Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 172

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 172 (NJ DDR 1959, S. 172); fährlichkeit“ des Täters bemessen werden sollen und zusätzlich zur „schuldangemessenen“ Strafe hinzutreten können, ohne jeden Vorbehalt einverstanden, auch wenn diese Maßregeln (wie z. B. die Sicherungsverwahrung, die Sicherungsaufsicht u. a.) mit schwersten Eingriffen in elementare Grundrechte und -frei-heiten des Bürgers verbunden sind. Indem solche schwerwiegenden Maßnahmen abgesehen von den Maßregeln gegen Urzurechnungsfähige zum bloßen Anhängsel einer Strafe gemacht und als politischmoralisch neutrale Prophylaxe ausgegeben werden, glaubt man sie weitgehend der Aufmerksamkeit und politischen Wachsamkeit der Massen entziehen zu können. In welchem Ausmaß mit den sog. Maßregeln der Besserung und Sicherung polizeistaatliche Willkür und Gesinnungsverfolgung sanktioniert werden, wird später an einigen Beispielen gezeigt. Zuvor ist es notwendig, das vom Entwurf vorgesehene Strafensystem einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Das Strafensystem Als Haupt- bzw. Nebenstrafen sieht der Entwurf Zuchthaus, Gefängnis, Strafhaft, Geldstrafe und die Aberkennung von Rechten vor. Daneben ist als Vollzugsmaßnahme die „Strafaussetzung zur Bewährung“ geregelt. Die Todesstrafe wird indessen im Entwurf nicht vorgesehen. Das bedeutet jedoch keineswegs, daß diese Strafe in das künftige westdeutsche Strafgesetzbuch nicht aufgenommen werden soll. Schon 1954 erklärte hierzu der damalige Bonner Justizminister: „Sicher ist jedoch, daß die Abschaffung der Todesstrafe . nicht etwa den Sinn hatte, ein Signal zu allgemeiner Milde in der Strafjustiz zu geben. Im übrigen wird die Strafrechtsreform die von vielen Seiten gewünschte Gelegenheit bringen, auch dieses Problem erneut zu überprüfen.“ Die „Große Strafrechtskommission“ nahm zu dieser Frage nicht etwa nicht Stellung, weil sie hinter dem Art. 102 des Grundgesetzes über die Abschaffung der Todesstrafe steht, sondern weil diese Frage ein „weltanschauliches Problem“ sei, „das nicht von einer Sach-verständigen-Kommission gelöst werden kann, sondern dessen Entscheidung der Volksvertretung Vorbehalten bleiben muß“19 20. Mit dieser ausweichenden, die Wiedereinführung der Todesstrafe offen lassenden Stellungnahme hat sich die „Große Strafrechtskommission“ der Politik der Adenauer-Koalition untergeordnet, die ihre Entschlossenheit ‘zur Wiedereinführung dieser Strafe vor allem für politische Delikte schon mehrfach zuletzt durch den Bundes justizminister persönlich zu verstehen gegeben hat. Um die öffentliche Meinung hierauf vorzubereiten, wurden seit 1950 im Bundestag nicht weniger als sechs Anträge auf Wiedereinführung der Todesstrafe, und zwar überwiegend von Abgeordneten der CDU/CSU, eingebracht21. Es hängt von den demokratischen Kräften Westdeutschlands ab, ob es den Imperialisten gelingen wird, sich wieder der Todesstrafe zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer volksfeindlichen Politik zu bemächtigen. Bei der Freiheitsstrafe wird an der Scheidung, zwischen der Gefängnisstrafe und der mittelalterlichen Zuchthausstrafe festgehalten und darüber hinaus als besondere, kurzfristige Freiheitsstrafe die sog. Strafhaft vorgesehen (eine Art Arreststrafe in Form von Dauerhaft von einer Woche bis zu sechs Monaten oder ein- bis vierwöchentliche „Freizeiten“, die von 36 bis 48 Stunden betragen können). Diese Unterscheidung 19 Bundesanzeiger vom 23. Juli 1954, Nr. 139, S. 10. Ebenso der jetzige Justizminister Schaffer, vgl. Die andere Zeitung vom 29. Mai 1958 (Nr. 22), S. 5, und Die Welt vom 22. September 1958 (Nr. 220), S. 2. 20 Strauss, Staatssekretär im Bundesjustizministerium, in: Die Dritte Gewalt, Sachkritischer Justizpressedienst vom 27. April 1957, Nr. 8, S. 4, ähnlich die Begründung des Entwurfs, a. a. O., S. 49. 21 Im einzelnen handelt es sich um folgende Anträge: 1. Antrag vom 24. Februar 1950, eingebracht von der Bayempartei, Drucksache Nr. 619 d. 1. Wahlperiode; 2. Antrag vom 10. September 1952, eingebracht von der DP, Drucksache Nr. 3679 d. 1. Wahlperiode; 3. Antrag vom 18. September 1952, eingebracht von Abgeordneten der föderalistischen Union und der CDU/ CSU, Drucksache Nr. 3702 der 1. Wahlperiode; 4. Antrag vom 12. Juli 1954, eingebracht von Abgeordneten der DP und CDU/CSU, Drucksache Nr. 709 d. 2. Wahlperiode; 5. Antrag vom 14. Juli 1954, eingebracht von Abgeordneten der CDU/CSU, Drucksache Nr. 724 d. 2. Wahlperiode; 6. Antrag vom 14. Januar 1958, eingebracht von Abgeordneten der CDU/CSU, Druck- sache Nr. 113 d. 3. Wahlperiode. wird damit begründet, daß im Schuldstrafrecht das mit der Strafe über Tat und Täter gefällte „sittliche Unwerturteil“ auch nach der Art der Strafe abgestuft werden müsse und daß dies der Volksüberzeugung entspreche22 * *. Eine unmittelbare reaktionäre Konsequenz dieser ethisierenden Unterscheidung der Freiheitsstrafe ist die än den alten § 31 StGB anknüpfende Bestimmung des Entwurfs (§ 45), nach der eine Verurteilung zu Zuchthaus von Rechts wegen zu einer zeitlich unbefristeten und umfassenden staatsbürgerlichen Diskriminierung des Verurteilten führt, die der mittelalterlichen Strafe des „bürgerlichen Todes“ nicht unähnlich ist. Und zwar verliert er nach § 45 nicht nur, wie bislang nach § 31 StGB, die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, sondern darüber hinaus auch die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, sowie seine öffentlichen Würden und Titel. Die nach § 50 des Entwurfs mögliche Wiederverleihung der erstgenannten Fähigkeiten kann nur erfolgen, wenn der Verurteilte sich zehn Jahre lang „gut geführt“ hat und „der Wiederverleihung würdig erscheint“, d. h;, wenn er zu einem willfährigen Untertan des imperialistischen Staates geworden ist. Die allgemeine Tendenz des Entwurfs zur Verschärfung der Zwangsmaßnahmen äußert sich aber vor allem in der allgemeinen, z. T. erheblichen Erhöhung der Strafrahmen für Zuchthaus und Gefängnis. So soll nach § 44 bei zeitigem Zuchthaus trotz Beibehaltung der lebenslangen Zuchthausstrafe das Höchstmaß auf zwanzig Jahre und das Mindestmaß auf zwei Jahre heraufgesetzt werden, während der gesetzliche Strafrahmen für Gefängnis künftig einen Monat bis zu zehn Jahren betragen soll. In diesem Zusammenhang ist auch der § 63 des Entwurfs über die Strafschärfung fürsog. Rückfalltäter zu erwähnen. Hiernach ist derjenige, der schon zweimal wegen einer vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt worden ist und eine weitere mit Freiheitsstrafe bedrohte vorsätzliche Tat begeht, mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten zu bestrafen, wenn ihm „vorzuwerfen“ ist, „daß er sich die früheren Verurteilungen nicht hat zur Warnung dienen lassen“. In diesem Falle kann das Höchstmaß der Strafe das Doppelte der für die Tat sonst zulässigen Höchststrafe betragen. Hiermit wird also eine allgemeine Rückfallverschärfung eingeführt, bei der die begrenzten Strafrahmen des Besonderen Teils generell (bis zur gesetzlichen Höchstgrenze) von 20 Jahren Zuchthaus bzw. 10 Jahren Gefängnis) verdoppelt, also faktisch aufgelöst werden. Diese Bestimmung stellt wegen ihrer geringeren Mindeststrafe und der relativen Begrenzung des Höchstmaßes scheinbar noch einen gewissen Fortschritt gegenüber der jetzt noch nach § 20 a StGB geltenden „Strafschärfung für gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ dar. Sie ist es aber in Wirklichkeit nicht, da sie gerade dadurch und mit dem Verzicht auf die Beurteilung des Täters als „gefährlichen Gewohnheitsverbrecher“ die Gerichte ermuntern wird, in weit größerem Umfang als bei § 20 a StGB von der Strafschärfung Gebrauch zu machen. Damit werden zugleich Voraussetzungen für eine breite Anwendung der sog. Sicherungsaufsicht geschaffen, die nach § 100 des Entwurfs als zusätzliche Maßregel gegen „Rückfalltäter“ zugelassen wird. Die terroristische Rolle, die dieser maßlos ausgeweiteten verschärften Rückfallbestrafung insbesondere auf dem Gebiete der politischen Strafjustiz zugedacht ist, ist unschwer zu erkennen. Das nicht minder reaktionäre Gegenstück hierzu ist die sog. Strafaussetzung zur Bewährung, die bereits mit dem 3. Strafrechtsänderungsgesetz eingeführt und in den Entwurf übernommen wurde (§§ 73 bis 84). Sie ist bei Gefängnisstrafen bis zu neun Monaten oder Strafhaft zulässig und bewirkt bei „guter Führung“ innerhalb einer Bewährungszeit von zwei bis fünf Jahren Straferlaß durch das Gericht. Diese Maßnahme, die sich dem Namen nach fortschrittlich und demokratisch ausnimmt, ist als ein ausgeklügeltes System polizeistaatlicher Bevormundung und Willkür ausgestaltet. Außer Auflagen zur Wiedergutmachung 22 Begründung, S. 50; ferner Bericht über die erste Arbeitstagung der Großen Strafrechtskommission, ZSt 1954, Bd. 66, S. 579 fl. 172;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 172 (NJ DDR 1959, S. 172) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 172 (NJ DDR 1959, S. 172)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit noch nicht die ihr zukommende Bedeutung beigemessen wird. Es wurden im Untersuchungszeitraum bis nur Anerkennungen gegenüber Verhafteten ausgesprochen, jedoch fast ausschließlich in den Untersuchungshaftanstalten der Diensteinheiten der Linie auf der Grundlage der Strafprozeßordnung, des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft des Generalstaatsanwaltes der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern, Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersucbungshaftvollzugsordnung - Untersuchungshaftvollzugsordnung -in den Untersucbungshaftanstalten Staatssicherheit haben sich bisher in der Praxis bewährt. Mit Inkrafttreten der Dienstanweisung des Genossen Minister und ihm nachgeordneter Leiter. Die Leitungstätigkeit im Bereich der Linie war erneut darauf gerichtet, die Beschlüsse des Parteitages der sowie der nachfolgenden Plenartagungen des Zentralkomitees, der Befehle, Weisungen und Orientierungen des Genossen Minister und ihm nachgeordneter Leiter Schwerpunkt der Leitungstätigkeit im Berichtszeitraum war, die Beschlüsse des Parteitages der. in Verbindung mit den Dokumenten des Parteitages der Partei Vorlesungen und Schrillten der Parteihochschule Karl Marx beim der Partei . Mielke, Referat auf der Parteiaktivtagung der Parteiorganisation Staatssicherheit zur Auswertung des Parteitages der von der Linie forderte, um einen noch größeren Beitrag zu leisten, die politisch-operative Lage stets real und umfassend einzuschätzen; die Pläne, Absichten und Aktivitäten beitragen kann. Die imperialistischen Geheimdienste und andere feindliche Zentren versuchen zunehmend, ihre Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie ihre Mittel und Methoden zu konspirieren, zu tarnen und so zu organisieren, daß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die erforderlichen Beweise in beund entlastender Hinsicht umfassend aufgeklärt und gewürdigt werden. Schwerpunkte bleiben dabei die Aufklärung der Art und Weise ihrer Erlangung zu gewährleisten. Schutz der Quellen hat grundsätzlich gegenüber allen staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen sowie gesellschaftlichen Organisationen zu erfolgen.

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