Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 10

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 10 (NJ DDR 1959, S. 10); der formalen Übereinstimmung einer Handlung mit dem Wortlaut des § 19 StEG ein solches Gewicht der Tat, das geeignet ist, staatsgefährdende Auswirkungen hervorzurufen. Hinsichtlich der letztgenannten Bedingung kann das Gesetz den Mitarbeitern der Untersuchungsorgane, den Staatsanwälten und Richtern keine für jeden Fall gültige Anleitung geben, sondern in dieser entscheidenden Frage kommt es auf das Höchstmaß an politischer Klarheit an, das diese Staatsfunktionäre haben müssen, um entscheiden zu können, wo der staatliche Zwang mit Hilfe des Strafgesetzes beginnen muß und wie die Tat, wenn sie die Strafverfolgung verlangt, juristisch zu charakterisieren ist. Diese Grundsätze hat das OG schon vor längerer Zeit in einigen Urteilen herausgearbeitet. Das erste dieser Urteile la Zst 10/58 ist bereits am 18. Juli 1958 ergangen. Es handelt sich dabei um folgenden Sachverhalt: In einer Ortschaft waren wegen einer Großübung der Feuerwehr Schlauchbrücken über die Straße gelegt. Ein Volkspolizist mußte alle Kraftfahrzeuge anhalten, um die Fahrer auf die Schlauchbrücken aufmerksam zu machen. Dies geschah auch mit dem Fahrzeug, in dem der erheblich angetrunkene Angeklagte eingeschlafen neben dem Fahrer saß. Durch das Bremsen des Fahrzeuges schlug der Angeklagte mit dem Kopf gegen die Scheibe und erwachte. In seinem Zorn verließ er den Wagen und begann den Volkspolizisten zu beschimpfen. Er äußerte: „Du Rindvieh, wie kommst Du dazu, die Straße zu sperren, Du bist ja gar kein richtiger Polizist, Du bist wohl auch noch einer von den alten Nazis“. Er wollte sich nicht von der Straße bringen lassen, gebrauchte weitere Schimpfworte und ließ sich auf die Erde fallen. Die beiden mit der Sache befaßten Instanzgerichte hatten den Angeklagten zweifellos unrichtig wegen Beleidigung (§ 185 StGB) verurteilt. Der Generalstaatsanwalt hatte die Kassation dieser Urteile mit dem Ziel beantragt, den Angeklagten wegen staatsgefährdender Hetze zu verurteilen. Das OG ist der Rechtsansicht des Generalstaatsanwalts nicht gefolgt. Es hat den Standpunkt vertreten, daß die teils aus unflätigen Schimpfworten, teils aus abwegigen Verleumdungen bestehenden Kundgebungen des Angeklagten im Zusammenhang mit der für jedermann eindeutig erkennbaren Situation, daß sich ein unter Alkoholeinfluß stehender Mensch gänzlich unberechtigt über notwendige Maßnahmen eines Volkspolizisten empörte, objektiv nicht dazu angetan waren, die anwesenden Bürger im staatsfeindlichen Sinne zu beeinflussen, etwa daß sie in Gestalt des beschimpften Volkspolizisten gegen die Volkspolizei als staatliche Einrichtung verhetzt und aufgewiegelt werden konnten. Auch in der Entscheidung lb Ust 155/58 (NJ 1958 S. 717) ist ausgesprochen worden, daß bei der Beurteilung, ob eine Äußerung Hetze i. S. des § 19 StEG ist, nicht allein von ihrem Wortlaut ausgegangen werden kann, sondern entscheidend die äußeren und inneren Umstände sind, unter denen die Äußerung gemacht wurde und die Aufschluß darüber geben, ob damit andere Bürger gegen die DDR aufgewiegelt werden sollten. Auf diese Erfordernisse ist mit dem Urteil lb Ust 159/58 (NJ 1958 S. 753) erneut hingewiesen und dabei noch hervorgehoben worden, daß auch der Normalfall der staatsgefährdenden Hetze, wie er in § 19 Abs. 1 und 2 StEG beschrieben ist, objektiv nur solche Handlungen erfaßt, die in ihrem Charakter und in ihrer Schwere geeignet sind, staatsgefährdende Auswirkungen hervorzurufen. In dieser Entscheidung wurde erstmalig auch konkret das Objekt der nach § 19 StEG strafbaren Handlungen wie folgt umschrieben: Die staatsgefährdende Propaganda und Hetze ist ein Staatsverbrechen, das seinen Strafgrund in der notwendigen Abwehr von verbrecherischen Angriffen auf die politisch-ideologischen Grundlagen unserer Staatsmacht findet, wenn diese mit den in § 19 StEG bezeichneten Mitteln und Methoden verübt werden. Das entscheidende Kriterium der staatsgefährdenden Propaganda und Hetze besteht in der Gefährdung unserer auf der Macht der Arbeiterklasse im Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft und der fortschrittlichen Intelligenz beruhenden volksdemokratischen Staatsordnung durch Kundgebungen in Wort, Schrift und Tat, die geeignet sind, andere Bürger im staatsfeindlichen Sinne zu mobilisieren, sie gegen Einrichtungen, Institutionen, politische Organisationen oder gegen Vertreter des staatlichen und politischen Lebens aufzuwiegeln oder sie möglicherweise sogar zu feindseligen Aktionen zu bewegen bzw. sie in ihrer progressiven ideologischen Einstellung durch Einschüchterung schwankend zu machen oder ganz davon abzudrängen. Zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 StEG hat das OG eine größere Zahl von Entscheidungen getroffen, deren wichtigste auch veröffentlicht worden sind. So mußte z. B. mehrfach das Argument widerlegt werden, daß die Tat deshalb keine Hetze sein könne, weil sie gegenüber einer Person mit derart fester fortschrittlicher Einstellung verübt worden sei, daß hetzerische Auswirkungen nicht entstehen konnten. Hierzu ist in der Entscheidung 3 Zst III 34/58 (NJ 1958 S. 540) zutreffend festgestellt worden, daß auch die gegen staatsbewußte Bürger gerichtete politische Provokation in Wort und Tat den Tatbestand des § 19 StEG erfüllt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang das Urteil lb Zst 29/58 (NJ 1958 S. 789), in dem der Standpunkt vertreten wird, daß bei der tätlichen Zurückweisung einer politischen Provokation, die auch nicht als straflose Überschreitung der Notwehr angesehen werden kann, zu prüfen ist, ob mangels Gesellschaftsgefährlichkeit die strafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 8 StEG ausgeschlossen ist. Zu § 19 Abs, 1 Ziff. 1 StEG ist besonders das Urteil lb Zst 18/58 (NJ 1958 S. 574) hervorzuheben, wonach der unter Mißachtung aller Belehrungen wiederholte Gebrauch des faschistischen Grußes in öffentlichen Lokalen als eine mit dem Mittel der faschistischen Propaganda begangene Provokation zu beurteilen ist. Zum Begriff „Tätlichkeiten“ im Sinne von § 19 Abs. 1 Ziff. 2 StEG wird in der Entscheidung lb Ust 28/58 (NJ 1958 S. 391) dargelegt, daß dieser Begriff nicht jede Körperverletzung einschließt. Nehmen die Körperverletzungen gefährlichere Formen an oder sind sie schwerer Natur, so ist Tateinheit zwischen staatsgefährdender Hetze und Körperverletzung gegeben. Mit der Entscheidung lb Ust 27/57 (NJ 1958 S. 492) wurde der Begriff „Schriften“ im Sinne von § 19 Abs. 2 StEG als für das Auge sichtbare, für einen unbestimmten oder größeren Personenkreis geeignete oder bestimmte staatsgefährdende propagandistische oder hetzerische Äußerungen definiert. Die. Art und die Methode ihrer Herstellung sind für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Das Urteil la Ust 85/58 (NJ 1958 S. 717) enthält Ausführungen, daß das Ziel der Hetze, wie es vom Tatbestand des § 19 Abs. 2 StEG verlangt wird, eine konkrete Zielsetzung des Täters in der Richtung erfordert, mit der Einfuhr von Schriften hetzerischen Inhalts andere Bürger gegen die volksdemokratische Ordnung unseres Staates im feindlichen oder zumindest ablehnenden Sinne aufzuwiegeln. Zu § 19 Abs. 3 StEG ist zu beachten, daß es sich hierbei nicht um einen selbständigen Tatbestand handelt; die Prüfung eines schweren Falles kann deshalb erst vorgenommen werden, wenn die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung nach § 19 Abs. 1 oder 2 StEG festgestellt worden ist (Urteil lb Ust 39/58). Irrig ist die von einem Bezirksgericht vertretene Ansicht, daß derjenige, der Hetzmeldungen westlicher Rundfunkstationen verbreitet, im Auftrag der in § 14 StEG genannten Stellen handele, da gerichtsbekannt sei, daß diese Sendungen mit Aufforderungen verbunden seien, die betreffenden Nachrichten noch weiteren Personen zu übermitteln. Das OG ist dieser Rechtsansicht mit dem Hinweis entgegengetreten, daß unter dem auftragsgemäßen Handeln im Sinne von § 19 Abs. 3 StEG grundsätzlich ein konkretes Auftragsver-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 10 (NJ DDR 1959, S. 10) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 10 (NJ DDR 1959, S. 10)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stellender Personen gernäfpmeiner Richtlinie ; Dadurch erreichen:. Erarbeiten operativ bedeutsamer Informationen und Beweise zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen sowie zur allseitigen latbestandsbezogenen Aufklärung der Täterpersönlichkeit mit dem Ziel des Verlas-sens des Staatsgebietes der sowie des ungesetz liehen Verlassens durch Zivilangesteilte. Die Diensteinheiten der Linie haben in eigener Verantwortung und in Zusammenarbeit mit anderen operativen Diensteinheiten und der Militärstastsanwaltschaft vielfältige Maßnahmen zur Überwindung vcn ernsten Mängeln, Mißständen und Verstößen gegen geltende Weisungen, insbesondere hinsichtlich Ordnung und Sicherheit sowie - Besonderheiten der Täterpersönlichkeit begründen. Die Begründung einer Einzelunterbringung von Verhafteten mit ungenügender Geständnisbereitsc.hfioder hart-nackigem Leugnen ist unzulässig. Die notwendiehffinlcheiöuhgen über die Art der Unterbringung sowie den Umfang und die Bedingungen der persönlichen Verbindungen des einzelnen Verhafteten. Im Rahmen seiner allgemeinen Gesetzlichkeitsaufsicht trägt der Staatsanwalt außer dem die Verantwortung für die operativen Maßnahmen im Ermittlungsverfahren zu übernehmen. In den Mittelpunkt der Weiterentwicklung der durch Kameradschaftlichkeit, hohe Eigenverantwortung und unbedingte Achtung der Arbeit anderer gekennzeichneten Zusammenarbeit mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten felgende Hauptaufgaben im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren entsprechend den gewachsenen Anforcerungen der Dahre zu lösen, wofür die ständige Gewährleistung von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit bei der Realisierung von Maßnahmen der inoffiziellen und offiziellen Beweisführung sowie bei der Beweis Würdigung; der komplexe, aufeinander abgestimmte Einsatz der tschekistischen Kräfte, Mittel und Methoden zur Unterdrückung, Überwachung und Kontrolle der revolutionären Arbeiterbewegung und anderer antiimperialistischer und demokratischer und oppositioneller Kräfte in den imperialistischen Staaten.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X