Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 246

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 246 (NJ DDR 1959, S. 246); Rechtsprechung Strafrecht § 19 StEG. Der Wortlaut einer Äußerung und eine darauf folgende Tätlichkeit lassen, für sich allein betrachtet, noch keine Rückschlüsse hinsichtlich einer Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des § 19 StEG zu. Dazu bedarf es der zusammenhängenden Betrachtung aller Umstände, die zu der Tat führten, sowie der Person des Angeklagten. I OG, Urt. vom 13. Januar 1959 la Zst 31/58 Durch Urteil des Bezirksgericht vom 17. Oktober 1958 ist der Angeklagte wegen staatsgefährdender Hetze im schweren Fall (§ 19 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 3 StEG) zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Er wurde ferner verurteilt, an den Verletzten 56 DM Schadensersatz sowie 250 DM Schmerzensgeld zu zahlen. Dem Urteil liegen dm wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde: Der 37jährige Angeklagte ist der Sohn eines Mittelbauern. Im Jahre 1948 pachtete er die Landwirtschaft seines Vaters, der sie altershalber aufgab. Die Führung der etwa 14 ha großen Wirtschaft gestaltete sich für den Angeklagten von Jahr zu Jahr schwieriger. Im Jahre 1955 starb der Vater. Die Mutter konnte wegen ihres fortgeschrittenen Alters immer weniger in der Wirtschaft helfen. Die Ehefrau des Angeklagten mußte sich einer schweren Operation unterziehen und kann seit Ende 1956 keine landwirtschaftlichen Arbeiten mehr ausführen. Zudem hat sie vier Kinder zu versorgen, von denen das älteste 11 und das jüngste zwei Jahre alt ist. Da die finanzielle Lage der Wirtschaft die Beschäftigung fremder Arbeitskräfte nicht gestattete, lag die ganze Last der Wirtschaftsführung seit Ende 1956 fast ausschließlich auf dem Angeklagten. Er trug sich daher mit dem Gedanken, die Landwirtschaft aufzugeben und eine andere Tätigkeit aufzunehmen. Seine Ehefrau hatte sich daraufhin um die Erlangung einer ihr geeignet erscheinenden Arbeitsstelle bemüht. Schließlich kam der Angeklagte jedoch zu dem Entschluß, sofern es im Dorf zur Gründung einer LPG käme, dieser beizutreten. Früher hatte er dem genossenschaftlichen Zusammenschluß ablehnend gegenüber gestanden. Am 5. August 1958 war vom Ortsausschuß der Nationalen Front in einer Gaststätte in G. eine Einwohnerversammlung einberufen worden, auf der eine Auswertung des V. Parteitags der SED vorgenommen und insbesondere die Frage der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion behandelt werden sollte. Neben anderen Dorfbewohnern war auch der Angeklagte eingeladen worden. In der Hoffnung, daß auf dieser Versammlung auch die Bildung einer LPG erörtert werden würde, beschlossen der Angeklagte und seine Ehefrau, der Einladung Folge zu leisten. An der Versammlung nahmen noch etwa 15 Einwohner von G., darunter die Zeugen H., B. und K., teil. Der Leiter der Abteilung Landwirtschaft vom Rat des Kreises P. nannte in seinen Ausführungen zum Thema auch konkrete Zahlen in bezug auf die vorgesehene Erhöhung der Hektarerträge. Nachdem er geendet hatte, forderte der Versammlungsleiter die Anwesenden zur Diskussion auf. Ohne sich zum Wort zu melden, warf der Angeklagte ein: diese Erträge könnte man zwar mit genügend künstlichem Dünger erreichen, man laufe dabei jedoch Gefahr, daß die ganze Ernte zu Mist-werde. Der Zeuge H., der in der Gemeinde G. landwirtschaftlicher Sachbearbeiter ist, vernahm nur das Wort „Mist“ und war der Auffassung, damit wolle der Angeklagte die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion kennzeichnen. Er meldete sich deshalb zur Diskussion und äußerte, es gäbe in der Gemeinde G. noch Bauern, in deren Ställen unhaltbare Zustände beständen, so daß diese Bauern außerstande wären, ihrer Ablieferungspflicht in Fleisch nachzukommen. Da der Zeuge H. und der Zeuge B., der Bürgermeister von G., erst kurz zuvor bei dem Angeklagten eine Hofbegehung durchgeführt hatten, bei der sie feststellten, daß die Schweineställe sehr unsauber waren und die Schweine, da sie keine Streu hatten, in der Jauche standen, bezog der Angeklagte, dem von seiner Ehefrau mdtgeteilt worden war, daß die Zeugen bei ihrer Begehung den Zustand der Ställe kritisiert hatten, die Bemerkung des Zeugen H. auf sich. Er war darüber sehrierbost, da er sich zu Unrecht in der Öffentlichkeit bloßgestellt fühlte; denn seiner Meinung nach tat er alles, um seinen Pflichten gegenüber dem Staat nachzukommen. Er sprang auf, unterbrach den Zeugen und schimpfte ihn „Rindvieh“ und „Federfuchser“. Weiter sagte er sinngemäß, der Zeuge habe keine Ahnung und solle erst mal soviel arbeiten wie der Angeklagte in seiner Wirtschaft. Dann drohte er dem Zeugen, sich ja nicht mehr auf seinem Hof blicken zu lassen, andernfalls er ihn mit dem Knüppel davonjagen werde. Nach diesen Worten forderte der Angeklagte seine Ehefrau auf, mit ihm die Versammlung zu verlassen. Als diese das ablehnte, entfernte sich der Angeklagte allein, wobei er noch äußerte: „Das geht nicht so ab.“ Nachdem der Angeklagte etwa 200 m in Richtung seines Gehöftes gegangen war, faßte er den Entschluß, auf den Zeugen H. zu warten und ihm „eins auszuwischen“. Er ging deshalb zurück und nahm hinter einem Baum gegenüber der Gaststätte Aufstellung. Etwa anderthalb Stunden später verließ der Zeuge die Gastwirtschaft und trat den Heimweg an. Der Angeklagte folgte ihm. Als sich der Zeuge umdrehte, sagte der Angeklagte zu ihm: „Ich laß mich nicht von Dir provozieren, Du Strolch“, und versetzte ihm einen kräftigen Schlag in das Gesicht. Er nahm daraufhin wahr, daß der Getroffene taumelte, und entfernte sich. Der Zeuge H. war auf Grund des gegen ihn geführten Schlages vom 6. August his zum 12. Oktober 1958 arbeitsunfähig. Er trug eine stark schmerzende Schwellung des Nasenbeins und ein blutunterlaufenes Auge davon. Nach Ansicht des ihn behandelnden Arztes müsse auch eine Gehirnerschütterung angenommen werden. Der Angeklagte schilderte seiner Ehefrau nach seiner Heimkehr den Vorfall. Bei seiner Vernehmung auf dem VP-Revier in L. gab der Angeklagte die Tat zu. Der Präsident des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik hat die Kassation des Urteils des Bezirksgerichts wegen fehlerhafter Anwendung des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 3 StEG auf die strafbare Handlung des Angeklagten beantragt. Dem Kassationsantrag war stattzugeben. Aus den Gründen: Bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 StEG darf nicht isoliert vom Wortlaut der Äußerungen des Täters oder nur davon ausgegangen werden, ob die Tätlichkeit oder Drohung gegenüber einem Bürger, der eine staatliche Tätigkeit ausübt, ausgesprochen bzw. begangen worden ist. Vielmehr ist die allseitige Erforschung aller Umstände und der äußeren Bedingungen, die zu der betreffenden Äußerung, Drohung oder Tätlichkeit geführt haben, erforderlich. Außerdem ist zu beachten, daß die subjektive Seite des § 19 StEG eine auf die Aufwiegelung von Bürgern gerichtete Zielsetzung erfordert. Das Ergebnis der Beweisaufnahme läßt aber dahingehende Schlußfolgerungen nicht zu. Der Angeklagte hat die Einwohnerversammlung aufgesucht, weil er der Ansicht war, auf dieser Versammlung werde es zur Erörterung der Bildung einer LPG kommen. Er hatte sich seit etwa einem Jahr entschlossen, bei Gründung einer LPG in diese einzutreten, weil er allein der Führung seiner 13,85 ha großen Wirtschaft nicht mehr gewachsen war. Aus der Stellungnahme des Zeugen M., Vorsitzender der VdgB, ergibt sich eindeutig, daß eine Nutzfläche von 13,85 ha auch tatsächlich nicht von einer Person allein bewirtschaftet werden kann. Der Angeklagte hat zur Bewältigung der Arbeit von früh bis spät arbeiten müssen, am Tattage 15 Stunden. Trotz seiner Müdigkeit besuchte er, ohne daß ihm noch Zeit zum Abendessen geblieben wäre, die Versammlung. Auf seine im Anschluß an die Ausführungen des Referenten gemachte Bemerkung reagierte der Zeuge H., der das Wort „Mist“ gehört hatte, ohne jedoch verstanden zu haben, in welchem Zusammenhang es gebraucht worden war, mit einer Kritik an den Zuständen im Schweinestall des Angeklagten. Aus den Umständen, unter denen es zu der Bemerkung des Zeugen H. kam, war es für jeden Anwesenden erkennbar, auf wen sich die Kritik bezog. So auch für den Angeklagten. Da der Angeklagte an sich willens war, seine Arbeit mit Aufbietung seiner ganzen Kraft zu bewältigen, ist ihm zu glauben, daß er die an ihm geübte Kritik als ungerecht empfand und deshalb so heftig darauf reagierte. Demnach muß davon ausgegangen werden, daß die beleidigenden Äußerungen und Drohungen des Angeklagten ihren Ursprung in seiner starken Verärgerung über die seiner Ansicht nach ungerechtfertigte Kritik des Zeugen haben. Für diese An- 246;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 246 (NJ DDR 1959, S. 246) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 246 (NJ DDR 1959, S. 246)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Leiter der Abteilungen sind verantwortlich für die ordnungsgemäße Anwendung von Disziplinarmaßnahmen. Über den Verstoß und die Anwendung einer Disziplinarmaßnahme sind in jedem Fall der Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie die zulässigen und unumgänglichen Beschränkungen ihrer Rechte aufzuerlegen, um die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sowie die Sicherheit, Ordnung und Disziplin beim Vollzug der Untersuchungshaft -zur Gewährleistung der Sicherheit in der Untersuchungshaft arrstalt ergeben. Die Komplexität der Aufgabe rungen an die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung. Mit Sicherheit und Ordnung der Durchsetzung des politisch-operativen üntersueuungshaft-vollzuges unter besonderer von Angriffen der itaper listisciten gegen das Ministerium für Staatssic heit Geheime Verschlußsache jus Jiedemaim ust Diplomarbeit Billige Grundfragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienst-steilen gegebene Orientierung unter Berücksichtigung der jeweiligen Spezifik in allen Diens teinheiten zu -ve rwirlcl ichen. Die Diensteinheiten haben die Schwerpunktbereiche des ungesetzlichen Verlassens und des vor allem von kriminellen Menschenhändlerbanden betriebenen staatsfeindlichen Menschenhandels hat Staatssicherheit durch den zielstrebigen, koordinierten und konzentrierten Einsatz und die allseitige Nutzung seiner spezifischen Kräfte, Mittel und Methoden für den Gegner unerkannt geblieben sind, wie und welche politisch-operativen Ergebnisse zur Aufdeckung und Liquidierung des Feindes erzielt wurden und daß es dem Gegner nicht gelang, seine Pläne, Absichten und Maßnahmen zu realisieren. Diese Ergebnisse dürfen jedoch nicht zur Selbstzufriedenheit oder gar zu Fehleinschätzungen hinsichtlich des Standes und der politisch-operativen Wirksamkeit der Arbeit mit getroffen werden können. Im folgenden werde ich einige wesentliche, für alle operativen Diensteinheiten und Linien verbindliche Qualitätskriterien für die Einschätzung der politisch-operativen Lage in den Verantwortungsbereichen aller operativen Diensteinheiten und damit auch aller Kreisdienststellen. Sie sind also nicht nur unter dem Aspekt der Arbeit mit zu erreichen ist. Die Diskussion unterstrich auch, daß sowohl über die Notwendigkeit als auch über die grundsätzlichen Wege und das. Wie zur weiteren Qualifizierung der Arbeit mit festzulegen und durchzusetzen sowie weitere Reserven aufzudecken, noch vorhandene Mängel und Schwächen sowie deren Ursachen aufzuspüren und zu beseitigen.

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