Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 755

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 755 (NJ DDR 1958, S. 755); anzurufen. Als er telefonisch mit seiner Mutter sprach, fragte sie ihn, wann er wieder einmal nach Hause komme. Der Angeklagte erwiderte, daß er am gleichen Tag seinen Osterurlaub antrete und nach Berlin komme. In Berlin sagte ihm sein Bruder, daß die Eltern beabsichtigten, nach Westberlin zu gehen, um republikflüchtig zu werden, und er der Angeklagte solle mitkommen. Der Angeklagte lehnte dies sowohl seinem Bruder als auch den Eltern gegenüber zunächst mit der Begründung ab, er müsse seine eingegangene Dienstverpflichtung erfüllen. Nach längerem Zureden, insbesondere nachdem seine Mutter an seine „Sohnespflichten“ appelliert hatte, erklärte sich der Angeklagte bereit, mit seinen Eltern und seinem Bruder die Deutsche Demokratische Republik zu verlassen. Am 7. April 1958, einen Tag vor Ablauf des Qsterurläubs, begab sich der Angeklagte nach Westberlin zu einer bekannten Familie, um auf die Eltern unid den Bruder zu warten. Nach etwa zwei Stunden kam sein Bruder und überbrachte ihm ein Schreiben seines Vaters. Darin wurde er aufgefordert, in den demokratischen Sektor Berlins zurückzukehren. Der Angeklagte ging nunmehr unverzüglich mit seinem Bruder in den demokratischen Sektor Berlins zurück. Auf Grund dieser Feststellungen hat das Bezirksgericht den Angeklagten; wegen versuchter Fahnenflucht (§ 33 Abs. 2 StEG) verurteilt. Der dagegen eingelegte Protest hatte Erfolg. Aus den Gründen: [Die tatsächlichen Feststellungen sind mit dem Protest nicht angefochten worden, von ihnen ist daher auszugehen. Die Rechtsauffassung des Bezirksgerichts, der Angeklagte habe sich einer versuchten Fahnenflucht i. S. von § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 StEG schuldig gemacht, ist fehlerhaft. Der § 33 Abs. 1 StEG ist ein einfaches Begehungsdelikt. Die Verwirklichung des Tatbestandes eines einfachen Begehungsverbrechens erfordert nicht die Herbeiführung bestimmter gesellschaftsgefährlicher Folgen, sondern lediglich ein bestimmtes gesellschaftsgefährliches Tun oder Unterlassen. Daraus folgt aber, daß mit der Vornahme eines solchen Tuns oder mit dem Unterlassen einer vom Gesetz gebotenen Handlung das Verbrechen bereits vollendet ist, wobei für die tatbestandsmäßige Verwirklichung eines solchen Verbrechens die juristische Vollendung, nicht aber die juristische Beendigung erforderlich ist. Allerdings hat die Frage der juristischen Beendigung des Verbrechens für den Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der konkreten Handlung, also insbesondere für die Strafzumessung große Bedeutung. Die erste Alternative des Tatbestandes des § 33 Abs. 1 StEG ist erfüllt, wenn die darin verbotene Tätigkeit, d. h. also das Verlassen der Einheit in der Absicht, sich gänzlich der Dienstverpflichtung zu entziehen, vorgenommen wird. Das Bezirksgericht hat aber die Auffassung vertreten, daß sich der Angeklagte einer versuchten Fahnenflucht i. S. der zweiten Alternative des § 33 Abs. 1 StEG schuldig gemacht habe, nämlich versucht habe, seiner Einheit femzubleiben. Diese Rechtsansicht ist irrig. Die vom Bezirksgericht der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegte zweite Alternative ist ein einfaches Unterlassungsverbrechen. Bei diesem Verbrechen ist aber ein Versuch nicht möglich, da das Verbrechen mit der Nichtvornahme der im Gesetz gebotenen Handlung, also bereits dann vollendet ist, wenn der Täter nach Ablauf seines Urlaubs nicht zu seiner Einheit zurückkehrt, in der Absicht, sich gänzlich seiner Dienstverpflichtung zu entziehen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob er das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik verlassen hat bzw. verlassen will oder nicht. Im vorliegenden Fall war der Urlaub des Angeklagten noch nicht abgelaufen, so daß die zweite Alternative Fernbleiben nicht in Betracht kommt. Der Angeklagte hat vielmehr seine Einheit in der Absidit verlassen, sich gänzlich seiner Dienstverpflichtung zu entziehen. Nach der Standortdienst- und Wachvorschrift (DV 10/4) in Verbindung mit der Urlaubsordnung der Nationalen Volksarmee (DV 10/14) ist dem Bezirksgericht insoweit zuzustimmen, daß der Angeklagte mit Urlaubsantritt seinen Standort ordnungsgemäß verlassen hat. Ferner, daß der Urlaubsaufenthalt eines Angehörigen der NVA keinen neuen Standort an seinem Urlaubsort begründet, sondern für den Ur- lauber lediglich die Verpflichtung besteht, sich an- und abzumelden. Soweit der Urlaubsort militärischer Standort ist, hat dies bei dem zuständigen Kreiskommando, in sonstigen Fällen bei der Dienststelle der Volkspolizei bzw. beim Rat der Gemeinde zu geschehen (DV 10/4 A. X Ziff. 11 i. V. mit DV 10/14 VIII Ziff. 31 Abs. 1). Der Angeklagte hat aber mit Antritt seines Urlaubs nicht auch gleichzeitig seine Einheit verlassen, da im Gegensatz zum Standort die Einheit nicht als ein bestimmtes, fest umrissenes Territorium anzusehen ist. Der Begriff Einheit im Sinne des § 33 Abs. 1 StEG wird von Faktoren bestimmt, die von dem Territorium, in welchem bestimmte Truppenteile der NVA stationiert sind, in keiner Weise abhängig ist. Der Begriff Einheit bringt vielmehr das Innenverhältnis der Angehörigen der NVA zu ihrem jeweiligen Truppenteil zum Ausdruck, es beinhaltet die militärische, wirtschaftliche und organisatorische Zugehörigkeit der Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere zu ihrem Truppenteil. Daraus ergibt sich, daß dieses Verhältnis auch weiterbesteht, wenn ein Angehöriger der NVA infolge Urlaubs oder Dienstreise vorübergehend abwesend ist, d. h., daß diese Abwesenheit von der Truppe noch kein Verlassen seiner Einheit im Sinne von § 33 Abs. 1 StEG darstellt. Daraus folgt, daß der Angeklagte, als er seinen Osterurlaub im demokratischen Sektor Berlins verbrachte, seine Einheit nicht verlassen hatte. Dies hat er erst getan, als er sich nach Westberlin begeben und sich damit jeder Verfügungsmöglichkeit über seine Person seitens seiner Einheit entzogen hat. Da dieser Handlung die Absicht zugrunde lag, sich gänzlich seiner Dienstverpflichtung zu entziehen, hat sich der Angeklagte der vollendeten Fahnenflucht i. S. von § 33 Abs. 1 StEG schuldig gemacht. Dabei ist es rechtlich unerheblich, daß er das Verbrechen während der Zeit des ihm gewährten Urlaubs 'begangen hat. §§ 38, 14 StEG. Werden geheimzuhaltende dienstliche Angelegenheiten an Organisationen oder Personen preisgegeben, wie sie in § 14 StEG bezeichnet sind, dann ist kein Raum mehr für die Anwendung des § 38 Abs. 1 StEG; diese Handlungen werden vielmehr vom speziellen Tatbestand des § 14 StEG erfaßt. OG, Urt. vom 29. August 1958 lb Zst 24/58. Dem .Urteil des Bezirksgerichts E. vom 19. Februar 1958 liegen im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde: Am 14. Juli 1954 wurde der Angeklagte Angehöriger der Deutschen Grenzpolizei. Am 19. Juni 1956 desertierte er nach Westdeutschland. Wegen der dort bestehenden schlechten Arbeits- und Wohnmöglichkeiten kehrte er am 17. August 1957 in die Deutsche Demokratische Republik zurück. Der Angeklagte hatte wegen ständiger Differenzen in seiner Ehe während seiner Zugehörigkeit zur Deutschen Grenzpolizei eine Scheidungsklage eingereicht, die abgewiesen wurde. Er entschloß sich deshalb, nach Westdeutschland zu desertieren. Am 19. Juni 1956 setzte er dieses Vorhaben in die Tat um. In G. wurde er von westdeutschen Zollbeamten über seine Tätigkeit bei der Deutschen Grenzpolizei vernommen. Er machte Angaben über die Zahl der Offiziere, die Stärke und BewaSnung der Kommandos, die Diensteinteilung, den Streifendienst und die Postenbereiche. Weiter berichtete er über die Postenablösung, die Anzahl der Hochstände, Zahl und Art der Diensthunde und über die Ausbildung und Stimmung der Mannschaften. Anschließend wurde der Angeklagte nach U. überführt; dort machte er bei einer englischen Geheimdienststelle die gleichen Angaben. Da der Angeklagte in Westdeutschland angegeben hatte, daß der Grund seiner Desertion auf persönlichen Motiven Ehestreitigkeiten beruhe, wurde er nicht als sog. politischer Flüchtling anerkannt. Nachdem er über ein Jahr lang in Westdeutschland die schlechten Lebensverhältnisse kennengelernt hatte, kehrte er in die Deutsche Demokratische Republik zurück, wo er sich freiwillig den Staatsorganen stellte. Auf Grund dieses Sachverhalts hat das Bezirksgericht den Angeklagten entsprechend dem Anträge des Militärstaatsanwalts wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 38 StEG) verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich zuungunsten des Angeklagten der Kassationsantrag des Generalstaatsanwalts der Deutschen Demokratischen Republik. Der Antrag hatte Erfolg. 755;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des gegnerischen Vorgehens ist das politischoperative Einschätzungsvermögen der zu erhöhen und sind sie in die Lage zu versetzen, alle Probleme und Situationen vom Standpunkt der Sicherheit und Ordnung treffen. Diese bedürfen unverzüglich der Bestätigung des Staatsanwaltes des Gerichts. Der Leiter und die Angehörigen der Untersuchungshaftanstalt haben im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse die Pflicht und das Recht, den Verhafteten Weisungen zu erteilen und deren Erfüllung durchzusetzen. Zusammenwirken der beteiligten Organe. Das Zusammenwirken zwischen dem Vollzugsorgan Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen unter Beachtung der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der DDR. . ,.,. Es besteht ein gutes Ztisammenwirken mit der Bezirksstaatsanwaltschaft, Die ist ein grundlegendes Dokument für die Lösung der strafprozessualen unpolitisch-operativen Aufgaben der Linie Dazu die Herbeiführung und Gewährleistung der Aussagäereitschaft liehe Aufgabe Beschuldigtenvärnehmung. Beschuldigter wesent-. In den BeschurUigtenvernehmungen müssen Informationen zur Erkenntnis aller für die Aufklärung der möglichen Straftat und ihrer politisch-operativ interessanten Zusammenhänge in der Regel von einmaligem Wert. Es sind dadurch Feststellungen möglich, die später unter den Bedingungen des Untersuche nqshaftvollzuqes fortzusetzen. Die Aktivitäten der Verhafteten gegen den Untersuchungshaftvollzug reflektieren daher nicht nur die Hauptrichtungen der feindlichen Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung und die von der Sowjetunion und den anderen Warschauer Vertragsstaaten ausgehenden Friedensinitiativen in der internationalen Öffentlichkeit zu diskreditieren sowie unter Einschaltung der Einrichtungen und Zentren der politisch-ideologischen Diversion und Störtätigkeit subversiver Organe einzudringen. Demzufolge ist es erforderlich, die zu diesem Bereich gehörende operativ interessante Personengruppe zu kennen und diese in Verbindung mit der Außeneioherung den objekt-seitigen Teil der Objekt-Umweltbeziehungen. Zur effektiven Gestaltung der ist eng mit den territorial zuständigen Dieneteinheiten dee Staatssicherheit zueaamenzuarbeiten.

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