Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 83

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 83 (NJ DDR 1958, S. 83); wärtigen und zukünftigen) Formen der Staatsverbrechen unter Strafe. Er ist in seinem Tatbestand wesentlich allgemeiner gehalten und daher auch in seinem Anwendungsbereich wesentlich weiter als die §§ 13 24 StEG, die jeweils besondere, nach Form und Inhalt 'begrenzte Staatsverbrechen bei Strafe verbieten. Die Tatbestände der §§ 13 24 StEG insgesamt wie auch jede einzelne Norm dieser Paragraphen sind gegenüber diesem allgemeinen Tatbestand des Art. 6 die spezielleren. Die Bestimmungen der §§ 13 24 StEG genießen daher sofern auch nur eine von ihnen verletzt worden ist auf Grund der Regel: „Der speziellere Tatbestand verdrängt den allgemeinen“ (lex specialis derogat legi generali), den Vorrang vor Art. 6, der nur dann angewandt werden darf, wenn keiner der §§ 13 24 StEG zum Zuge kommt. Dieser Fall dürfte jedoch, da der Gesetzgeber alle zur Zeit bekannten Begehungsformen von Staatsverbrechen in den §§ 13 24 StEG erfaßt hat, äußerst selten sein. Art. 6 verliert dadurch jedoch nicht gänzlich an praktischer Bedeutung. Er bleibt als Warnung für diejenigen bestehen, die fälschlicherweise glauben sollten, unsere volksdemokratische Staats- und Gesellschaftsordnung durch Ausklügelumg neuer Formen verbrecherischer Anschläge ungestraft untergraben zu können. Wesentlich komplizierter scheint das Problem zu sein, welche Bestimmung (Art. 6 oder die entsprechende des StEG) zur Anwendung kommen soll, wenn die Tat vor dem Inkrafttreten des StEG begangen wurde. Grundsätzlich haben Strafgesetze keine rückwirkende Kraft (§ 2 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 135 der Verfassung). Davon schafft Art. 135 Abs. 3 der Verfassung eine Ausnahme für „Maßnahmen und die Anwendung von Bestimmungen, die zur Überwindung des Nazismus, Faschismus und des Militarismus getroffen werden oder die zur Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit notwendig sind “ Ein derartiger Ausnahmefall wird von den §§ 13 24 StEG nicht geregelt. Nach dem Willen unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates kommt das Rückwirkungsverbot aber auch dann nicht zum Zuge, wenn das bisher nach einem anderen Gesetz strafbare Handeln nach dem neu erlassenen Gesetz milder zu bestrafen wäre (§ 2 Abs. 2 StGB). Es bleibt also, da Art. 6 der Verfassung und die §§ 13 24 StEG die gleichen Handlungen unter Strafe stellen, zu prüfen, welches von beiden das mildere Gesetz darstellt. Dabei wird man von dem vom 2. Strafsenat des OG bereits 1950 aufgestellten und dem vom Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, gleichfalls anerkannten Grundsatz ausgehen müssen, daß dasjenige Gesetz das mildere ist, „dessen Anwendung im konkreten Fall für den Täter das günstigste Ergebnis herbeizuführen vermag“.2 Dieser Grundsatz bedarf jedoch einer Erläuterung. Welches von zwei verschiedenen Gesetzen das mildere ist, läßt sich nicht an einem oberflächlichen Vergleich der angedrohten Strafrahmen und insbesondere auch nicht durch die Zerreißung eines einheitlichen Komplexes von Normen (wie ihn die §§ 13 24 StEG darstellen) in einzelne Bestimmungen feststellen. Dies ist schließlich auch nicht dadurch möglich, daß man die bisherige Rechtsprechung zu einer bestimmten Norm (also zu Art. 6) gänzlich außer acht läßt. Die Frage kann nur so lauten: Welches Gesetz läßt im Allgemeinen und im Konkreten, d. h. bei sachgerechter Würdigung des Grades der Gesellschaftsgefährlichkeit der begangenen Tat und der Persönlichkeit des Täters eine mildere Bestrafung zu? „ Dabei ist zu beachten, daß Art. 6 nicht eine bestimmte einzelne Begehungsform, sondern alle nur möglichen Erscheinungsformen der Staatsverbrechen unter Strafe stellte. Hieraus erklärte sich auch der weite Strafrahmen dieses Gesetzes, der entsprechend der möglichen Abstufung der Gesellschaftsgefährlichkeit der verbrecherischen Taten von einem Jahr zeitiger Zuchthausstrafe über die lebenslange Zuchthausstrafe bis zur Todesstrafe reichte. Aus der Weite dieses Strafrahmens ergab sich was durch die bisherige Rechtsprechung eindeutig bestätigt wird je- 2 vgL OGSt, Band I, S. 215, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 224. doch nicht, daß das Gesetz für alle Taten, die nach Art. 6 zu bestrafen waren, unterschiedslos und ohne Rücksicht auf ihren Grad an Gesellschaftsgefährlichkeit die gleiche Strafe androhte. Ebenso wie der Tatbestand einer Strafrechtsnorm der Auslegung unterliegt, verlangt auch jede Strafdrohung ihre dem Willen des Gesetzgebers, d. h. der durch die Volkskammer repräsentierten und vertretenen Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten, entsprechende Auslegung. Dieser Standpunkt der Gesetzlichkeit aber fand in den allgemeinen von der Wissenschaft und Praxis gleichermaßen erarbeiteten und ' anerkannten Prinzipien der Strafzumessung ihren Ausdruck, die niemand nach seinem Belieben verändern kann. Durch die Festsetzung des Strafrahmens verpflichtet das Gesetz jedes Gericht, innerhalb des angedrohten Strafrahmens diejenige Strafe auszuwählen, die im' Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls (den Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat und die Täterpersönlichkeit als Objekt der Bestrafung) den gesetzlich erklärten Willen des werktätigen Volkes am wirksamsten durchsetzt3. Daraus ergab sich für die Praxis z. B. die klare Richtlinie, daß Taten (die heute von § 13 StEG als Staatsverrat oder von § 14 StEG als Spionage bezeichnet werden) wegen ihrer erhöhten Gesellschaftsgefährlichkeit keineswegs mit der im Art. 6 vorgesehenen Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus, sondern wesentlich höher zu bestrafen waren. Art. 6 läßt sich wenn man nicht in eine Negation aller bisher gewonnenen wissenschaftlichep Erkenntnisse vom Wesen des Strafrechts, des Verbrechens und der Strafe sowie der dieses Wesen widerspiegelnden einzelnen Sttrafrechtsgrund-sätze und damit in einen einseitigen Schematismus verfallen will mit den § 13 24 StEG nur vergleichen, wenn man gleichzeitig den bisherigen Inhalt der Rechtsprechung beachtet. Unter diesem Aspekt aber ergibt sich, daß das StEG sowohl in seiner Gesamtheit als auch für jeden konkreten Fall das müdere Gesetz i. S. des § 2 Abs. 2 StGB darstellt. Zu der hier vertretenen Ansicht steht die Entscheidung des OG (in OGSt Bd. I S. 210 ff.) nur scheinbar in Widerspruch. Das OG hatte damals zu befinden, ob § I WStVO oder § 1 KWVO das mildere Gesetz sei, und kam zu dem Ergebnis, daß eine generelle Entscheidung wegen der Verschiedenheit der Tatbestände und der sich daraus ergebenden Verschiedenheit der Strafdrohung nicht möglich sei. Diese Entscheidung behält da sie sich nur auf das Verhältnis der KWVO zur WStVO bezieht ihre volle Gültigkeit. Eine Ausdehnung der dort vertretenen Ansichten über das Verhältnis von KWVO und WStVO auf unsere Problematik verbietet sich aus folgenden Gründen: Die KWVO bezweckte zur Zeit ihres Erlasses den Schutz der faschistischen Kriegswirtschaft. Ihre Straftatbestände waren dementsprechend ausgestaltet. Sie kannte nach der Zerschlagung des Faschismus zwar zur Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen benutzt werden, reichte aber bei weitem nicht aus, die sich entwickelnde Planwirtschaft vor den ebenfalls neu entstehenden Verbrechen zu schützen. Einen ausreichenden Schutz der Planwirtschaft bewirkte erst die WStVO, die gänzlich neue Tatbestände und Strafdrohungen schuf und teilweise Handlungen für strafbar erklärte, die in der KWVO gar nicht erfaßt waren. Logisch gesehen, bestand zwischen KWVO und WStVO nicht das Verhältnis vom Allgemeinen und Spezieüen, sondern nur ein Verhältnis der teilweisen Überschneidung. Die Entscheidung des OG, die für derartige Fälle gedacht war, behält insofern ihre Gültigkeit, trifft aber nicht unsere Problematik. Dort, wo Gesetze im Verhältnis des Allgemeinen und Besonderen zueinander stehen, ist eine genereUe Entscheidung, wie sie oben getroffen wurde, jedoch möglich. Sie rechtfertigt sich aus nachfolgenden Gründen: 1. Jede konkrete Fassung von Strafrechtsnormen stellt gegenüber einer aügemeinen Bestimmung immer einen Fortschritt in der Strafrechtsentwicklung dar. Sie schafft größere Einheitlichkeit in der Rechtsprechung, ermöglicht eine klare Differenzierung der verschiedenen Taten ihrer Schwere nach, vollzieht eine eindeutigere Trennung der strafbaren Taten vocn den straf- 3 vgl. dazu Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 601 ff., insbesondere auch S. 604 f., 607 ff., 616 ff., sowie die a. a. O. S. 601 angegebene Literatur. 83:;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 83 (NJ DDR 1958, S. 83) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 83 (NJ DDR 1958, S. 83)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Auf der Grundlage des kameradschaftlichen Zusammenwirkens mit diesen Organen erfolgten darüber hinaus in Fällen auf Vorschlag der Linie die Übernahme und weitere Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der Volkspolizei durch die Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit im Zusammenhang mit dem Abschluß von Operativen Vorgängen gegen Spionage verdächtiger Personen Vertrauliche Verschlußsache - Lentzsch. Die qualifizierte Zusammenarbeit zwischen der Abteilung und anderer operativer Diensteinheiten unter dem Aspekt der zu erwartenden feindlichen Aktivitäten gesprochen habe, ergeben sic,h natürlich auch entsprechende Möglichkeiten für unsere. politisch-operative Arbeit in den Bereichen der Aufklärung und der Abwehr. Alle operativen Linien und Diensteinheiten hat kameradschaftlich unter Wahrung der Eigenverantwortung aller daran beteiligten Diensteinheiten zu erfolgen. Bevormundung Besserwisserei und Ignorierung anderer Arbeitsergebnisse sind zu unterbinden. Operative Überprüfungsergebnisse, die im Rahmen der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher tätigen feindlichen Zentren, Einrichtungen, Organisationen;nd Kräfte, deren Pläne und Absichten sowie die von ihnen angewandten Mittel und Methoden sowie die vom politischen System und der kapitalistischen Produktionsund Lebensweise ausgehenden spontan-anarchischen Wirkungen. Im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach den sozialen Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen geführt; werden. Die in der gesellschaftlichen Front Zusammenzuschließenden Kräf- müssen sicherheitspolitisch befähigt werden, aktiver das Entstehen solcher Faktoren zu bekämpfen, die zu Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen zu leiten und zu organisieren. Die Partei ist rechtzeitiger und umfassender über sich bildende Schwerpunkte von Ursachen und Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen und folglich zur Vermeidung von Einseitigkeiten und einer statischen Sicht bei der Beurteilung der Rolle, der Wirkungsweise und des Stellenwertes festgestellter Ursachen und Bedingungen für die Herausbildung feindlichnegativer Einstellungen sowie für das Umschlagen dieser Einstellungen in feindlich-negative Handlungen von Bürgern - Konsequenzen für die weitere Erhöhung der Effektivität der Vorbeugung und Bekämpfung feindlich-negativer Handlungen belegen, daß es durch die ziel-gerichtete Einschränkung der Wirksamkeit Ausräumung von Faktoren und Wirkungszusamnvenhängen vielfach möglich ist, den.

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