Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 79

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 79 (NJ DDR 1958, S. 79); Bei der Behandlung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung der bedingten Verurteilung. wurde in den Seminaren der Versuch unternommen, eine Reihe von Faktoren herauszuarbeiten, die für die Bestimmung der Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat von Bedeutung sind und u. U. die bedingte Verurteilung ausschließen. Hierzu gehören z. B.: die Höhe des durch die strafbare Handlung eingetretenen Schadens und der Vorteil, den der Täter daraus gezogen hat; mehrfache Begehung oder fortgesetzte Handlung, die meist Ausdruck stärkerer verbrecherischer Intensität sind; die Häufigkeit der gleichen Straftat am gleichen Ort und zur gleichen Zeit; die Mitwirkung mehrerer Täter; Umstände, welche die Art und Weise der Tatbegehung charakterisieren, d. h. die vom Täter angewandten Methoden und Mittel zur Überwindung eines erwarteten Hindernisses oder Widerstands (Einbruch, Mitführen von Waffen), die Methoden zur Erschwerung der Aufklärung bzw. zur Verdeckung der Tat, ferner die bewußte Ausnutzung des Ortes und der Zeit, um die Wirkung des Verbrechens zu erhöhen (z. B. wirtschaftliche Schwierigkeiten oder vorübergehende Störungen). Eine Frage, deren Klärung vor allem Aufgabe der Rechtswissenschaft sein wird, ist die, ob „das Verhalten des Täters vor und nach Begehung der Straftat“ (§ 1 Abs. 1 StEG) ein Faktor ist, der zur Gesellschaftsgefährlichkeit der Straftat gehört. Die Vertreter der Wissenschaft scheinen dies einhellig zu verneinen. Auf die praktische Tätigkeit des Richters hat diese Streitfrage allerdings keinen Einfluß, da das „Verhalten des Täters“ z. B. sein Lebenswandel, seine Arbeitsleistungen und seine gesellschaftliche Tätigkeit, die Selbstanzeige der strafbaren Handlung, Versuche, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen usw. von ihnen in jedem Fall geprüft werden muß ganz gleich, welchen Charakter die Wissenschaft diesem Faktor gibt. Unklarheiten gab es in einigen Seminaren darüber, ob die Bedingung für die Vollstreckung der bedingt ausgesprochenen (Freiheitsstrafe schon mit der Begehung einer weiteren' strafbaren Handlung eintritt oder ob auch bereits eine Verurteilung erfolgt sein müsse. In Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 StEG wurde die Auffassung herausgearbeitet, es genüge, wenn der Täter die Tat innerhalb der Bewährungfrist begangen hat und dies dem Gericht noch vor der Beschlußfassung nach § 2 StEG bekannt wird; die Verurteilung des Täters wegen der neuen Straftat zu einer mehr als dreimonatigen Gefängnisstrafe könne auch noch nach Ablauf der Bewährungfrist erfolgen. Zu beachten ist dabei allerdings, daß der Beschluß nach § 2 nicht vor der Verurteilung gefaßt wird das Gesetz zwingt in den Fällen, in denen bei Ablauf der Bewährungszeit ein Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet ist, nicht zu einer sofortigen Beschlußfassung nach Ablauf der Bewährungiszeit* * i Ist der Beschluß jedoch ergangen und wird nunmehr festgestellt, daß der Täter während der Bewährungszeit eine neue, zweite Straftat begangen hat, dann ist allerdings nichts mehr zu ändern: der Täter gilt hinsichtlich der ersten Straftat als nicht bestraft, die Bedingung für die Vollstreckung der Strafe kann nicht mehr eintreten. In Ausnahmefällen kann eine neue Straftat, die während der Bewährungszeit begangen wurde und die die Voraussetzungen des § 1 StEG erfüllt, nochmals zur Anwendung der bedingten Verurteilung führen, insbesondere bei ungleichartigen Delikten, z. B. wenn der Täter zunächst ein Verkehrsdelikt und dann einen geringfügigen Diebstahl begangen hat. Selbstverständlich kann in diesen Fällen die erste bedingt ausgesprochene Strafe nicht vollstreckt werden wie dies einige Seminarteilnehmer annahmen , weil nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Eine lebhafte Diskussion entstand über die Frage, ob aus den neuen Strafarten bzw. zwischen ihnen und den übrigen Strafarten eine Gesamtstrafe gebildet werden kann. Dies ist selbstverständlich insoweit zu verneinen, als es sich um nicht gleichartige Strafen handelt. Übrigens ist auch kaum ein Fall denkbar, in dem das Gericht gegen denselben Täter gleichzeitig * Dies wird in einer Durchführungbestimmung zum StEG geregelt werden, deren Erlaß bevorsteht. D. Red. Freiheitsstrafe verhängen und ihn bedingt verurteilen wollte. Wie aber ist es, wenn verschiedene Straftaten in einer Verhandlung abzuurteilen sind und das Gericht was allerdings selten Vorkommen wird unter den Voraussetzungen des § 1 zu der Auffassung gelangt, daß eine bedingte Verurteilung ausreicht? Hier kann nur eine Gesamtstrafe bedingt ausgesprochen werden. Keine Übereinstimmung wurde in einigen Seminaren darüber erzielt, ob die Untersuchungshaft im Fall der bedingten Verurteilung angerechnet werden kann. Während einige Diskussionsredner von § 219 StPO ausgingen, wonach im Urteil mit über die Anrechnung der Untersuchungshaft entschieden werden muß, vertraten andere die Meinung, daß der Charakter der bedingten Verurteilung ebenso der des öffentlichen Tadels und der Geldstrafe prinzipiell die Anrechenbarkeit ausschließe. Es wird zweckmäßig sein, diese Frage einheitlich zu regeln, und zwar in der Weise, daß die Anrechnung der Untersuchungshaft bei bedingter Verurteilung nachträglich erfolgt, wenn es nach Eintritt der Bedingung zur Vollstreckung der festgesetzten Strafe kommt. Bereits im Urteilstenor auszusprechen: „Für den Fall der Vollstreckung der bedingt ausgesprochenen Strafe wird die Untersuchungshaft angerechnet“, ist im Hinblick auf das Wesen der bedingten Verurteilung die ja gerade eine Strafe ohne Freiheitsentziehung ist, bedenklich. Eine erste Anleitung für die Anwendung der weiteren neuen Strafart, des öffentlichen Tadels, muß betonen, daß auch hier die schon bei der bedingten Verurteilung erwähnten Faktoren zur Bestimmung der Gesellschaftsgefährlichkeit zu beachten sind. Das Gericht muß die Gewißheit haben, daß das mit einer öffentlichen Mißbilligung des Verhaltens des Täters endende Strafverfahren beim Täter zur Erkenntnis der Verwerflichkeit und Gesetzwidrigkeit seines Handelns geführt hat. Die erzieherische Wirkung des öffentlichen Tadels wird in erster Linie auf der Verhandlungsführung und auf einem überzeugenden Urteil beruhen. Die weitere gesellschaftliche Erziehung des Täters muß durch seine Umgebung, insbesondere durch seine Arbeitskollegen und die gesellschaftlichen Organisationen seines Betriebes, erfolgen. Die Verantwortlichkeit der Betriebe, Organisationen und staatlichen Organe für die weitere Erziehung des Verurteilten ist in der Hauptverhandlung, in geeigneten Fällen auch im Urteil, konkret auszusprechen. Nach § 7 StEG ist jetzt die öffentliche Bekanntmachung jeder Bestrafung möglich. Staatsanwalt und Gericht müssen sich ernste Gedanken darüber machen, ob der konkrete Fall sich für eine öffentliche Bekanntmachung eignet und in welcher Form diese durchzuführen ist, damit die bestmögliche Wirkung erzielt wird. Die Einwirkung auf andere Bürger und die Aufklärung der Bevölkerung werden in der Regel entscheidende Gründe für die Anordnung der öffentlichen Bekanntmachung sein (z. B. bei einem Sittlichkeitsverbrecher, der längere Zeit sein Unwesen trieb, bei Schiebern und Spekulanten usw.). Jedoch müssen schädliche Nebenfolgen, wie die unnötige Anprangerung in der Kreiszeitung, unbedingt vermieden werden. Die Bekanntmachung in der Kreiszeitung wird z. B. nur dann in Betracht kommen, wenn die Sache wirklich Bedeutung für den ganzen Kreis hatte. Die Art und Weise der Bekanntmachung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern dem Gericht überlassen. In den Seminaren wurde davon ausgegangen, daß die Bekanntmachung nicht auf die Tagespresse beschränkt ist, sondern auch in Fachzeitschriften, Betriebs- und Dorfzeitungen, 'Verfügungs- und Mitteilungsblättern, als Anschlag an der Wandzeitung, Gerichtstafel usw. erfolgen kann, ja, es besteht auch die Möglichkeit der mündlichen Bekanntmachung durch Richter (einschließlich Schöffen) oder Staatsanwalt in Versammlungen im Betrieb, im Wohnbezirk, aber auch durch gesellschaftliche Organisationen. Inwieweit das Gericht, anders als bei §§ 165, 200 StGB2, gemäß § 7 StEG gezwungen ist, die Art und Weise der öffentlichen Bekanntmachung im Urteilstenor 2 Hier handelt es sich nicht um öffentliche Bekanntmachung i. S. des § 7 StEG, sondern um die Erteilung der Befugnis an den Verletzten zur Bekanntmachung. 79;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 79 (NJ DDR 1958, S. 79) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 79 (NJ DDR 1958, S. 79)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmenkomplexe zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Vergangenheit bereits mit disziplinwidrigen Verhaltens weisen in der Öffentlichkeit in Erscheinung traten und hierfür zum Teil mit Ordnungsstrafen durch die belegt worden waren. Aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig ist. Alle auf der Grundlage des Gesetzes durchgeführten Maßnahmen sind somit zu beenden, wenn die Gefahr abgewehrt oder die Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einhergeht. Fünftens ist in begründeten Ausnahmefällen eine Abweichung von diesen Grundsätzen aus politischen oder politisch-operativen, einschließlich untersuchungstaktischen Gründen möglich, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Ausweisungsgewahrsams gegeben und wird im Ergebnis der Prüfung von möglichen anderen Entscheidungen, der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Abstand genommen, so ordnet der Leiter der Hauptabteilung oder der Leiter der Bezirksverwaltung Verwaltung den vorläufigen Ausweisungsgewahrsam. Diese Möglichkeit wurde mit dem Ausländergesetz neu geschaffen. In jedem Fall ist aber zu sichern, daß der betreffende Jugendliche eine unmittelbare staatliche Reaktion auf seine gesellschaftsschädliche Handlungsweise erlebt, um daraus die erforderlichen Schlußfolgerungen zu ziehen. In bestimmten Fällen wird die offensive Wirksamkeit der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die gleiche Person anzugeben, weil die gleichen Ermittlungsergebnisse seinerzeit bereits Vorlagen und damals der Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen tatsächlich vorliegen.

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