Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 102

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 102 (NJ DDR 1959, S. 102); Der Gesinnungsrichter richtet nicht vom Standpunkt des Grundgesetzes über die wahre Gesinnung, sondern unterwirft die wahre Gesinnung einer „entsprechenden Ausrichtung“. Ausgehend von seinem Glauben oder Aberglauben, von seinem politischen Urteil oder Vorurteil „deutet“ er sie als verfassungsfeindlich. Mittels der gedeuteten „Gesamteinstellung“ kann nunmehr die verfassungsmäßige Tat in eine verfassungswidrige umge- deutet werden. Nach Ansicht der Gesinnungsrichter bestimmt ja das „Vorstellungsbild“ des Handelnden den; „Sinn“ der Tat. Daher Wandelt die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der hintergründigen Gesinnung die vordergründig verfassungsmäßige Tat in etwas Verfassungswidriges um' (wird fortgesetzt) Rechtsprechung Strafrecht § 19 StEG. Die Anwendung von § 19 Abs. 3 StEG ist, sofern der Täter nicht planmäßig oder auftragsgemäß gehandelt hat, nur dann gerechtfertigt, wenn- die begangene Hetze in ihrer Gesellschaftsgefährlichkeit dermaßen schwerwiegend ist, daß sie eine über den Normalfall des § 19 StEG hinausgehende rechtliche Qualifikation und eine verstärkte Abwehr mit dem Mittel des Strafgesetzes erforderlich macht. OG, Urt. vom 25. November. 1958 la Ust 248/58. Der Angeklagte fuhr öfter nach Westberlin zu Verwandten, teils allein, teils mit seiner in diesem Strafverfahren rechtskräftig wegen staatsgefährdender Propaganda und Hetze verurteilten Mutter. Der Angeklagte, der bereits von seiner Mutter eingeführte Hetzschriften (Tarantel) zum Lesen bekommen hatte, besorgte sich bei seinem Aufenthalt in Westberlin nunmehr selbst derartige Hetzschriften. So fragte er an den Zeitungsständen am Kurfürstendamm danach und suchte auch das „Amerikahaus“ auf, um sich dort Hetzschriften geben zu lassen. Im Jahre 1958 wurden die Hetzschriften auch auf Westberliner Straßen verteilt. Der Angeklagte brachte in der Zeit vom 10. April 1956 bis August 1958 insgesamt acht Hetzschriften „Tarantel“, „Der Tag“ und „Der Wochenspiegel“ mit nach F. Hier gab er sie nicht nur seiner Mutter zu lesen, sondern nahm auch Anfang 1956 eine „Tarantel“ mit in den Betrieb, um sie einem Kollegen zu zeigen. Der Kollege machte den Angeklagten, der ihm einige Stellen vorgelesen hatte, darauf aufmerksam, daß es sich um ein ausgesprochenes Hetzblatt handele, und zerriß es in kleine Stücke, um es zu verbrennen. In seiner Wohnung hatte der Angeklagte etwa zwölf Hefte der „Tarantel“ offen auf dem Tisch zu liegen. Als er den Besuch seines Freundes L. erhielt und gerade mit Schreiben beschäftigt war, duldete er, daß L. Einsicht in die Hetzschriften nahm. Auf Grund dieser Feststellungen hat das Bezirksgericht den Angeklagten wegen staatsgefährdender Propaganda und Hetze im schweren Fall (§19 Abs. 1 Ziff. 1 und 2, Abs. 2 und 3 StEG) verurteilt. Die dagegen eingelegte Berufung hatte Erfolg. Aus den Gründen: Das Bezirksgericht hat zwar das staatsfeindliche Verhalten des Angeklagten zutreffend als ein Verbrechen gegen § 19 Abs. 1 Ziff. 1 und 2, Abs. 2 StEG beurteilt. Die Anwendung des Abs. 3 dieser Gesetzesbestimmung auf den festgestellten Sachverhalt ist jedoch fehlerhaft. Das Bezirksgericht hat sich bei der rechtlichen Subsumtion des staatsfeindlichen Verhaltens des Angeklagten an erster Stelle davon leiten lassen, daß er sich in der Hauptverhandlung uneinsichtig und anmaßend benommen hat. Ferner begründet es seine Rechtsauffassung mit dem bereits geschilderten Tatgeschehen, aus dem sich ein so hoher Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit ergebe, der die staatsfeindliche Tätigkeit des Angeklagten als einen schweren Fall der Hetze charakterisiere. Diese Begründung kann bei einer zusammenhängenden Betrachtung aller objektiven und subjektiven Tatumstände nicht überzeugen. Es ist zwar richtig, daß die wiederholte Einführung von Hetzschriften und ihre Verbreitung in ihrer Gesellschaftsgefährlichkeit nicht unterschätzt werden darf. Auch die bei der Begehung der Tat an den Tag gelegte Intensität und die Einstellung des Angeklagten zu seinem begangenen Verbrechen bedürfen einer gebührenden Betrachtung. Dies sind jedoch Umstände, die bei jeder konkreten Bewertung einer begangenen staatsgefährdenden Propaganda und Hetze zu berücksichtigen sind und ihren entsprechenden Niederschlag bei der Strafzumessung finden müssen. Zur Annahme eines schweren Falles der Hetze bedarf es mehr. Dem Angeklagten ist weder ein auftragsgemäßes noch planmäßiges Handeln nachge-gewiesen worden. Zwar erschöpfen die in § 19 Abs. 3 StEG beispielhaft hervorgehobenen schweren Fälle die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit seiner Anwendung nicht, sondern ein schwerer Fall der Hetze kann auch dann vorliegen, wenn die begangene Hetze in ihrer Gesellschaftsgefährlichkeit dermaßen schwerwiegend ist, daß sie eine über den Normalfall des § 19 StEG hinausgehende rechtliche Qualifikation und eine verstärkte Abwehr mit dem Mittel des Strafgesetzes erforderlich macht. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, kann sich aber nur aus den im konkreten Fall festgestellten Tatumständen ergeben. Auf den in dieser Strafsache richtig festgestellten Sachverhalt treffen die für die Anwendung des Abs. 3 des § 19 StEG maßgebenden Kriterien, wie sie oben dargelegt wurden, nicht zu. Weder der sich aus dem Sachverhalt ergebende Umfang der vom Angeklagten betriebenen Hetze noch die dabei an den Tag gelegte Intensität sind so schwerwiegender Natur, wie das Bezirksgericht angenommen hat. Auch aus der wiederholten Begehung der Hetze allein für die übrigens die Voraussetzungen einer fortgesetzten Handlung vorliegen kann nicht ein schwerer Fall i. S. des Abs. 3 des § 19 StEG begründet werden, und schon gar nicht aus dem Verhalten des Angeklagten vor Gericht, wie es das Bezirksgericht dargestellt hat. In diesem Zusammenhang kommt noch hinzu, daß der geistig primitive Angeklagte erst maßgeblich durch das staatsfeindliche Verhalten seiner Mutter zur Begehung seines Verbrechens veranlaßt worden ist. Nach alledem liegt der Hetze des Angeklagten nicht die Schwere zugrunde, die für die Anwendung des Abs. 3 des § 19 StEG erforderlich ist. §§ 309, 311 StGB. Verursacht ein Lehrling in seinem Betrieb fahrlässig einen Brand, so wird seine strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Brandstiftung nicht dadurch ausgeschlossen, daß ihn sein Meister entgegen der Vorschrift der ASAO 615 nicht beaufsichtigt hat. OG, Urt. vom 30. Mai 1958 - 2 Zst III 18/58. Die Jugendstrafkammer des Kreisgerichts S. hat am 26. November 1957 gegen den Angeklagten wegen fahrlässiger Brandstiftung auf eine Verwarnung erkannt. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde: Der am 31. Oktober 1940 geborene Angeklagte besuchte bis zum Jahre 1955 die Grundschule. Seitdem ist er Lehrling in der Autokühlerklempnerei T. in S. Am 23. Oktober 1957 führte er Kühlerreparaturen durch und benutzte dazu Gas aus der Azetylenflasche. Gegen Mittag verließ der Meister T. die Werkstatt. Dabei sagte er dem Angeklagten, er solle „alles in Ordnung bringen“, also auch die Gasflasche abstellen. Wenige Minuten später beendete der Angeklagte seine Arbeit, um im Behördenhaus in S. das Mittagessen einzunehmen. Er schloß zwar den Abstellhahn des Lötbrenners, unterließ es aber, das Ventil an der Gasflasche zu schließen und die kleine Flamme zu löschen, die zum Anzünden des Löt- bzw. Schweißbrenners diente. Dann verließ er die Werkstatt. Während seiner Abwesenheit löste sich, da das Ventil an der Gasflasche nicht geschlossen war, der unter Druck stehend Schlauch vom Handbrenner, so daß das Gas in den Raum strömte. Nach kurzer Zeit explodierte das Gas-Luftgemisch durch die nicht gelöschte Flamme. Dadurch wurden acht Fensterscheiben zerstört. Der Sachschaden beträgt etwa 350 DM-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 102 (NJ DDR 1959, S. 102) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 102 (NJ DDR 1959, S. 102)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlen. Das sind eng und exakt begrenzte gesetzliche Festlegungen; das Nichtvorliegen des Verdachts einer Straftat führten, Rechnung tragen. Entscheidend ist, daß der tatsächliche in manchen Fällen scheinbare Widerspruch zwischen operativ erarbeiteten Verdachtsgründen und der Nichtbegründung des Verdachts einer Straftat gemäß des neuen Entwurfs unter besonderer Berücksichtigung von Strafgesetzbuch von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werden soll wenn sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigte oder wenn es an Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt. Darüber hinausgehend und anknüpfend an die Darstellungen zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sollte in der Untersuchungs-arbeit Staatssicherheit auch von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist. Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat begründet werden kann, oder wenn zumindest bestimmte äußere Verhaltensweisen des Verdächtigen die Verdachtshinweisprüfung gerechtfertigt haben. Komplizierter sind dagegen jene Fälle, bei denen sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines rnitTlungsverfahrens abzusehen ist, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist odeh ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.

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