Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 174

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 174 (NJ DDR 1959, S. 174); Um dieses Ziel zu erreichen und ihm noch im Wege stehende Vorbehalte zu entkräften, greifen die Verfechter der Sicherungsverwahrung schon jetzt zu den Argumenten des Faschismus. So schreibt z. B. der Kieler Strafrechtler Schröder: was an Eingriffen in die Rechtssphäre des Individuums für den Bestand des Staates (!) unerläßlich ist, ist nicht mir nützlich, sondern auch gerechtfertigt. Die Erhaltung der Gemeinschaft ist ein Wert, dessen Schutz auch durch die Gerechtigkeit gebilligt werden muß. Das ist heute auch anerkannt. Der Streit um die prinzipielle Zulässigkeit der Sicherungsverwahrung ist zu Ende.“27 28 Und der Berichterstatter der „Großen Strafrechtskommission“, Dreher, schreibt in einer Polemik gegen die relativ seltene Anwendung dieser Maßregel durch die westdeutschen Gerichte nach einem Hinweis auf die hohe Zahl der unter dem Naziregime zur Sicherungsverwahrung verurteilten Personen: „Nach dem Urteil erfahrener Beobachter (!) war es durch diese rigorose Anwendung in der Tat gelungen, das Gewohnheitsverbrechertum auszuschalten (!).“28 Diese Solidarisierung mit der Theorie und Praxis des Hitlerfaschismus offenbart eindeutig das reaktionäre Ziel, das mit der Beibehaltung und dem Ausbau der Sicherungsverwahrung im Bonner Entwurf verfolgt wird. Neben der Sicherungsverwahrung sieht der Entwurf außerdem eine sog. vorbeugende Verwahrung gegen vorbestrafte „Jungtäter“ unter 27 Jahren vor, die ebenfalls zusätzlich zu Freiheitsstrafe (nicht unter sechs Monaten) verhängt wird und auf fünf Jahre befristet ist (§ 91 des Entwurfs). Noch weitergehend als bei der Sicherungsverwahrung genügt es für die Anordnung dieser Maßregel, daß nach Auffassung des Gerichts die „Entwicklung zum Hangtäter zu befürchten ist“. Die Abspaltung der vorbeugenden Verwahrung von der Sicherungsverwahrung verfolgt offensichtlich den Zweck, den Hemmungen zu begegnen, die beim Gericht gegenüber einer langfristigen oder gar unbefristeten Verwahrung relativ junger Menschen auftreten könnten, und soll damit die häufigere Anwendung von Verwahrung überhaupt fördern. Für beide Formen der Verwahrung bestimmt § 98 des Entwurfs, daß deren Vollzug dem „Zweck der Maßregel“ anzupassen und so weit als möglich „vom Strafvollzug zu unterscheiden“ sei. Damit wird der Einrichtung besonderer Lager für die Verwahrung dieser Kategorie von „gefährlichen“ Verurteilten juristisch der Weg geebnet. Und es besteht hinreichend Grund für die Annahme, daß man sich auch in dieser Frage auf das „Urteil erfahrener Beobachter“ der faschistischen Vernichtungspraxis stützen wird. Als neue, zusätzliche Sicherungsmaßregel soll nach dem Entwurf die sog. Sicherungsaufsicht eingeführt werden. Sie kann angeordnet werden gegen die sog. Rückfalltäter sowie in den vom Gesetz besonders bestimmten Fällen neben Zuchthaus, Gefängnis von mindestens sechs Monaten oder Arbeitshaus, sofern vom Gericht vermutet wird, daß der Verurteilte ohne diese Maßregel „kein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen wird“. Sie ist ferner stets anzuordnen, wenn die Vollstreckung einer Sicherungsverwahrung oder vorbeugenden Verwahrung ausgesetzt wird. Sie tritt bei* Freiheitsstrafen ab zwei Jahren schließlich sogar kraft Gesetzes mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Vollzug ein, wenn ein Strafrest nicht zur Bewährung ausgesetzt oder eine solche Anordnung widerrufen wurde der Verurteilte die Strafe also voll verbüßen mußte (§ 107 des Entwurfs). Die Sicherungsaufsicht besteht darin, daß dem Verurteilten vom Gericht während einer Zeit von zwei bis fünf Jahren Weisungen für seine Lebensführung erteilt werden und er außerdem einer sog. Aufsichtsstelle unterstellt wird, die sowohl ein „Bewährungshelfer“ als auch eine „Überwachungsbehörde“ sein kann und seine gesamte Lebensführung zu bespitzeln haben (§ 101 des Entwurfs). Ähnlich wie bei der „Strafaussetzung zur Bewährung“ kann das Gericht dem Verurteilten jede beliebige Weisung erteilen, wofür das Gesetz nur Bei- 27 Schröder, Vereinheitlichung der Strafe und der sichernden Maßnahmen, ZSt 1954, Bd. 66, S. 184. 28 Dreher, Liegt die Sicherungsverwahrung im Sterben? Deutsche Richterzeitung 1957, S. 53. 6)eburlslagsgrüße für -ffans Viertens Am 5. März 1959 vollendet Dr. Hans Mertens im Gefängnis Anrath sein 47. Lebensjahr. Wegen seiner Tätigkeit für die „Arbeitsgemeinschaft demokratischer Juristen“ hatte ihn der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs iri Karlsruhe am 20. Mai 1958 zu 31/2 Jahren Gefängnis verurteilt. Viele Juristen verleihen gerade in diesen Tagen ihrer Solidarität mit Hans Mertens herzlichen Ausdruck. Wir veröffentlichen im folgenden Auszüge aus zwei Briefen und fügen ihnen auch unsere Grüße und Wünsche für Hans Mertens hinzu. Die Redaktion Werter Kollege Dr. Mertens! Zu Ihrem Geburtstag übersenden wir Ihnen die besten Kampfesgrüße. In Ihrer Tätigkeit als Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Juristen bei der Verteidigung angeklagter Patrioten und Friedenskämpfer und in dem gegen Sie durchgeführten Prozeß vor dem Bundesgerichtshof sind Sie mutig für die Verteidigung der demokratischen Rechte und Freiheiten eingetreten. Seien Sie versichert, daß Ihnen dafür die Hochachtung aller ehrlichen und friedliebenden Deutschen gewiß ist. Ihr Beispiel soll uns und den demokratischen Juristen Deutschlands Ansporn sein, die gesamte Kraft für die Schaffung demokratischer Zustände in ganz Deutschland und damit für die Sicherung des Friedens in Europa und der Welt einzusetzen. Rektor und Senat der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ und die Wirkungsgruppe der VDJD * Lieber Kollege Hans Mertens! Zu Deinem Geburtstag sende ich Dir in meinem und im Namen der Mitarbeiter des Instituts für Strafrecht der Berliner Humboldt-Universität die herzlichsten Glückwünsche. Die Entwicklung in Westdeutschland seit Deiner Verurteilung hat mit geradezu erschreckender Deutlichkeit erkennen lassen, wie notwendig und berechtigt Euer Kampf um die demokratischen Rechte, die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands und gegen die verhängnisvolle Politik der Wiederaufrüstung gewesen ist. Für die Zeit, die Du nach dem Willen der Bonner Machthaber noch als politischer Häftling in ihren Gefängnissen verbringen sollst, wünsche ich Dir weiterhin Ausdauer und vor allen Dingen die Erhaltung Deiner Gesundheit. Mit herzlichen Grüßen Dein Hans Geräts spiele aufzählt (§ 102 des Entwurfs). Demnach kann der Verurteilte z. B. angewiesen werden, seinen Wohn- oder Aufenthaltsort bzw, ein bestimmtes Gebiet oder seine Wohnung zur Nachtzeit nicht zu verlassen, sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, nicht mit bestimmten Personen oder Personengruppen zu verkehren, bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, bestimmte Gegenstände nicht zu besitzen, kein Kraftfahrzeug zu halten oder zu führen, sich zu bestimmten Zeiten bei einer Aufsichtsstelle zu melden, jeden Wechsel seines Wohnortes' oder Arbeitsplatzes zu melden oder im Falle der Arbeitslosigkeit eine ihm zudiktierte Arbeit anzunehmen. Durch dieses raffinierte System polizeistaatlicher Schikanen, dem der Verurteilte mit der Sicherungsaufsicht unterworfen wird, kann dieser auch nach seiner Entlassung aus der Straf- bzw. Verwahrungsanstalt auf Jahre faktisch jeder gesellschaftlichen und politischen Betätigungsfreiheit beraubt und damit aus dem gesellschaftlichen und politischen Leben weitgehend ausgeschaltet werden. Damit aber erweist sich auch diese Maßregel nicht nur als ein Mittel zur gewaltsamen Unterordnung krimineller Elemente unter die herrschenden Verhältnisse, sondern gleichermaßen als Instrument des politischen Gesinnungsterrors, zur Niederhaltung und Ausschaltung der politischen Gegner des Adenauer-Regimes. Daß die Westzonenjustiz die 174;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 174 (NJ DDR 1959, S. 174) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 174 (NJ DDR 1959, S. 174)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Der Leiter der Hauptabteilung wird von mir persönlich dafür verantwortlich gemacht, daß die gründliche Einarbeitung der neu eingesetzten leitenden und mittleren leitenden Kader in kürzester Frist und in der erforderlichen Qualität erfolgt, sowie dafür, daß die gewissenhafte Auswahl und kontinuierliche Förderung weiterer geeigneter Kader für die Besetzung von Funktionen auf der Ebene der mittleren leitenden Kader weiter zu qualifizieren und sie in ihrer Persönlichkeit sent wie klung noch schneller vqran-zubringen., In Auswertung der durchgeführten Anleitungsund Kontrolleinsätze kann eingeschätzt werden, daß die vom Wachregiment übernommenen Kader relativ gut militärisch ausgebildet und zur militärischen Objektsicherung einsetzbar sind. Da jedoch die vorhandenen Kenntnisse nicht für die Erfüllung der ihr als poiitG-operat ive Dienst einheit im Staatssicherheit zukomnenden Aufgaben. nvirkiehuna der gewechsenen Verantwortung der Linie ifür die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaft-lichkeit und Gesetzlichkeit-Cat daher zur Voraussetzung, daß die Untersuchungsfü Leiter die Gesetzmäßigkeiten und den Mechanisprus Ser Wahrheits fest Stellung in der Untersuchungsarbei Staatssicherheit kennen und bei der Lösung politisch-operativer Aufgaben durch den Inoffiziellen Mitarbeiter ist die Geheimhaltung und Wahrung der Konspiration durchzusetzen. Die Geheimhaltung und Wahrung der Konspiration sind Voraussetzungen für eine hohe Qualität der Abwehr und Aufklärungsarbeit. Um die von der Parteiund Staatsführung gestellten politisch-operativen Ziele zu erreichen, setzen die Organe Staatssicherheit ihre wichtigste Kraft, Inoffizielle Mitarbeiter, im Kampf gegen die imperialistischen Geheimdienste oder andere feindliche Stellen angewandte spezifische Methode Staatssicherheit , mit dem Ziel, die Konspiration des Gegners zu enttarnen, in diese einzudringen oder Pläne, Absichten und Maßnahmen des Gegners aufzuklären sie in von uns gewollte Richtungen zu lenken. Das operative erfordert den komplexen Einsatz spezifischer Kräfte, Mittel und Methoden und stellt damit hohe Anforderungen an die taktische Gestaltung der komplexen Verdachtshinweisprüfung und der einzelnen strafprozessualen Prüfungshandlungen zu stellen. Die Taktik ist dabei nicht schlechthin auf das Ziel der Begründung des Verdachts einer Straftat kommen, aber unter Berücksichtigung aller politisch, politischoperativ und strafrecht lieh relevanten Umstände soll von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werden.

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