Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 728

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 728 (NJ DDR 1958, S. 728); gelassen zu werden. Aber noch immer bestanden die Räte, getragen vom Vertrauen der Arbeiter und Soldaten. Noch immer erhofften die Arbeiter von diesen Räten die Schaffung einer neuen, besseren Welt. Es ist verlogen, wenn der westdeutsche Historiker Tormin behauptet, „die deutschen Arbeiter- und Soldatenräte wollten vor allem eine parlamentarische Demokratie erkämpfen“24. Niemals hätte es die sozialdemokratische Führung beider Richtungen dann nötig gehabt, eine solche Flut revolutionärer und sozialistischer Phrasen über das Land zu ergießen. Die Masse der Mitglieder der Arbeiter- und Soldatenräte wollte wie die Arbeiterklasse den Sozialismus. Doch nur ein geringer Teil hatte klare Vorstellungen von den Mitteln und Methoden des Kampfes, erkannte die Gefährlichkeit des nach wie vor bestehenden, wenn auch zeitweise weitgehend aktionsunfähigen bürgerlichen Staatsapparats. Erfahrenen rechten SPD- und Gewerkschaftsfunktionären und pseudoradikalen Kleinbürgern standen meist in den Schlichen des Klassenfeindes unerfahrene, durch parlamentarische Illusionen verwirrte revolutionäre Arbeiter gegenüber. In den Soldatenräten gelang es oft genug Offizieren, entscheidenden Einfluß zu erhalten. Der Einfluß der einzig konsequent revolutionären Kraft, des Spartakusbundes, auch der Bremer Linken, war geling. Hier rächte sich bitter die Unterschätzung der Rolle der Organisation, aber auch die Vernachlässigung der Bündnisfrage. Erst am 30. Dezember wurde die Kommunistische Partei, die kommende Führerin der revolutionären Bewegung, gegründet. So fehlte den Räten die zentrale Führung, der geschlossene Zusammenhalt. Die bestehenden Organisationen der Arbeiterklasse stützten die kapitalistische Ordnung. Die rechten USPD- und SPD-Führer bildeten die bürgerliche Regierung. Die Gewerkschaftsführer hatten am 15. November im Abkommen Stinnes-Legien ihren Frieden mit der Monopolbourgeoisie geschlossen. So konnte die Arbeiterklasse die Lähmung des bürgerlichen Staates nicht ausnutzen. Hunderttausende von Arbeitern waren bereit zu kämpfen, und die Führer des Spartakusbundes wiesen ihnen den Weg. Aber es fehlte das Zwischenglied, es fehlte die nach den Grundsätzen des demokratischen Zentralismus fest gefügte Organisation, die allein es der Arbeiterklasse ermöglicht, sich zum Staat zu erheben. Der militärischen Entwaffnung der Arbeiter ging ihre ideologische Entwaffnung voraus. Unaufhörlich prasselte das Trommelfeuer unter der Losung „Demokratie“ von der stockreaktionären „jireuzzeitung“ bis zur unabhängigen „Freiheit“, von Hindenburg bis zu Kautsky. Es bewahrheitete sich die Voraussage von Engels, daß im Moment der Revolution die reine Demokratie zum Rettungsanker der ganzen bürgerlichen und selbst feudaler Wirtschaft wird. „In einem solchen Moment tritt die ganze reaktionäre Masse hinter sie und verstärkt sie: alles was reaktionär war, gebärdet sich dann demokratisch“25. Erfreut stimmten Bourgeois und Junker zu, als Ebert auf dem Rätekongreß ausrief: „Das siegreiche Proletariat richtet keine Klassenherrschaft auf“26 und Scheidemann ihm sekundierte, „daß das ganze Volk mitbestimmen muß“, daß „nicht eine Klasse, sondern das ganze Volk die Verantwortung trägt.“ Die dauernde Einrichtung der Arbeiter- und Soldatenräte würde, wie er unverfroren behauptete, „den absolut sicheren Ruin unseres- Handels und unserer Industrie“ bedeuten27. Demagogisch hieß es in einem SPD-Flugblatt unter frechem Mißbrauch der Hoffnungen der Arbeiter, „daß man nicht mit Hilfe der Arbeiter- und Soldatenräte sozialisieren kann, sondern dazu Gelehrte, Techniker und Verwaltungsbeamte hohen Ranges braucht“28. 23 Maercker, a. a. O., S. 64. 24 Walter Tormin, Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, Düsseldorf 1954, S. 130. 25 Brief von Engels an Bebel vom 11. 12. 1884, Karl Marx/ Friedrich Engels, Ausgewählte Briefe, Berlin 1953, S. 453. 2 Allgemeiner Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands vom 16. bis 21. 12. 1918 im Abgeordnetenhause zu Berlin, Stenographische Berichte, Berlin o. J. (1919), Sp. 4. 27 Allgemeiner Kongreß, a. a. O., Sp. 270. a A und S.-Räte, was sie können und was sie nicht können, Universitätsbibliothek Berlin. Der Boden für die rührseligen Lügen von der allgemeinen Klassenversöhnung auf dem Boden der Herrschaft des Kapitals war vorbereitet von dem seit Jahrzehnten wuchernden Unkraut des Revisionismus. Die Arbeiterklasse sollte vom Wiedererstarken des bürgerlichen Staatsapparates abgelenkt werden. An die Stelle der Macht trat die Wahl, an die Stelle der Herrschaft über alle Staatsorgane der Einfluß auf ein einziges. Die Forderung: „Nationalversammlung, freie Wahlen“ wurde zur entscheidehden Losung der Konterrevolution. Während die Freikorps rings um Berlin sich zum Kampf gegen die Arbeiter rüsteten, während die verschwindende Minderheit der Monopolisten, Militaristen und Junker ihre Macht festigte, erscholl es in allen Tonarten: Die Mehrheit soll regieren, her mit der Nationalversammlung. Schon Prinz Max hatte sie gefordert. Ebert hatte sie sofort angekündigt. Die neuen bürgerlichen Staatssekretäre Preuß und Graf Brockdorff-Rantzau erklärten bei Amtsantritt: „Ich stehe und falle mit der Nationalversammlung“29 und: Ich verlange „beschleunigte Einberufung der Nationalversammlung . noch vor dem 16. Februar“30. Ein so extrem reaktionärer, stockkonservativer Militarist wie Hindenburg, der die bürgerliche Demokratie, ohne sie im geringsten zu kennen, auf das höchste mißachtete, stimmte in den Chorus ein und forderte am 8. Dezember von Ebert: „Einberufung der Nationalversammlung noch im Dezember“31. Der Rätekongreß im Dezember 1918 wurde mit Forderungen nach der Nationalversammlung bombardiert. Der Deutsche Industrierat deutscher Industrie, der Hansa-Bund für Gewerbe, Handel und Industrie, der Zentralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes und andere Monopolorganisationen forderten „zur Errettung der deutschen Volkswirtschaft vor dem völligen Zusammenbruch, die Wahlen zur Nationalversammlung schleunigst, spätestens aber in der ersten Hälfte des Januar, stattfinden zu lassen“32. Die konsequent revolutionären Arbeiter stemmten sich unter Führung des Spartakusbundes den Plänen der Konterrevolution entgegen. Eine Reihe von Arbeiter- und Soldatenräten in Bremen und anderen Städten protestierte gegen die Einberufung einer Nationalversammlung. Die Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte des Bezirks Niederrhein lehnte „den gegenrevolutionären Plan, die kapitalistische Gesellschaftsordnung vor der Sicherstellung der Ziele der Revolution durch eine Nationalversammlung zu retten ., auf das bestimmteste ab“33. Doch die tief eingewurzelten parlamentarisch-demokratischen Illusionen, die raffiniert doppelzünglerische Politik der SPD-Führung, der Pseudoradikalismus der rechten USPD-Führer, die Rätemacht und Nationalversammlung vereinigen wollten, hinderten die Mehrheit der Arbeiter und der Räte, ihre wahren Interessen klar zu erkennen. Der Spartakusbund, der eine prinzipiell richtige Linie verfolgte, hatte es versäumt, die Lösung der unmittelbaren Aufgaben der bürgerlich-demokratischen, antiimperialistischen Revolution in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen. Unter dem Triumphgeheul ,der Reaktion beschloß der Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands mit großer Stimmenmehrheit Mitte Dezember die Wahlen zur Nationalversammlung für den 19. Januar 1919 und gab damit die Rätemacht auf, entschied in der Grundfrage zugunsten der Macht der Bourgoisie. Während in fieberhafter Eile die Wahllisten, vorbereitet und die Wahllokale eingerichtet wurden, überfielen am 24. Dezember die Potsdamer Gardetruppen-die Volksmarinedivision im MarstaU, wurden durch die Entlassung des Berliner Polizeipräsidenten Eichhorn die revolutionären Arbeiter zur vorzeitigen Aktion provoziert und blutig niedergeschlagen, marschierten Noskes Freikorps am 11. Januar 1919 unter dem Jubel der Bourgeoisie durch den Berliner Westen, besetzten drei Tage vor den „freien Wahlen“ endgültig 29 Ziegler, Die deutseihe Nationalversammlung 1919 1920 und ihr Verfassungswerk, Berlin 1932, S. 23. 30 illustrierte Geschichte, a. a. O., S. 234. 31 Dokumente, a. a. O., S. 569. 32 Allgemeiner Kongreß, a. a. O., S. 190. 33 Dokumente, a. a. O., S. 510. 728;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 728 (NJ DDR 1958, S. 728) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 728 (NJ DDR 1958, S. 728)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts vom zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß - Anweisung des Generalstaatsanwaltes der wissenschaftliche Arbeiten - Autorenkollektiv - grundlegende Anforderungen und Wege zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren Vertrauliche Verschlußsache . Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von bei Transitmißbrauchshanclüngen auf frischer Tat festgenomraePör ßeschuldigter Potsdam, Juristisch Fachs lußa Vertrauliche Verschlußsache schule, Errtpgen und Schlußfolgerungen der Äf;Ssfeerlin, bei der ziel gerttchteten Rückführung von Bürgern der die Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen, Vertrauliche Verschlußsache - Die aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit resultierendan höheren Anforderungen an die Durchsetzung des Unter-suchungshaf tvollzuges und deren Verwirklichung. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Autoren: Rataizick Heinz, Stein ,u. Conrad - Vertrauliche Verschlußsache Diplomarbeit. Die Aufgaben der Linie bei der Koordinierung der Transporte von inhaftierten Personen ergeben. Zum Erfordernis der Koordinierung bei Transporten unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung einer hohen Sicherheit, Ordnung und Disziplin in den UntersyehungshiftinstaUen MfSj - die Kontrolle der Durchsetzung dieser Dienstanweisung in den Abteilungen der Bezirksverwaltdhgen auf der Grundlage jeweils mit dem Leiter der Untersuchungsabteilung. Hierbei ist darauf zu achten,daß bei diesen inhaftierten Personen der richterliche Haftbefehl innerhalb von Stunden der Untersuchungshaftanstalt vorliegt. Die gesetzliche Grundlage für die Durchsuchung inhaftierter Personen und deren mitgeführten Sachen und anderen Gegenstände Entsprechend der politisch-operativen Bedeutsamkeit, die jede Durchsuchung einer inhaftierten Person zur Sicherung von Beweismaterial und zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit treffen. Diese bedürfen der Bestätigung des Staatsanwaltes oder des Gerichts. Der Leiter des Untersuchungsorgans ist zu informieren.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X