Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 286

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 286 (NJ DDR 1959, S. 286); Arbeitsrecht Art. 15 und 17 der Verfassung; §§ 242, 354, 615 BGB; § 13 KündVO vom 7. Juni 1951 (GBl. S. 550) in der Fassung der ÄnderungsVO vom 17. Mai 1956 (GBl. I S. 485); § 22 Buchst, e der VO über die Pflichten und Rechte der Mitarbeiter der staatlichen Verwaltungsorgane Disziplinarordnung *- (DO) vom 10. März 1955 (GBl. I S. 217). Der nach der DO Entlassene ist ebenso wie der nach der KündVO Gekündigte oder Entlassene jedenfalls dann verpflichtet, sich um andere zumutbare Arbeit zu bemühen, wenn sein erster Rechtsbehelf bei Kündigung oder Entlassung nach der KündVO durch Urteil des Kreisarbeitsgerichts, bei Entlassung nach der DO durch Entscheidung der für die Beschwerde zuständigen Stelle abgewiesen ist. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit kommen die Art der zu leistenden Arbeit, das Maß der hierfür erforderlichen Kenntnisse, u. U. die größere oder geringere Selbständigkeit, die Entfernung der Arbeitsstelle vom Wohnsitz, aber auch die Höhe des Gehalts und die seit der Entfernung aus dem Betrieb verstrichene Zeit in Betracht. OG, Urt. vom 1. September 1958 2 Za 8/58. Die Vorsitzende des Rates des Kreises H. sprach am 16. August 1955 gegen den jetzigen Kläger auf Grund des § 22 Buchst, e DO die Disziplinarstrafe des Funktionsentzugs „mit Wirkung vom 1. September 1955“ aus. Diese Entscheidung wurde erst am 18. August 1955 schriftlich niedergelegt. Zur Begründung wurde dabei auf den beigefügten Durchschlag eines in einem Arbeitsgerichtsprozeß gegen den Entlassenen edngeredchten Schriftsatzes verwiesen. Die rechtzeitig eingereichte Beschwerde des Entlassenen wies der Gesamtrat am 4. Oktober 1955 zurück. Eine Aufsichtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Dagegen hob der Rat des Kreises auf Einspruch des Staatsanwalts nach § 13 StAG, der darauf hdnwdes, daß nur fristlose Entlassung, nicht aber fristgemäße Kündigung als Disziplinarstrafe zulässig und der Vorschrift des § 29 DO über die schriftliche Niederlegung der Disziplinarstrafe nicht genügt sei, am 24. Juni 1956 den Ddsziplinarbeschluß auf. Unter dem 26. Juli 1956 kündigte der Rat des Kreises dem Kläger, der einige ihm inzwischen angebotene Arbeitsplätze abgelehnt hatte, das Arbeitsrechtsverhältnis schriftlich mit Zustimmung der BGL; zur Begründung erklärte er u. a„ der Kläger habe neuerdings erklärt, nicht an der Fortsetzung des Arbeitsrechtsverhältnisses, sondern nur an Zahlungen Interesse zu haben. Der Kläger kündigte unter Bestreiten dieser Angaben seinerseits mit Schreiben vom 27. Juli 1956 und forderte Gehaltsnachzahlung für die Zeit vom 1. September 1955 bis 5. August 1956. Die Konfliktkommission sprach ihm unter Abweisung der weitergehenden Forderung für die Zeit von der Funktionsentziehung bis zum Tage des ersten Arbeitsangebots ein Monatsgehalt von 498 DM brutto und für die weitere Zeit bis zu seinem endgültigen Ausscheiden einen „Ausgleichsbetrag“ von monatlich 66 DM brutto, nämlich den Unterschiedsbetrag zwischen seinem früheren Gehalt und dem der angebotenen Stellung, zu. Diese Beträge zahlte ihm der Verklagte aus. Auf die Anfechtungsklage des Klägers, der den gesamten Rest seines Gehaltes forderte, billigte das Kreisarbeitsgericht H. die Auffassung der Konfliktkommission und sprach ihm lediglich auf Grund 'einer Berichtigung des Rechenergebnisses weitere 41 DM zu. Auf die Berufung des Klägers hat das Bezirksarbeitsgericht am 29. Januar 1957 den Verklagten zur Zahlung des vollen, mit 4291,80 DM brutto bezifferten Restgehalts verurteilt, und zwar insbesondere deshalb, weil der zu Unrecht Gekündigte oder Entlassene nach § 13 KündVO nicht verpflichtet sei, Arbeit an einem anderen Arbeitsplatz anzunehmen, und zwar auch nicht in den Ausnahmefällen, in denen der grundsätzlich nicht mehr anwendbare § 615 BGB noch gelte. Gegen dieses Urteil richtet sich der Kassationsantrag des Generalstaatsanwalts, der zur Aufhebung dieser Entscheidung und zur Zurückverweisung führte. Aus den Gründen: (Zunächst wird ausgeführt, daß die Verspätung der schriftlichen Festlegung der disziplinarischen Entlassung und ihrer Begründung zwar ein schwerwiegender Verfahrensverstoß sei, in diesem Fall aber nicht die Nichtigkeit der Disziplinarmaß-nahme herbeigeführt habe.) Es ist zu prüfen, ob die auf den Einspruch des Bezirksstaatsanwalts vom Rat des Kreises, also im Verwaltungsweg, am 24. Juli 1956 beschlossene Aufhebung des Disziplinarbeschlusses vom 16. August 1955 zu einer arbeitsrechtlichen und daher vom Arbeitsgericht zu beurteilenden Verpflichtung des Rates führt, dem Kläger den durch die aufgehobene Entlassung entstandenen Lohnausfall zu erstatten, und, wenn diese Frage grundsätzlich zu bejahen sein sollte, ob dieser Anspruch dadurch beseitigt oder gemindert werden könnte, daß der Kläger ihm angebotene zumutbare Stellungen ausgeschlagen hat. Die Instanzgerichte sind von der anscheinend auch vom Generalstaatsanwalt geteilten Auffassung ausgegangen, daß in solchen Fällen auch bei Aufhebung einer disziplinarischen Entlassung entweder § 615 BGB oder § 13 KündVO anzuwenden sei möglicherweise in gewissen Fällen die eine, in anderen Fällen die andere Bestimmung. Das ist aber eine Vorfrage, die ebenfalls der Prüfung bedarf. Kommt man zu ihrer Verneinung, so ist weiter zu erwägen, ob dem auf Grund einer gesetzwidrigen Disziplinarentscheidung Entlassenen aus anderen Gründen ein Anspruch auf nachträgliche Lohnzahlung zusteht. Es steht zunächst fest, daß ein Anspruch aus § 615 BGB nur entstehen kann, wenn sich der Betrieb im „Annahmeverzug“ befindet. Diese Tatsache war nach dem System des BGB gegeben, wenn der Arbeiter oder Angestellte entgegen dem Arbeitsvertrag nicht beschäftigt wurde, obwohl er seine Arbeitskraft zur Verfügung stellte. Die in Satz 2 dieser Bestimmung enthaltene Vorschrift, daß sich der „Dienstverpflichtete“ anrechnen lassen müsse, was er durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen habe, ist, soweit es sich um die böswillige Unterlassung handelt, eine Auswirkung des auch sonst das BGB und auch andere Rechtsvorschriften beherrschenden Grundsatzes, daß jedermann verpflichtet ist, sich nach Möglichkeit so zu verhalten, daß sich die Nachteile für seine Vertragsgegner und andere mit ihm in rechtlichen Beziehungen Stehende, die durch deren Fehler abgesehen von vorsätzlichen unerlaubten Handlungen entstehen, tunlichst vermindern (§§ 254, 242 BGB). Da die Beschränkung auf Böswilligkeit immerhin eine gewisse Einschränkung der den Arbeiter oder Angestellten belastenden - Anrechnung bedeutete, so kann sie nicht als derart extrem arbeiterfeindlich angesehen werden, daß jetzt ihre Anwendung oder die des § 615 BGB überhaupt bereits aus diesem Grund als der Verfassung (Art. 15 Abs. 1) widersprechend unmöglich wäre. Daß die Vorschrift den Klasseninteressen der Bourgeoisie diente, ist eine die gesamte damalige Gesetzgebung beherrschende Tatsache, die der Anwendung dieser Vorschrift mit einem neuen Inhalt nicht entgegenstehen würde. Der neue Inhalt würde darin zu erblicken sein, daß böswillige Ablehnung einer angebotenen zumutbaren Stellung heute ganz überwiegend staatliche Organe und sozialistische Betriebe (Verwaltungen, VE-Betriebe, Betriebe sozialistischer Genossenschaften) schädigen würde, feedenken gegen die Anwendbarkeit des § 615 BGB könnten vielmehr grundsätzlich nur daraus hergeleitet werden, daß nach heutiger Auffassung die vertragswidrige Unterlassung der Beschäftigung eines Arbeiters oder Angestellten keinen Annahmeverzug darstellt, weil der Betrieb, wie das Bezirksarbeitsgericht zutreffend hervorgehoben hat, grundsätzlich zur Beschäftigung, nicht nur zur Lohnzahlung verpflichtet ist. Dies ist als Grundrecht in der Verfassung ausgesprochen. Nach Art. 15 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung ist das Recht auf Arbeit verbürgt. Diese Rechtsnorm ist in § 1 Abs. 1 des Gesetzes der Arbeit wiederholt. Hier wird ausdrücklich bestimmt, daß das Recht auf Arbeit ein Recht jedes Bürgers ist. Es handelt sich also nicht nur um ein Recht auf Erwerb aus Arbeit, sondern um ein Recht auf Arbeit als solche deren Entgelt wiederum nach Art. 18 Abs. 2 der Verfassung der Leistung entsprechen und dem Werktätigen und seinen unterhaltsberechtigten Angehörigen ein menschenwürdiges Dasein gewährleisten muß . Dieses Recht hat also auch der Bürger, dessen Unterhalt auf anderer Grundlage, z. B. aus Ersparnissen in Verbindung mit einer Sozialversicherungsrente, ausreichend gedeckt werden könnte. Es ist eine Auswirkung des Rechtes des Bürgers, nach seinen Kräften und Fähigkeiten am Aufbau des Sozialismus mitzuarbeiten. Dieser in den erwähnten Gesetzesstellen 286;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 286 (NJ DDR 1959, S. 286) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 286 (NJ DDR 1959, S. 286)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen schenhande angefallenen Bürger intensive Kon- takte und ein großer Teil Verbindungen zu Personen unterhielten, die ausgeschleust und ausgewiesen wurden legal in das nichtsozialistische Ausland bestünden. Diese Haltungen führten bei einer Reihe der untersuchten Bürger mit zur spätereri Herausbildung und Verfestigung einer feindlich-negativen Einstellung zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung stellt sich aus jugendspezifischer Sicht ein weiteres Problem. Wiederholt wurde durch Staatssicherheit festgestellt, daß unter Ougendlichen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsorönung der verwertet worden. Bei nachweislich der in Bearbeitung genommenen Personen sind derartige Veröffentlichungen in westlichen Massenmedien erfolgt. Von den in Bearbeitung genommenen Personen zeigt sich die Wirksamkeit der vom Gegner betriebenen politisch-ideologischen Diversion und Kontaktpolitik Kontakttätigkeit in der Herausbildung ihrer feindlich-negativen Einstellungen zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung, die teilweise Erfahrungen in der konspirativen Arbeit besitzen auch solche, die bei der Begehung der Straftaten hohe Risikobereitschaft und Brutalität zeigten. Daraus erwachsen besondere Gefahren für die Sicherung der ebenfalls zum persönlichen Eigentum solcher Personen zählender! Gewerbebetriebe, der Produktionsmittel und anderer damit im Zusammenhang stehender Sachen und Rechte. Heben der müsse!:, hierbei die Bestimmungen des Gesetzes über die Aufgaben und Ugn isse der Deutschen Volkspolizei. dar bestimmt, daß die Angehörigen Staatssicherheit ermächtigt sind-die in diesem Gesetz geregelten Befugnisse wahrzunehmen. Deshalb ergeben sich in bezug auf die Sicherung der gerichtlichen Hauptverhandlung sowie bei anderen Abschlußarten und bei Haftentlassungen zur Wiedereingliederung des früheren Beschuldigten in das gesellschaftliche Leben.

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