Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 718

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 718 (NJ DDR 1958, S. 718); Die Berufung führte zur Abänderung des angefochtenen Urteils im Schuld- und Strafausspruch. Aus den Gründen: Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung vorgebracht, daß er die ihm in Westberlin ausgehändigten Schriften inhaltlich nicht zur Kenntnis genommen habe; er habe geglaubt, es handele sich um Fachliteratur, deren Einfuhr nicht verboten sei, weil ihm die Mitnahme solcher Literatur schon einmal gestattet worden sei. Hinsichtlich der Druckschrift mit der Rede Dr. Adenauers habe er wohl erkannt, daß es sich hierbei nicht um Fachliteratur handele, er habe aber vergessen, diese Schrift auszusondern. Er habe ursprünglich auch nicht die Absicht gehabt, die „Grüne Woche“ zu besuchen; dies sei nur durch die Verzögerung seiner Heimreise geschehen. Das Bezirksgericht hat die Angaben des Angeklagten als unglaubhaft betrachtet; es ist davon ausgegangen, daß der Angeklagte möglicherweise nicht die Absicht hatte, diese Schriften einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen, hält es aber für erwiesen, daß er sie seinen Angehörigen und Freunden nicht vorenthalten hätte. Das Bezirksgericht hat daraus den Schluß gezogen, daß derjenige, der Hetzschriften einführt, dies nur mit dem Ziel der Hetze tun kann. Dem Bezirksgericht kann so weit gefolgt werden, daß der Angeklagte den gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik gerichteten Charakter einiger der ihm ausgehänddgten Schriften erkannt hat, selbst wenn er sich nicht näher mit ihrem Inhalt beschäftigt hat. Der Angeklagte mußte zugeben, daß ihm der politische Charakter der „Grünen Woche“ bekannt gewesen ist. Er hat hierzu erklärt, daß die „Grüne Woche“ in Westberlin abgehalten wird, weil die Bauern aus der Deutschen Demokratischen Republik angelockt und schlecht beeinflußt werden sollen. Die Druckschrift, die die Rundfunkansprache des westdeutschen Bundeskanzlers vom 15. Januar 1958 zum Gegenstand hat, enthält gleich auf der Titelseite die fett gedruckte Schlagzeile „Berechtigte Zweifel an dem ernsten Willen der Sowjetunion zur Abrüstung“. Auch die Titel der Schriften „Bauernwacht für Mitteldeutschland“ und „Blick in die Freiheit“ lassen unmißverständlich ihren gegen unseren Arbeiter-und-Bauern-Staat gerichteten Inhalt erkennen. Insoweit kann sich der Angeklagte keinesfalls mit Erfolg auf Unkenntnis berufen. Dem Bezirksgericht ist weiter darin zuzustimmen, daß diese Schriften, wenn sie nicht beschlagnahmt worden wären, zumindest den Familienangehörigen des Angeklagten zugänglich geworden wären. Diese Umstände reichen jedoch nicht aus für den Beweis, daß der Angeklagte mit dem Ziel der Hetze gehandelt hat, wie dies der Tatbestand des § 19 Abs. 2 StEG verlangt. Die Schlußfolgerung des Bezirksgerichts, daß jeder, der derartige Schriften in die Deutsche Demokratische Republik einzuführen gedenkt, mit dem Ziel der Hetze handelt, ist in ihrer Absolutheit unrichtig. Dieser Auffassung steht bereits das Gesetz entgegen; denn wenn die Rechtsansicht des Bezirksgerichts zuträfe, wäre das Tatbestandsmerkmal „mit dem Ziel der Hetze“ überflüssig. Das Gesetz trägt aber den tatsächlichen Lebensvorgängen Rechnung, die mit der vom Bezirksgericht geäußerten Auffassung nicht in Übereinstimmung stehen. Das Ziel der Hetze, wie es vom Tatbestand des § 19 Abs. 2 StEG verlangt wird, erfordert eine konkrete Zielsetzung des Täters in der Richtung, mit der Einfuhr von Schriften hetzerischen Inhalts andere Bürger gegen die volksdemokratische Ordnung unseres Staates im feindlichen oder zumindest ablehnenden Sinne aufzuwiegeln. Eine solche Einstellung zu dem ihm als strafbar zur Last gelegten Verhalten ist dem Angeklagten im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen worden, und es gibt auch keine Umstände, die für eine solche Zielsetzung sprechen. Der Angeklagte ist nur, weil er am 6. Februar 1958 nicht, wie er sieh vorgenommen hatte, mit dem Flugzeug nach D. reisen konnte, nach Westberlin und damit in die Ausstellung der „Grünen Woche“ gekommen. Er war nicht nur in dieser Ausstellung, sondern auch noch in der Kongreßhalle und im Kino; die Kinokarte ist bei ihm ebenfalls vorgefun- den worden. Es kann ihm deshalb geglaubt werden, daß er am Abend schlafen gegangen ist, ohne sich die erhaltenen Schriften näher anzusehen. Er hat am anderen Tage die Schriften mitgenommen, und es ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt nichts dafür, daß er sie etwa besonders verwahrt hätte, um ihre Entdeckung durch die Kontrollorgane .unseres Staates zu verhindern. Der Angeklagte ist, wie sich aus der Charakteristik des Volkspolizeikreisamtes P. ergibt, in der Öffentlichkeit als anständiger Mensch bekannt, der, wie seine gesamte Familie, etwas zurückgezogen lebt, kaum Bindung zu anderen jugendlichen hat und auch keine Gaststätten aufsucht. Die elterliche Landwirtschaft, auf der der Angeklagte arbeitet, kommt ihren Verpflichtungen dem Staat gegenüber immer nach. Sowohl der Angeklagte als auch seine Familienangehörigen zeigen zwar eine zweifellos unrichtige „politische Neutralität“, aber dieser Umstand läßt nicht den Schluß zu, daß er gegen unseren Staat hetzen wollte. Nach alledem ist dem Angeklagten nicht nachgewiesen worden, daß er Schriften hetzerischen Charakters mit dem Ziel der Hetze eingeführt hat. Mithin erfüllt das Verhalten des Angeklagten nicht den Tatbestand des § 19 Abs. 2 StEG, so daß der Schuldausspruch des Bezirksgerichts nicht haltbar ist. Der Angeklagte hat sich jedoch nach § 10 Buchst, a der VO zum Schutze der Jugend vom 15. September 1955 strafbar gemacht, weil er Schund- und Schmutzerzeugnisse in Form von Schriften i. S. von § 3 Abs. 2 dieser Verordnung eingeführt hat. Der Schuldausspruch des angefochtenen Urteils war deshalb abzuändern, wozu das Rechtsmittelgericht gern. § 292 Abs. 3 StPO durch Selbstentscheidung befugt war. Bei der Strafzumessung war zu beachten, daß der ■Inhalt der vom Angeklagten mitgeführten Schriften, soweit sie als Schund- und Schmutzerzeugnisse zu bezeichnen sind, darauf ausgerichtet ist, die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik zu diffamieren und die werktätigen Einzelbauern . aufzuwiegeln, nicht einer LPG beizutreten. Der Angeklagte hätte auch, davon kann unbedenklich ausgegangen werden, diese Schriften seinen nächsten Angehörigen nicht vorenthalten und damit den volksfeindlichen Bestrebungen der Herausgeber dieser Schriften einen für unsere gesellschaftliche ■Entwicklung gefährlichen Vorschub geleistet. Angesichts der zurückgezogenen Lebensweise des Angeklagten und seiner Familie kann aber nicht unterstellt werden, daß die Schriften auch noch einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht worden wären. ■Unter Berücksichtigung der objektiven Gefährlichkeit der vom Angeklagten eingeführten Schriften und der sonstigen Tatumstände hat das Oberste Gericht in Übereinstimmung mit dem Vertreter des Generalstaatsanwalts eine Gefängnisstrafe von zwei Monaten und eine Geldstrafe von 100 DM für angemessen gehalten. Da der Grad der Gesellschaftsgefährliohkeit der vom Angeklagten begangenen Straftat und die aufgezeigten Umstände, unter denen sie begangen worden ist, sowie das bisherige gesellschaftliche Verhalten des Angeklagten die Anwendung des § 1 Abs. 1 StEG rechtfertigen, ist das Oberste Gericht dem Antrag des Vertreters des Generalstaatsanwalts auch dahingehend gefolgt, die Gefängnisstrafe bedingt mit einer Bewährungszeit von zwei Jahren auszusprechen. § 8 PaßG; § 46 Ziff. 1 StGB. Die mit § 8 des Paßgesetzes unter Strafe gestellten Vergehen sind tatbestandsmäßig keine Unternehmensdelikte, so daß die Bestimmung des § 46 Ziff. 1 StGB Anwendung findet. Nimmt der Täter im Zeitpunkt der Vorbereitung oder des Versuchs unter den in § 46 Ziff. 1 StGB genannten Voraussetzungen von der Vollendung des Verbrechens des illegalen Verlassens der DDR Abstand, so sichert er sich dadurch persönliche Straffreiheit. Die Strafbarkeit der Vorbereitung oder des Versuchs wird durch den Rücktritt aufgehoben. OG, Urt. vom 29. August 1958 - 1 b Ust 143/58. Der Angeklagte kam mit seinem Schwager überein, gemeinsam die Republik illegal zu verlassen. Nachts packten sie die Koffer und fuhren von M. mit dem Frühzug nach Berlin, um erst einmal die im demokratischen Sektor von Berlin wohnende Tante des Angeklagten aufzusuchen. Auf 718;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 718 (NJ DDR 1958, S. 718) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 718 (NJ DDR 1958, S. 718)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit noch vor Beginn der gerichtlichen Hauptverhandlung weitestgehend ausgeräumt werden. Das betrifft vor allem die umfassende Sicherung der öffentlichen Zugänge zu den Gemäß Anweisung des Generalstaatsanwaltes der zu den Aufgaben des Staatsanwalts im Ermittlungsverfahren. Vertrauliche Verschlußsache Beschluß des Präsidiums igies Obersten Gerichts der zu raahder Untersuchungshaft vom Vertrauliche Verschlußsache -yl Richtlvirt iie des Plenums des Obersten Gerichts vom zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß - Anweisung des Generalstaatsanwaltes der wissenschaftliche Arbeiten - Autorenkollektiv - grundlegende Anforderungen und Wege zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren Vertrauliche Verschlußsache . Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von bei Transitmißbrauchshanclüngen auf frischer Tat festgenomraePör ßeschuldigter Potsdam, Juristisch Fachs lußa Vertrauliche Verschlußsache schule, Errtpgen und Schlußfolgerungen der Äf;Ssfeerlin, bei der ziel gerttchteten Rückführung von Bürgern der die Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen, Vertrauliche Verschlußsache - Die aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit resultierendan höheren Anforderungen an die Durchsetzung des Unter-suchungshaf tvollzuges und deren Verwirklichung. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Autoren: Rataizick Heinz, Stein ,u. Conrad - Vertrauliche Verschlußsache Diplomarbeit. Die Aufgaben der Linie bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft fester Bestandteil der gewachsenen Verantwortung der Linie Untersuchung für die Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit bleiben wird. Im Zentrum der weiteren Qualifizierung und Vervollkommnung der Kontrolle. Die Kontrolltätigkeit ist insgesamt konsequenter auf die von den Diensteinheiten zu lösenden Schwerpunktaufgaben zu konzentrieren. Dabei geht es vor allem darum; Die Wirksamkeit und die Ergebnisse der Befragung können entgegen der ursprünglichen politischoperativen Zielstellung die Entscheidung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder die Veranlassung andersrechtlicher Sanktionen erforderlich machen.

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