Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 236

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 236 (NJ DDR 1959, S. 236); Die französische Verfassung von 1958 und ihre ersten antidemokratischen Auswirkungen Von Rechtsanwalt ROLAND WEYL, Paris Die Täuschungsmanöver der bürgerlichen Parteien und der Verrat der Sozialisten unter Guy Mollet haben zu jenem schreienden Mißverhältnis geführt, das der Kommunistischen Partei Frankreichs bei 3,8 Millionen Stimmen (gleich 18,9 Prozent aller Wähler, die am 30. November 1958 zur Wahl gingen) nur 10 Sitze in der Nationalversammlung zubilligte. Die Reaktion redete dem Volk ein, daß alles Unglück, das Frankreich gegenwärtig befällt, von der Verfassung, vom „System“, herrührt; de Gaulle habe schon vor Jahren gesagt, daß die Demokratie für die Machtlosigkeit Frankreichs verantwortlich sei. Die Parteiführung der Sozialisten entschied sich, wenn auch nur mit einer knappen Mehrheit, für de Gaulle als das „kleinere Übel“ und gegen die Einheit der republikanischen Kräfte, deren wichtigste Parteien KPF, Sozialisten und Radikalsozialisten bei der Parlamentswahl 1956 die Mehrheit aller abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnten. So konnte es geschehen, daß am 3. Juni 1958 die Nationalversammlung de Gaulle mit der Regierungsbildung beauftragte und ihm die Vollmacht übertrug, ein halbes Jahr ohne Parlament zu regieren und eine neue Verfassung auszuarbeiten. Mit dieser Entscheidung xvurde der Algerien-Putsch der „Ultras“, der faschistischen französischen Siedler in Algerien, und der Fallschirmjäger-Offiziere legalisiert. Die Verfassung von 1946 trug Kompromißcharakter und entsprach nicht in allen Punkten den Vorstellungen der fortschrittlichen Kräfte Frankreichs dennoch war sie die demokratischste Verfassung, die Frankreich je besessen hat. Sie trug den Stempel eines Volkes, das nicht vergessen hat, daß die Interessen des Landes von einer Bourgeoisie verraten worden waren, die nach dem Motto gehandelt hatte: „Lieber Hitler als die Volksfront“. Seit dem Jahre 1947 flössen die Dollars der Marshall-plan-„Hilfe“ nach Frankreich. Seitdem begann sich die französische Bourgeoisie wieder zu erholen, seitdem begann sie, die Verfassung von 1946 zu bekämpfen. 1954 könnte sie die ersten umfangreichen Verfassungsänderungen durchsetzen und den Einfluß der Nationalversammlung, in der seit 1946 die Kommunistische Partei die stärkste Fraktion stellte, einschränken. 1958 gelang ihr ein neuer Schlag gegen die Demokratie: die neue Verfassung führte zu einer scharfen Reduzierung der Rechte des Volkes und zur Stärkung der vom Volk losgelösten Exekutive. * Trotz aller ihrer Fehler und Unzulänglichkeiten war die Verfassung von 1946 demokratischen Typs, während die von 1958, mit der der entgegengesetzte Weg beschritten wird, vom reinsten bonapartistischen Wasser ist. Gewiß sieht sie, gleich ihren älteren Schwestern, ein Parlament vor. Aber bereits Ende Juni 1958 vertrat der Regierungschef in einer Rede folgende Meinung: „Da ihre eigenen Gruppen untereinander uneinig waren, da sie sich gegen die Übergriffe des Parlaments zu wehren hatten, das sie in ihre Funktion eingesetzt hatte, und da sie den Forderungen der Parteien unterworfen waren, die sie dorthin delegiert hatten; waren sie, die Regierenden, dazu verurteilt, einige Monate oder einige Wocherf lang angesichts riesiger Probleme zu bestehen, ohne daß sie diese zu lösen vermochten.“ Und in der Rede vom 4. September wurde in Form einer Prinzipienerklärung, die zum offiziellen, zur Volksabstimmung vorgelegten Dokument gehört, folgendes angekündigt: „Es soll eine Regierung bestehen, die zum Regieren geschaffen worden ist, der man die Zeit und die Möglichkeit dazu läßt, die sich nicht anderen Dingen als nur ihrer Aufgabe widmet und die deshalb die Zustimmung des Landes verdient. Es soll ein Parlament bestehen, das bestimmt ist, den politischen Willen des Volkes zu vertreten, über die Gesetze ab- zustimmen, die Exekutive zu kontrollieren, ohne danach zu streben, seine Rolle zu überschreiten.“ Das gesamte Verfassungsgebäude ist auf diesem Prinzip errichtet. Die Präambel ist auf einen Absatz reduziert, in dem man nicht mehr die Grundrechte der Bürger findet, wie sie die Verfassung von 1946 aufzählte, sondern einen rein formalen Hinweis auf diese Präambel und auf die Erklärung der Menschenrechte von 1789, mit den gleichen Worten, mit denen sich die Verfassung von 1852 auf eben diese Erklärung bezog. Das Prinzip der nationalen Souveränität wird neu bestätigt; es wird jedoch zu einer einfachen Erklärung herabgemindert, zu einer Art Heiligenschein der Regierung, die erklärt, in ihm die Quelle ihrer Befugnisse zu v finden, während die Instrumente zur Ausübung dieser Souveränität (nämlich durch die Vorherrschaft der Volles Vertreter) abgebaut werden. Die Rangordnung der neuen Einrichtungen wird schon dadurch charakterisiert, daß die den Präsidenten der Republik betreffenden Bestimmungen den auf das Parlament bezüglichen vorangehen. Während bis dahin (sowohl unter der 3. wie unter der 4. Republik) das Staatsoberhaupt vom Parlament gewählt wurde, das mehr oder weniger getreu aber doch immerhin die Vertretung der Nation widerspiegelte, wird es jetzt von einem besonderen Wahlmännerkollegium gewählt. Dieses besteht aus 80 000 Notabein, von denen die Mehrheit 39 Prozent der Bevölkerung vertritt, die in den kleinen ländlichen Gemeinden wohnen, während sich 61 Prozent der Wähler aus dem übrigen Lande und den überseeischen Gebieten in diesem besonderen Wahlkollegium in der Minderheit befinden. Auf diese Weise unabhängig geworden und zum Rivalen des Parlaments gemacht, erhält der Präsident ein Übermaß an Vollmachten zugeschrieben. Er ernennt den Premierminister; dessen Auswahl sowie die seiner Regierungsmitglieder bedürfen in keiner Weise der Zustimmung des Parlaments. Der Präsident kann die Nationalversammlung nach seinem Ermessen auf-lösen (er ist nur verpflichtet, rein beratende Meinungen einzuholen). Er kann sich sogar unter nur ungenau bestimmten, schlecht definierten politischen Umständen, die festzustellen seinem eigenen Ermessen überlassen ist, das Recht nehmen, die absolute Herrschaft auszuüben. Und zur gleichen Zeit, da er zum obersten Schiedsrichter aller politischen Meinungsverschiedenheiten wird, an denen sich seine Regierung stoßen kann, unterliegt er keinerlei. Rechenschaftspflicht und kann unbegrenzt häufig wiedergewählt werden. Dagegen ist die Rolle des Parlaments jeder Substanz entleert worden: Die Nationalversammlung ist gezwungen, ihre Vollmachten mit dem Senat zu teilen, der mit allen seinen Vorrechten wiederauferstanden ist und in gewissen Fällen sogar den Vorrang vor ihr hat. Die Nationalversammlung hat durch Art. 34 den größten Teil ihrer Legislativgewalt verloren. Dieser Artikel überweist den überwiegenden Teil der Gesetzgebung auf die Verordnungsebene, die ausschließlich zur Regierungskompetenz gehört, und beläßt dem Parlament nur die Zuständigkeit für bestimmte, im einzelnen abgegrenzte Angelegenheiten; selbst diese ihm vorbehaltenen Angelegenheiten können zum Gegenstand einer Übertragung parlamentarischer Befugnisse auf die Regierung werden (und sei es durch die Drohung mit einer Auflösung des Parlaments). Das ureigenste Wesen dieser Begrenzung der legislativen Befugnisse und ihrer Übertragung besteht darin, das Parlament auszuschalten: Nicht nur ist die Regierung ermächtigt, allein Gesetze zu erlassen, sondern das Parlament hat auch keinerlei Recht mehr, sich in die betreffenden Angelegenheiten einzumisch'en. Selbst was die dem Parlament vorbehaltenen und nicht von ihm auf die Regierung übertragenen An- 236;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in wesentlichen Verantwortungsbereichen bezogen sein, allgemeingültige praktische Erfahrungen des Untersuchungshaftvollzuges Staatssicherheit und gesicherte Erkenntnisse, zum Beispiel der Bekämpfung terroristischer und anderer operativ-bedeutsamer Gewaltakte, die in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen Staatssicherheit sowie in gemeinsamen Festlegungen zwischen der Abteilung Staatssicherheit und der НА dem weitere spezifische Regelungen zu ihrer einheitlichen Durchsetzung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Hausordnung - erarbeitet auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister Gemeinsame Festlegung der Hauptabteilung und der Abteilung zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Gemeinsame Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der Hauptabteilung und der Abteilung zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes und der medizinischen Betreuung ,V -:k. Aufgaben des Sic herungs- und Köhtroll- Betreuer Postens, bei der BbälisTerung des. Auf - nähmeweitfatrön:s - Aufgaben zur Absicherung der Inhaftier- Betreuer innerhalb und außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik. Entscheidende Voraussetzungen für die wirksame sind - die ständige Qualifizierung der wissenschaftlichen Führungs- und Leitungstätigkeit zur Erfüllung der sich aus der neuen Situation ergebenden Aufgaben, unterstreichen, daß die Anforderungen an unsere Kader, an ihre Fähigkeiten, ihre Einsatz- und Kampfbereitschaft und damit an ihre Erziehung weiter wachsen. Dabei ist davon auszugehen, daß die Strafprozeßordnung die einzige gesetzliche Grundlage für das Verfahren der Untersuchungsorgane zur allseitigen Aufklärung der Straftat zur Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist. Gegenstand der Befugnisse des Gesetzes in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit anstelle bestehender anderer rechtlicher Handlungsmöglichkeiten sollte stets geprüft werden, ob die Abwehr durch das zuständige staatliche Organ auf der Grundlage der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft oder des StrafVollzugsgesetzes Diszipli nannaßnahmen gegen Verhaftete Straf gef angene zur Anwendung kommen.

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