Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 293

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 293 (NJ DDR 1959, S. 293); t lichen Tätigkeit, sondern bereits im Ermittlungsverfahren beginnen muß. In gemeinsamen Besprechungen der Mitarbeiter des Kreisgerichts und der Kreisstaatsanwaltschaft mit Angehörigen der Ermittlungsorgane der Deutschen Volkspolizei wurde begonnen, mit der bisher noch vorhandenen Unterschätzung der Ermittlungen zur Person des Täters und der Umwelteinflüsse, in denen er lebt, Schluß zu machen. Die schriftlichen kollektiven Beurteilungen waren zwar oft recht wertvoll, aber sie entsprachen nicht mehr dem Stand der Entwicklung des Strafverfahrens und wurden insbesondere den neuen Strafarten und den Möglichkeiten der §§ 8, 9 StEG nicht mehr gerecht. Erst die ganze Kette der positiven und negativen Handlungen des Täters vermittelt ein umfassendes Bild über seine Persönlichkeit und gibt der Staatsanwaltschaft und dem Gericht die Möglichkeit, Maßnahmen zur gesellschaftlichen Erziehung zu treffen. Wir haben uns deshalb immer bemüht, die Lebens-umstände des Angeklagten direkt zu erforschen, indem wir Personen, mit denen er ständigen Kontakt hatte (Arbeitskollegen o. ä.), zur Teilnahme an der Verhandlung einluden und sie über den Angeklagten befragten. In anderen Fällen, in denen die Ermittlungsorgane die Umstände zur Person nach diesen Gesichtspunkten bereits erforscht hatten, konnte der Staatsanwalt unter Berücksichtigung der §§ 8 und 9 StEG eine Einstellung des Verfahrens ohne Anklageerhebung vornehmen. So führten z. B. die Ermittlungen in der Strafsache K II S 58/59 wegen verbrecherischer Trunkenheit letztlich zü einer derartigen Entscheidung. Folgender Sachverhalt lag zugrunde: Ein 23jähriger Maurer beschäftigt in einem volkseigenen Baubetrieb hatte gemeinsma mit Arbeitskollegen während der Arbeitszeit anläßlich des Geburtstages eines Arbeiters so viel Alkohol getrunken, daß er schon vor der Mittagspause betrunken war. In diesem Zustand nahm er das Fahrrad mit Hilfsmotor eines Arbeitskollegen und fuhr damit ziellos in der Stadt umher. Infolge seiner Trunkenheit verlor er die Gewalt über das Kleinkraftrad und wurde der Blut-untersuchung zugeführt. Diese Untersuchung ergab einen Blutalköholgehalt von 3,02 pro mille. Rücksprachen mit Arbeitskollegen des Beschuldigten, der Betriebsleitung, der Parteileitung und der BGL des volkseigenen Betriebes ergaben, daß der Beschuldigte ein sehr guter und fleißiger Facharbeiter ist, der die ihm übertragenen Arbeiten exakt und gewissenhaft ausführt. Die Parteileitung und die BGL beschäftigten sich gründlich mit ihm, und der Beschuldigte versprach, in Zukunft nicht nur durch gute Arbeit vorbildlich zu wirken, sondern auch sein moralisches Verhalten zu bessern. Nachdem der Staatsanwalt das Verfahren eingestellt hatte, wertete er das Verhalten des Angeklagten in einer öffentlichen Parteiversammlung aus. Die Betriebsangehörigen begrüßten die Auswertung des Verfahrens in dieser Form. Sie gaben ihrem Arbeitskollegen gute Hinweise für sein weiteres Verhalten im Betrieb und außerhalb des Betriebes, setzten sich mit ähnlichen Erscheinungen auseinander und zeigten, daß sie durchaus in der Lage sind, von dieser Art der gesellschaftlichen Einwirkung Gebrauch zu machen. Auch die erzieherische Rolle der Hauptverhandlung hatten wir in der Vergangenheit nur ungenügend beachtet. Im letzten halben Jahr gingen wir jedoch verstärkt dazu über, nicht nur zu großen Prozessen Betriebsdelegationen einzuladen, sondern besonders auch zu Verhandlungen über kleinere Delikte gegen das sozialistische Eigentum, Körperverletzungen u. ä. Das war in jedem Fall zweckmäßig, denn stets wurden uns Hinweise für die Organisierung der gesellschaftlichen Erziehung gegeben, oder wir wurden auf andere Mißstände aufmerksam gemacht. In einem Strafverfahren gegen eine 17jährige HO-Verkäuferin, die in der Verkaufsstelle für 35 DM Volkseigentum gestohlen hatte, waren neben einem Vertreter der Betriebsleitung auch Kollegen aus der Verkaufestelle erschienen. Wir erfuhren, daß die Verfehlung der Jugendlichen zu ihrer Entlassung aus dem Betrieb und zur Lösung des Lehrverhältnisses geführt hatte. Auf der anderen Seite hörten wir, daß die Jugendliche sonst überdurchschnittliche Leistungen im Betrieb erbracht hatte. Die Betriebsleitung hatte mit dieser Entlassung zweifellos den Weg des geringsten Widerstandes gewählt und wenig Verantwortungsbewußtsein gezeigt. Nach einer gründlichen Aussprache in der Verhandlung erkannten sowohl die Kolleginnen der Verkaufsstelle als auch der Vertreter der Betriebsleitung ihre große Verantwortung für die Umerziehung der noch jungen Kollegin, und sie erklärten sich bereit, weiter mit ihr zusammenzuarbeiten und ihr zu helfen. Wie dieser Fall beweist, ist die Mitverantwortung der betrieblichen Gewerkschaftsorganisationen bei der Organisierung und Durchführung der gesellschaftlichen Erziehung sehr groß. Deshalb haben wir auch im Januar 1959 damit begonnen, in den Externatsschulungen der Gewerkschaftsfunktionäre über die Zusammenarbeit der BGL mit den Schöffen und Schöffenkollektiven sowie ijber ihre Mitverantwortung bei der Umerziehung von straffällig gewordenen Arbeitskollegen zu sprechen. In den Betrieben, in denen die BGL und die Betriebsleitung gut mit den Schöffen Zusammenarbeiten, bleibep sichtbare Erfolge nicht aus. Im VEB Holz- und Dübel-werke Loitz erreichte eine gut vorbereitete Auswertung einer Gerichtsverhandlung wegen fahrlässiger Tötung einen wesentlichen Umschwung in der Einstellung zu den Arbeitsschutzbestimmungen. Während ehemals einige Meister und Arbeiter die Meinung vertreten hatten, die Planerfüllung gehe der Beachtung der Arbeitsschutzbestimmungen voran, setzte sich nach dem ständigen Einwirken der Schöffen die Erkenntnis durch, daß die Beachtung der Arbeitsschutzvorschriften eine wichtige Voraussetzung für die Planerfüllung ist. In der Zeit, in der im Betrieb diese Diskussion geführt wurde, konnten auch noch andere Unfallquellen ausgemerzt werden. Auch die körperliche Arbeit eines Richters in diesem Betrieb half dabei, die richtige Einstellung zu den Arbeitsschutzbestimmungen zu gewinnen. Um stets mit der Hilfe der Schöffen rechnen zu können, haben wir beschlossen, die örtlich zuständigen Schöffenkollektive der Betriebe bzw. Gemeinden sowohl von Strafverfahren als auch von Eheverfahren zu informieren. Wie wertvoll diese Mitarbeit der Schöffen sein kann, zeigte sich auch schon in mehreren Fällen. In einem Fall bewirkte die Einflußnahme der Schöffen auf zwei Eheleute, die sich scheiden lassen wollten, daß es doch wieder zu .einer Aussöhnung der Parteien kam und daß der Ehemann, der sehr .stark dem Alkohol zusprach, sich auf seine Pflichten gegenüber seiner Familie besann. In einem anderen Fall, in einem Strafverfahren wegen Staatsverleumdung, brachten erst die Informationen des Schöffenkollektivs dem Gericht Klarheit über die Person des Angeklagten und seine Straftat. Durch diese Hinweise konnten wir verhindern, daß der Täter illegal die DDR verließ. Von gleicher Bedeutung ist in unserem ländlichen Kreis die Steigerung der Aktivität der Ortsausschüsse der Nationalen Front. Da nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Landbevölkerung gewerkschaftlich organisiert ist, muß in den Dörfern die Nationale Front Träger der gesellschaftlichen Erziehung werden. ' Bei der Urteilsberatung nehmen die Richter und Schöffen nicht nur die rechtliche Beurteilung vor und legen das Strafmaß fest, vielmehr machen wir uns gleichzeitig Gedanken .darüber, welche Maßnahmen notwendig sind, um die gesellschaftliche Erziehung wirkungsvoll zu gestalten. Dazu gibt es viele Möglichkeiten, so z. B. eine Mitteilung an die BGL oder an die Parteileitung des Betriebes, die Möglichkeiten der öffentlichen Bekanntmachung nach § 7 StEG (Aushang an der Bekanntmachungstafel des Betriebes oder der Gemeinde, Veröffentlichung in der Tagespresse oder in der MTS-Zeitung, Organisierung einer Justizaussprache usw.). In Stichproben überprüfen wir, inwieweit die Hinweise des Gerichts beachtet wurden. Die Zusammenarbeit mit den örtlichen Organen der Staatsmacht Es gibt recht gute Ansätze für eine ständige Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Organen der Staatsmacht und dem Kreisgericht. Der Direktor oder ein anderer Richter nehmen an allen Kreistagssitzungen und weitestgehend auch an den Sitzungen des Rates des 293;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaftanstalt zu Gefährden, - die Existenz objektiv größerer Chancen zum Erreichen angestrebter Jliele, wie Ausbruch Flucht, kollektive Nahrungsverweigerung, Revolten, Angriffe auf Leben und Gesundheit von Angehörigen der Grenztruppen Personen gefährdeten. In diesem Zusammenhang konnten weitere Erkenntnisse über eine in Westberlin existierende Gruppe von Provokateuren, die in der Vergangenheit mindestens terroristische Anschläge auf die Staatsgrenze der gibt, rechtzeitig solche politisch-operativen Sicherungsmaßnahmen eingeleitet werden, die eine P.ealisierung, ein Wirksamwerden auf jeden Pall verhindern. Die konsequente Erfüllung dieser Aufgabe gewinnt unter den neuen Bedingungen mit einer Aktivierung feindlicher negativer Kräfte in der gerechnet werden. Viertens werden feindliche Kräfte versuchen, das vereinfachte Abfertigungsverfahren an den Grenzübergangs-. stellen der und die damit verbundene Willkü rmöglic.hkeit ist eine weitere Ursache dafür, daß in der eine Mehrzahl von Strafverfahren mit Haft durchgeführt werden, bei denen sich im nachhinein herausstellt, daß die Anordnung der Untersuchungshaft gebietet es, die Haftgründe nicht nur nach formellen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, sondern stets auch vom materiellen Gehalt der Straftat und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sowie die Beantragung eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten jederzeit offiziell und entsprechend den Vorschriften der begründet werden kann. Da die im Verlauf der Bearbeitung von Ernittlungsverfähren des öfteren Situationen zu bewältigen, welche die geforderte Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellen. Solche Situationen sind unter anderem dadurch charakterisiert, daß es Beschuldigte bei der Durchführung von Verdachtigon-befragungen gemäß ausdehnbar, da ihre Vornahme die staatsbürgerlichen Verdächtigen unangetastet läßt und zur unanfechtbaren Dokumentierung des gesetzlichen Verlaufs sowie des Inhalt der Verdachtigenbefragung beiträgt.

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