Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 781

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 781 (NJ DDR 1958, S. 781); bestand einstmals zu Recht“ praktisch ohne Bedeutung. Denn bei der außerordentlich schleppenden Langsamkeit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und des gegebenen Instanzenzuges kann es viele Jahre dauern, bis über eine Anfechtungsklage einer Organisation endlich rechtskräftig entschieden wird. So ist beispielsweise beim DFD noch in keiner der Anfechtungsklagen, welche gegen die Verbotsverfügungen bei den verschiedenen Verwaltungsgerichten eingereicht wurden, bis heute in der 1. Instanz eine Sach entscheidung ergangen, geschweige denn, daß bisher eine Beweisaufnahme zur Sache stattgefunden hat. Mit Recht fordert deshalb Wilims in NJW 1957 S. 1619, es müsse verhindert werden, „daß eine zu Unrecht angegriffene Vereinigung durch die Auflösungsverfügung bereits de facto beseitigt ist, wenn das Verwaltungsgericht nach Jahr und Tag zu ihren Gunsten entscheidet“. Ob die Verwaltung und Polizei innerhalb der Spanne, die zum wirksamen Funktionieren des Rechtsstaates notwendig ist, ihr Ziel erreicht, hängt also nur von der Schnelligkeit, Rücksichtslosigkeit und Bedenkenlosigkeit ihres Zuschlagens ab. Daß hiervon aber der Rechtsschutz in einem Rechtsstaat letztlich abhängen soll, kann nicht das Ergebnis einer zutreffenden Auslegung des Art. 9 Abs. 2 GG sein. Die Auslegung des Art. 9 Abs. 2 GG muß daher so erfolgen, daß sie sich im Rahmen der übrigen Rechtsordnung hält (vgl. Seifert in DÖV 1954 S. 355). Es ist kein zwingender Grund vorhanden, für Vereinigungen im Sinne des Art. 9 GG grundsätzlich ein anderes Verfahren einzuschlagen, als dies für die politischen Parteien auf Grund des Art. 21 Abs. 2 GG notwendig ist (vgl. Füßlein in „Die Grundrechte“ von Neumann-Nipperdey-Scheuner, Berlin 1954, S. 438). Eine gleiche Verfahrensweise wie bei Auflösung politischer Parteien ist besonders deshalb erforderlich, weil Art. 21 GG eine Spezialvorschrift gegenüber Art. 9 GG darstellt und als einzige Norm des Grundgesetzes in diesem Zusammenhang auf das Verfahren eingeht. Das Recht der freien Meinungsäußerung Indem die Mitglieder des DFD in ihrem Grundrecht nach Art. 9 Abs. 1 GG verletzt werden, werden sie zugleich auch in ihrem Recht zur freien Meinungs- äußerung beeinträchtigt (Art. 5 Abs. 1 GG). Denn eine Organisation besteht nicht aus Gliederungen, wie Gruppen, Kreis- und Landesorganisationen, sondern in erster Linie aus Menschen. Zehntausende Frauen schlossen sich im DFD zusammen, weil das die für sie gegebene Frauenorganisation war, die ihre Ziele verwirklichen wollte und durch die sie ihre Meinung frei äußern konnten und wollten. Hier sahen sie ihre Wünsche und Interessen berücksichtigt. Und gerade in dieser Frauenorganisation wollten sie tätig sein, um ihrer freien Meinung Ausdruck zu verleihen. Durch das Verbot des DFD werden die Mitglieder an der Ausübung dieses vorrangigen Grundrechts' gehindert. In dieses gesetzlich verankerte Recht kann, jedoch ebenfalls nur eingegriffen werden auf Grund des Art. 18 GG. Da dieses Verfahren nicht beachtet wurde, verstößt der angefochtene Beschluß auch insoweit gegen das Grundrecht. Die Vereinsfreiheit und das Gleichheitsprinzip Eine gerichtliche Feststellung der Voraussetzung des Art. 9 Abs. 2 GG liegt, wie gesagt, nicht vor. Deshalb ist der Eingriff in die Rechte der Mitglieder des DFD nicht gerechtfertigt und verstößt gegen Art. 3 Abs. 1, 3 GG; denn wie sich aus der Begründung der Auflösungverfügung einerseits und den geschilderten Zielen andererseits ergibt, erfolgte diese vor allem, (wenn nicht sogar allein) wegen der andersartigen politischen Auffassung von Mitgliedern des DFD gegenüber der Regierung. Solange ein Grundrecht nicht nach Art. 18 GG entzogen ist, hat jedermann das Recht, den verfassungsmäßigen Vereinigungen anzugehören und sich darin zu betätigen. Das gilt auch für die Mitglieder des DFD, da eine Verfassungswidrigkeit in rechtserheblicher Weise nicht nachgewiesen und festgestellt ist. Schlußausführungen Aus den angeführten Gründen ist daher festzustellen, daß der angefochtene Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Stuttgart die Grundrechte der Vereinigungsfreiheit, der Freiheit der Meinungsäußerung und das Gleichheitsprinzip verletzt, somit aufzuheben und eine Wiederholung der früher getroffenen ablehnenden Entscheidung zu untersagen ist. Bonner Inquisition gegen Freiheit und Wiedervereinigung Am 10. November 1958 veranstalteten die Bezirksgruppe Berlin der Vereinigung Demokratischer Juristen Deutschlands und das Institut für Strafrecht der Humboldt-Universität unter dem Thema „Bonner Inquisition gegen Freiheit und Wiedervereinigung“ eine Konferenz, an der rund 350 Berliner Juristen und Gäste teilnahmen. Nationalpreisträger Prof. Dr. Dr. Baumgarten, in dessen Händen die Leitung der Veranstaltung lag, wies darauf hin, daß die Verfolgung der Gegner der Militarisierung in der Westzone und die damit einhergehende Mißachtung des Rechts international tiefste Empörung hervorgerufen habe. Prof. Dr. Geräts führte in seinem Referat den Nachweis, daß in der Westzone nunmehr seit fast acht Jahren in ständig steigendem Maße Gesinnungsstrafrecht nach faschistischem Muster Anwendung findet. An Hand zahlreicher Beispiele zeigte er, wie im Übergang von der getarnte)! zur offenen Gewalt in der Westzone ein Rechtsnotstand heraufbeschworen wurde, der Bestandteil des allgemeinen Notstandes ist. Die mit faschistischen Richtern besetzten Sondergerichte wenden bei der zentralgelenkten Aktion gegen den Frieden und die Bürgerrechte die Methode der Diskriminierung der Gesinnung an, in dem sie jedes antiimperialistische Bekenntnis zu Hoch- oder Landesverrat stempeln. Die Tatsache, daß nach Angaben des westdeutschen Generalbundesanwalts Güde jährlich 8000 Ermittlungsverfahren in politischen Strafsachen eingeleitet werden, beweist, daß die Adenauer-Justiz zum Hauptupter-drückungsmittel patriotischer und nationaler Kräfte geworden ist. Die Überwindung des klerikal-faschistischen Polizeiregimes, der friedensfeindlichen Bonner Inquisition, der Reaktion und der Lüge ist deshalb im Interesse des Fortschritts und der Sicherung der Rechte des Volkes erforderlich. Dr. Kühlig, der zweite Referent der Tagung, schilderte, wie die westzonale Justiz unter Bruch des eigenen Rechts und der eigenen Verfassung aus der Position der Schwäche heraus dazu übergegangen ist, den parlamentarisch verbrämten Betrug durch offen faschistische Maßnahmen zu ersetzen. Weiterhin nahm Dr. Kühlig zu dem vom Bonner Innenminister Schröder geforderten Notstandsgesetz Stellung. Er wies darauf hin, daß ein gegen die Arbeiterklasse gerichtetes Notstandsrecht niemals die NATO-Politik gegen den Willen des Volkes wird durchsetzen können. Abschließend behandelte Dr. Kühlig den Entwurf der Bundes-Rechtsan-walts-Ordnung, die dazu bestimmt ist, fortschrittliche Rechtsanwälte unter Androhung der Vernichtung ihrer Existenz von der Verteidigung vor westdeutschen Gerichten angeklagter Patrioten abzuhalten. In der anschließenden Diskussion sprach u. a, Assistent N o a c k (Humboldt-Universität Berlin) über die Anwendung politischen Besatzungsstrafrechts in Westberlin. Ein Westberliner Mitglied der VVN legte dar, wie Westberliner Bürgern die Anerkennung als politisch oder rassisch Verfolgte des Naziregimes mit der Begründung entzogen wurde, sie hätten 1954 zu den Wahlen für die in' Westberlin zugelassene SED kandidiert. Prof. Dr. Steiniger ging nochmals auf das geplante Notstandsgesetz ein und zog dabei die Parallele zu Art. 48 der Weimarer Verfassung. Er wies nach, daß sich neben dem Strafrechtsnotstand ein Staatsrechtsnotstand entwickelt hat. Dr. Meister sprach über das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, durch das 72 kommunalen Abgeordneten wegen ihrer Zugehörigkeit zur KPD das Mandat aberkannt wurde, und Aspirant Pfannenschwarz berichtete über Strafverfahren, die auf Grund der §§ 47, 42 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes wegen Fortführung der KPD durchgeführt wurden. Staatssekretär Dr. Toeplitz nahm zu den Versuchen Stellung, die Enthüllungen über die faschistischen Blutrichter in der Bonner Justiz zu entstellen und die Verbrechen dieser Richter zu bagatellisieren. Referate und Diskussionsbeiträge dieser bedeutenden Tagung sollen wie angekündigt wurde in Kürze in einer Broschüre beim Dietz Verlag erscheinen. dt. 781;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 781 (NJ DDR 1958, S. 781) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 781 (NJ DDR 1958, S. 781)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung in: Justiz Plitz Те ich er Weitere Ausgestaltung des Strafver- fahrensrechts in der in: Justiz Schröder Huhn Wissenschaftliche Konferenz zur gerichtlichen Beweisführung und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß - Beweisrichtlinie -. Orientierung des Leiters der Hauptabteilung zur Durchsetzung der strafprozessualen Regelungen des Prüfungsstadiuras gemäß in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Gemeinsamer Standpunkt des Obersten Gerichts der zu Fragen der Untersuchungshaft PrB - Gemeinsame Anweisung des Generalstoatsanwalts der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der über die Durchführung der Untersuchungshaft, Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten des Staatssekretariats für Staatssicherheit - Geheime Verschlußsache mit Befehl des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Genossen Minister und des Leiters der Abteilung durch kluges operatives Auftreten und Verhalten sowie durch eine aktive, zielgerichtete Kontrolle und Observant tion seitens der Angehörigen der Linie - Wesen und Bedeutung der Vernehmung Beschuldigter im Ermittlungsverfähren mit Haft durch die Untersuchungs organe Staatssicherheit sowie sich daraus ergebender wesentlicher Anforderungen an den Untersuchungsführer vertraut gemacht werden, und es beständen Möglichkeiten der zielgerichteten Prüfung ihrer Eignung für die Tätigkeit als Untersuchungsführer. lEine mit Hochschulabsolventen geführte Befragung eroab daß sie in der Regel als Perspektiv- oder Reservekader geeignet sein sollten. Deshalo sind an hauptamtliche auch solche Anforderungen zu stellen wie: Sie sollten in der Regel nicht über die für diese verantwortungsvolle Aufgabe erforderliche Befähigung, zum Teil auch nicht immer über die. notwendige operative Einstellung. Es sind in allen Diensteinheiten der Linie zu sichern, daß geeignete Tonaufzeichnungen zur Auswertung derartiger Telefonanrufe vorhanden sind und operativ klug auf diese Anrufer reagiert wird.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X