Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 208

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 208 (NJ DDR 1959, S. 208); 1958 gegen 14 Frauen wegen ihrer Tätigkeit für den DFD usw. Dr. Ammann sprach von einer „Flut von Prozessen und Hauptverhandlungen“, die sich über die Sonderstrafkammern ergieße3. Das Ausmaß der strafrechtlichen Verfolgung von einfachen Mitgliedern bzw. Mitarbeitern „geheimbündlerischer Vereinigungen“ in einigen Oberlandesgerichtsbezirken charakterisierte der Referent an folgendem typischen Beispiel: Vor zwei Gerichten in Nordrhein-Westfalen waren zwei Schreibkräfte des Sekretariats der Organisation (gemeint ist die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft d. Verf.) angeklagt. In einem Falle, in der Strafsache gegen Leokadia Frese, lag für diese allein eine vervielfältigte Anklageschrift des Oberstaatsanwalts in Dortmund vor, die 254 (0 Seiten umfaßte. Die .persönlichen Verhältnisse der Angeschuldigten1 begannen jedoch erst auf Seite 249 und enthielten im wesentlichen nichts anderes, als daß sie für verschiedene Sekretäre geschrieben und als Protokollführer zu Sitzungen und Konferenzen zugezogen und tätig wurde .“5 6 Hinsichtlich der Tätigkeit der Ermittlungsorgane legte Dr. Ammann dar, daß einzelne Staatsanwaltschaften neuerdings in größerem Umfang auch gegen örtlich begrenzte Einzelorganisationen Vorgehen, die nur in einer Stadt oder einigen benachbarten Städten tätig sind. Dazu gehören u. a. der „Arbeitskreis der Rekrutierungsgegner“ oder die „Arbeitsgemeinschaft für internationale Verständigung“, die nur in wenigen Orten von Rheinland-Pfalz existieren und lediglich eine Veranstaltung über „Atomwissenschaft im Wandel der Zeiten“ und einen Vortrag eines Religionslehrers über das Thema „Menschlichkeit als Erziehungsaufgabe“ abgehalten hatten7. Diese Beispiele zeigten erneut, welche Bedeutung die Ermittlungsverfahren im System der strafrechtlichen Gesinnungsverfolgung spielen8 9. Die Methoden der Diffamierung und Einschüchterung, die jahrelang hauptsächlich gegen Kommunisten praktiziert wurden, werden heute immer stärker auch gegen andere NATO-Gegner angewandt. Besondere Bedeutung maß Dr. Ammann den Verfahren gegen westdeutsche Kommunisten bei, die im vergangenen Jahre zu den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen kandidiert hatten8. Hier taucht wie Dr. Ammann sagte die Rechtsfrage auf, ob Wählergemeinschaften mit diesem eng begrenzten Ziel vor der Wahl und bis zur Wahl als Vereinigungen gern. § 90 a StGB im Sinne des notwendigen, auf gewisse Dauer gerichteten Zusammenschlusses angesehen werden können. Dr. Ammann lehnte es jedoch im Hinblick auf die z. Z. noch im Ermittlungsstadium befindlichen Verfahren ab, näher darauf einzugehen10 11 12. Bekanntlich hat das Bundesverwaltungsgericht im Widerspruch zu den Entscheidungen unterer Gerichte die Stuttgarter Wählervereinigung ausschließlich deshalb zu einer „Ersatzorganisation der KPD“ erklärt, weil sie neben mehreren anderen Kandidaten auch einige Kommunisten nominiert hatte11. Rechtsanwalt Dr. P o s s e r beschäftigte sich in seinem Referat hauptsächlich mit § 100 d Abs. 21-, dessen politischen Zweck er folgendermaßen kennzeichnete: 5 Broschüre, S. 6. 6 Broschüre, S. 7. 7 Broschüre, S. 8. 8 vgl. Geräts/Kiihlig/Müller, „Zum System und Umfang der strafrechtlichen Gesinnungsverfolgung von Gegnern der NATO-Polltlk ln Westdeutschland“, NJ 1959 S.-98 ff. und S. 130 ff. 9 Wie bekannt wurde, ist bereits in über 40 derartigen Fällen Anklage erhoben worden. 10 Nach §§ 17, 18 des in Westdeutschland geltenden Pressegesetzes wird mit Geldstrafe oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft, wer Anklageschriften oder amtliche Schriftstücke durch die Presse eher veröffentlicht, „als bis dieselben in öffentlicher Verhandlung kundgegeben worden sind oder das Verfahren sein Ende erreicht hat“. 11 vgl. Müller, „Musterentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff .Ersatzorganisation der KPD“', NJ 1958 S. 67? ff. 12 § 100 d des westdeutschen StGB lautet: „(I) Wer in der Absicht, einen Krieg, ein bewaffnetes Unternehmen oder Zwangsmaßregeln gegen die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder herbeizuführen oder zu fördern, zu einer Regierung, einer Partei, einer anderen Ver- einigung oder einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes oder zu einer Person, die für eine solche Regierung, Partei, Vereinigung oder Einrichtung tätig ist, Beziehungen aufnimmt oder unterhält, wird mit Zuchthaus bestraft. (II) Handelt der Täter in der Absicht, sonstige Maßnahmen oder Bestrebungen einer Regierung, einer Partei, einer ande- „Für die innerdeutsche Auseinandersetzung ist § 100 d Abs. 2 StGB wir sollten den Mut haben, das offen auszusprechen nichts anderes als das juristische Instrument der Identitätstheorie, d. h. der von der Bundesregierung vertretenen These, daß es nur einen deutschen Staat gibt, daß sie diesen deutschen Staat repräsentiert und daß alles andere, was außerhalb dieses einen deutschen Staates liegt, Quasi-Ausland ist. § 100 d Abs. 2 kann die juristische Plattform werden, um alle nichtkonformistischen Bemühungen um die Wiedervereinigung, alle Bemühungen jenseits der offiziellen .Politik der Stärke“ zu pönalisieren.“13 Dr. Posser stellte fest, daß der objektive Tatbestand des § 100 d Abs. 2 wertneutral sei, d. h. strafrechtlich irrelevante Handlungen erfasse. Die Beziehungen zu einer Partei, einer Einrichtung, einer Dienststelle außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des westdeutschen Strafgesetzbuchs bedeute noch nichts Strafbares. Den objektiven Tatbestand des § 100 d Abs. 2 erfülle jedoch jeder, der zur SiED oder zum FDGB, aus welchen Gründen es auch immer sei, Beziehungen unterhalte. Ihre strafrechtliche Kennzeichnung erhalte diese Norm ausschließlich durch eine bestimmte Absicht des Täters. Es komme auf die Einstellung, die Gesinnung an14. Diese Feststellungen Dr. Possers entsprechen voll und ganz der Kritik, die bereits vor Jahren von der am 4. Februar 1958 verbotenen „Arbeitsgemeinschaft demokratischer Juisten“ und speziell von Dr. Hans Mertens der hauptsächlich wegen dieser Kritik vom Bundesgerichtshof zu 3V2 Jahren Gefängnis verurteilt wurde erhoben wurde. Ausgangspunkt dieser willkürlichen Konzeption ist die antikommunistische These des imperialistischen Adenauer-Regimes, daß die SED, der FDGB, die FDJ usw. den „Umsturz der in der Bundesrepublik bestehenden politischen Verhältnisse“ anstreben15 *. Nach dem Prinzip der „kollektiven Schuldvermutung“ wird jedem Mitglied dieser Organisationen oder demjenigen, der von Westdeutschland aus zu ihnen Verbindung aufnimmt, eine „staatsgefährdende Absicht“ unterstellt. Seine dem Grundgesetz entsprechenden Handlungen werden verfälscht und zu einer staatsfeindlichen Betätigung gestempelt18. Dr. Posser ging dann auf die Entscheidung des politischen Strafsenats des. Bundesgerichtshofes vom 2. November 1956 gegen Funktionäre der Nationalen Front ein, in der das Gericht die Uferlosigkeit des § 100 d Abs. 2 selbst zugeben mußte, indem es feststellte: „Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß eine dem Wortlaut entsprechende Anwendung der Vorschrift den Täterkreis außerordentlich weit ziehen und ein Verhalten strafrechtlich erfassen würde, das bei aller Anerkennung der Notwendigkeit wirksamen Schutzes der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik kaum noch als strafwürdig bezeichnet werden kann. So wäre z. B. jeder Angehörige der SED schon wegen seiner Mitgliedschaft strafbar, sofern er die Bestrebungen seiner Partei kennt und fördern will, was in der Regel anzunehmen wäre.“17 Sowohl die Worte Dr. Possers als auch das Zitat bestätigen: Die Auslegung und Anwendung des § 100 d Abs. 2 im Sinne der imperialistischen Konzeption die allerdings gegenwärtig auf Grund des Widerstandes der westdeutschen Bevölkerung und vieler Juristen einer gewissen Beschränkung unterworfen ist soll im Zeichen der Atomrüstung die innerdeutschen Beziehungen verschärfen und die antimilitaristischen und verständigungsbereiten Kräfte unterdrücken. ren Vereinigung oder einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes herbeizuführen oder zu fördern, die darauf gerichtet sind, den Bestand (§ 88 Abs. 1) oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben, so ist die Strafe Gefängnis. Der Versuch ist strafbar. (HI) Wer in der Absicht, eine der in Absätzen 1 und 2 bezeichneten Maßnahmen oder Bestrebungen herbeizuführen oder zu fördern, unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, wird mit Gefängnis bestraft. Der Versuch ist strafbar. (IV) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 kann auf lebenslanges Zuchthaus, in besonders schweren Fällen der Absätze 2 und 3 auf Zuchthaus erkannt werden.“ 13 Broschüre, S. 20. 14 Broschüre, S. 20. 15 Urteil des BGH gegen Angenfort und Seiffert vom 4. Juni 1955 StE 1/52 , abgedruckt in „Hochverrat und Staatsgefährdung“, Karlsruhe 1957, S. 112. 16 vgl. Geräts/Kühlig/Müller, a. a. O. 17 BGHSt Bd. 10 S. 46. 208;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 208 (NJ DDR 1959, S. 208) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 208 (NJ DDR 1959, S. 208)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

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