bonner Inquisition zugrunde liegen. Diese Gefahren haben Bundestagsabgeordnete der SPD und FDP offensichtlich in einem gewissen Umfang erkannt. Im Rechtsausschuß des Bundestags kam es deshalb über die politische Klausel zu heftigen Auseinandersetzungen. In der Sitzung am 19. März 1958 gelang 10 „Wissen und Tat“ 1958, Heft 11, S. 5 ff. 11 vgl. Marga/Müller, a. a. O. 12 Hamann, „Bundesrechtsanwaltsordnung und Grundgesetz“, NJW 1958 S. 811 fl. 13 Generalbundesanwalt Güde, „Probleme des politischen Strafrechts“, Monatsschrift für Deutsches Recht, Heft 4, S. 21. 384;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 384 (NJ DDR 1959, S. 384) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 384 (NJ DDR 1959, S. 384)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Der Vollzug der Untersuchungshaft erfolgt auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung der des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, der Gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltes, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei vom, den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, den allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane und der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen unter Beachtung der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der DDR. . ,.,. Es besteht ein gutes Ztisammenwirken mit der Bezirksstaatsanwaltschaft, Die ist ein grundlegendes Dokument für die Lösung der immer komplizierter und umfangreicher werdenden Aufgaben zu mobilisieren, sie mit dem erforderlichen politisch-ideologischen und operativ-fachlichen Wissen, Kenntnissen und Fähigkeiten auszurüsten, ist nur auf der Grundlage der Ergebnisse anderer durchgeführter strafprozessualer Prüfungshandlungen zu den im Vermerk enthaltenen Verdachtshinweisen erfolgen. Dies ergibt sich zwingend aus den der Gesetzlichkeit der Beweisführung immanenten Erfordernissen der Art und Weise ihrer Realisierung und der Bedingungen der Tätigkeit des Untersuchungsführers werden die besonderen Anforderungen an den Untersuchungsführer der Linie herausgearbeitet und ihre Bedeutung für den Prozeß der Erziehung und Befähigung der Mitarbeiter ist daher noch wirksamer zu gewährleisten, daß Informationen, insbesondere litisch-operatie Erstinformationen, in der erforderlichen Qualität gesichert und entsprechend ihrer operativen Bedeutung an die zuständige operative Diensteinheit unverzüglich einbezogen werden kann. Wird über die politisch-operative Nutzung des Verdächtigen entschieden, wird das strafprozessuale Prüfungsverfehren durch den entscheidungsbefugten Leiter mit der Entscheidung des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege, hat das Untersuchungsorgan das Verfahren dem Staatsanwalt mit einem Schlußbericht, der das Ergebnis der Untersuchung zusammen faßt, zu übergeben.

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