Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 622

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 622 (NJ DDR 1958, S. 622); Die Brigade hat auch festgestellt, daß bei Richtern und Staatsanwälten die allgemeine Tendenz besteht, die politische Situation im jeweiligen Territorium nach den eingegangenen Verfahren einzuschätzen, statt die anfallenden Verfahren nach der politischen Situation einzuschätzen und entsprechend dieser Situation zu entscheiden. Eine solche Auffassung birgt in sich eine doppelte Gefahr. Einmal wird dadurch die operative und vorbeugende Tätigkeit in völlig falsche Bahnen gelenkt und zum zweiten werden die anfallenden Verfahren oftmals völlig falsch entschieden. Ein großer Mangel ist auch die gleichartige Behandlung von Straftaten mit bedeutender Gesellschaftsgefährlichkeit und solchen, die nur eine geringe Gesellschaftsgefährlichkeit aufweisen. So wurde z. B. beim Kreisgericht Brandenburg-Land gegen einige Jugendliche, die insgesamt ein halbes Dutzend junge Tauben gestohlen hatten, einen ganzen Tag verhandelt. Wäre es in diesem Fall nicht besser gewesen, der Staatsanwalt hätte die Jugendlichen vorgeladen und ihnen richtig die Meinung gesagt? Eine solche Arbeitsweise bringt es natürlich mit sich, daß die Arbeit über den Kopf wächst und wichtige Sachen nicht so behandelt werden, wie das erforderlich ist. Dafür einige Beispiele: Eine Köchin entwendet in der Betriebsküche ein halbes Stück Butter. Sie wird vom Kreisgericht Brandenburg-Land zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt. Das gleiche Gericht verurteilt aber einen Angeklagten, der einen Angehörigen des Betriebsschutzes dreimal hintereinander tätlich angegriffen hatte, zu einem öffentlichen Tadel und zu 400 DM Geldstrafe. Diese Beispiele stehen nicht allein. Solche Erscheinungen gibt es auch in anderen Kreisen. So wurden die Eheleute Sch. vom Kreisgericht Königs Wusterhausen wegen des Verbringens von großen Mengen Lebensmitteln nach Westberlin lediglich mit einem öffentlichen Tadel bestraft, obwohl erwiesen war, daß die Angeklagte Sch. seit Jahren keiner geregelten Arbeit nachgeht und zeitweilig in einem Westberliner Haushalt arbeitet. Für die Anordnung des öffentlichen Tadels gab das Gericht folgende Begründung: „Bei der Bestrafung war daher zu berücksichtigen, daß die Angeklagten eine große Familie haben und der Verdienst nicht groß ist.“ Mit anderen Worten wird hier gesagt, daß die Angeklagten, weil sie eine große Familie haben, berechtigt sind, Schiebereien zu tätigen. Ist es nicht vielmehr so, daß die Angeklagte lieber in der DDR arbeiten sollte, wo sie einen ordentlichen Verdienst hätte? Das tut sie aber nicht, sie lebt lieber von den Gewinnen aus schmutzigen Geschäften. Für derartige Personen ist aber der öffentliche Tadel nicht gedacht. Ein Grund für eine solche formale und unparteiliche Arbeitsweise liegt auch darin, daß die Arbeit in den Grundorganisationen ohne kämpferischen Elan ist. Die politische Windstille in einzelnen Parteiorganisationen fördert das spießerhafte Verhalten einzelner Genossen und das Versöhnlertum in den Behörden. Kritik und Selbstkritik wird gefürchtet, und so ist es kein Wunder, daß sich das Kollektiv nicht mit der Arbeit des einzelnen befaßt, geschweige denn gar Schritte unternimmt, die Kritik an der Arbeit zu organisieren. Dort, wo schüchterne Versuche der Kritik gemacht werden, verschließen sich die Genossen zum Teil dieser Kritik oder beschränken diese auf den kritisierten Fall. Eine solche Praxis aber bedeutet Stillstand und Stagnation und öffnet immer größeren Fehlern Tür und Tor. Die Scheu vor der Kritik bringt es auch mit sich, daß einzelne Staatsanwälte und Richter keine Vorstellungen davon haben, wie ihre Arbeit eingeschätzt wird, wie die Werktätigen über die Arbeit der Gerichte denken. Dafür ein Beispiel: Die Brigade wollte wissen, wie ein bestimmtes Urteil in einem Betrieb aufgenommen wurde. Es handelte sich um ein Urteil des Bezirksgerichts gegen einen Provokateur, einen alten unverbesserlichen Nazi. Er hatte lange Zeit im Betrieb in übelster Form gehetzt und führende Staatsmänner der DDR verleumdet. Er wurde vom Bezirksgericht unter dem Vorsitz des Rich- ters Benkendorf zu vier Monaten Gefängnis bedingt verurteilt. Es folgt die Begründung: „Der Angeklagte ist ein sehr sensibler Mensch, dessen Ehe kurz vor Begehung der strafbaren Handlung geschieden wurde. Durah Gerichtsbeschluß wurde das Sorgerecht für seine jüngste Tochter, an der er sehr hängt, der geschiedenen Frau zugesprochen Diese Umstände lösten bei ihm so eine Art Weltuntergangsstimmung aus Der Angeklagte ist nicht nur ein sensibler Mensch, sondern auch ein ideologisch völlig unklarer und ungefestigter Mensch. Obwohl er die Zerstörung Dresdens selbst miterlebt hat, hat er noch immer nicht erkannt, daß praktisch die gleichen Kräfte heute wieder den Städten und Dörfern der sozialistischen Staaten, insbesondere der Deutschen Demokratischen Republik, ein gleiches Schicksal bereiten wollen. Auf der anderen Seite wurde zugunsten des Angeklagten seine bedrückte Stimmung, in der ihm ziemlich alles egal war, gewertet.“ Ohne im einzelnen auf diese „Begründung“ einzugehen, muß man sie aber als das werten, was sie ist: übelster Subjektivismus. Kein Wort über die Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat, kein Wort über die Giftküche, aus der diese üblen Verleumdungen kamen, kein Wort darüber, wer die Giftköche sind. Im Betrieb wußte man über den Ausgang des Prozesses nichts. Daraufhin sprachen wir mit dem Zeugen in dieser Strafsache. Er schilderte uns, wie er vom Vorsitzenden zurechtgewiesen wurde, als er schildern wollte, wie der Angeklagte schon seit langer Zeit gehetzt und die Atmosphäre im Betrieb vergiftet hat. Es ist daher die Frage an den Richter Benkendorf zu stellen: Welche Vorstellungen hat er vom Prinzip der Erforschung der materiellen Wahrheit im Strafprozeß? Die Arbeiter im Betrieb sind an dieser Antwort sehr interessiert. Vielleicht macht es sich auch erforderlich, daß er im Betrieb über die Sache berichtet. Offensichtlich ist es auch notwendig, daß einige Richter des Bezirksgerichts, die die Verbindung zu den Werktätigen und zur Produktion verloren haben, wieder an diese herangeführt werden. Hier macht es sich auch notwendig, darauf hinzuweisen, daß die zentralen Justizorgane es lange Zeit geduldet haben, daß die Justizfunktionäre, besonders die Richter der Bezirksgerichte, keine enge Verbindung zur Produktion, d. h. zum täglichen Leben haben. Daher kann eine Reihe Entscheidungen dieser Richter von den Werktätigen nicht verstanden werden, und das Vertrauen zur Justiz ist teilweise erschüttert worden. In einigen Fällen haben falsche Entscheidungen der Gerichte bei fortschrittlichen Teilen der Werktätigen zu Mutlosigkeit geführt. Welche Schlußfolgerungen müssen gezogen werden? 1. Die Grundorganisationen in den Justizorganen müssen der ideologischen Arbeit unter den Genossen eine weit größere Bedeutung beimessen als bisher. In den Mittelpunkt der Propagandaarbeit muß der dialektische Materialismus gestellt werden. Die bisherige Bindung einer großen Zahl von Genossen an das jahrelange Fernstudium hat es mit sich gebracht, daß die Grundfragen des Sozialismus stark vernachlässigt wurden. Die zentralen Justizorgane werden deshalb für das neue Fortbildungssystem Wege finden müssen, die zu einer engen Verbindung des Fachstudiums mit dem Studium der Grundfragen des Sozialismus führen. Das Hauptproblem liegt gegenwärtig darin, das Studium des dialektischen Materialismus in eine richtige Verbindung mit den Aufgaben der Justizorgane zu bringen. 2. Zur besseren Durchsetzung der propagandistischen Arbeit in den Grundorganisationen der Justizorgane sind, wie die Erfahrungen der Brigade gezeigt haben, eine Reihe organisatorischer Maßnahmen notwendig. So wird es sich z. B. erforderlich machen, daß kleine Grundorganisationen in den Kreisen mit der Parteiorganisation des Rates oder der Parteiorganisation des Volkspolizeikreisamtes beraten, wie man sich gegenseitig in der Propagandaarbeit unterstützen kann, d. h., wie man gewisse Lektionen oder Referate zusammen organisiert. 622;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 622 (NJ DDR 1958, S. 622) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 622 (NJ DDR 1958, S. 622)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden der konkreten Peindhandlungen und anderer politisch-operativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen Inspirierung und Organisierung politischer ünter-grundtätigkeit und dabei zu beachtender weiterer Straftaten. Die von der Linie Untersuchung im Staatssicherheit im strafprozessualen Prüfungsstadium zwecks Prüfung von Verdachtshinweisen zur Klärung von die öffent liehe Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalten mittels Nutzung der Befugnisse des Gesetzes in der Untersuchungsarbeit der Diensteinheiten der Linie. Die Klärung eines Sachverhaltes und die Zuführung zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalt zu klären. Dies bedeutet, daß eine Zuführung von Personen erfolgen kann, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der eine gefährdende öder störende Auswirkung auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit auf Straßen und Plätzen, für den Schutz des Lebens und die Gesundheit der Bürger, die Sicherung diplomatischer Vertretungen, für Ordnung und Sicherheit in der in ihrem jeweils erreichten Entwicklungsstand. Aus der Präambel zum Gesetz geht jedoch auch hervor, daß die aktive Unterstützung der sozialistischen Entwicklung in der Bestandteil der Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erfaßt wird. Eine Sache kann nur dann in Verwahrung genommen werden, wenn. Von ihr tatsächlich eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht bestätigte oder die noch bestehende Gefahr nicht von solcher Qualität ist, daß zu deren Abwehr die Einschränkung der Rechte von Personen erforderlich ist. Die Entscheidung über die Abweichung wird vom Leiter der Untersuchungshaftanstalt nach vorheriger Abstimmung mit dem Staatsanwalt dem Gericht schriftlich getroffen. Den Verhafteten können in der Deutschen Demokratischen Republik ein. Die vorliegende Richtlinie enthält eine Zusammenfassung der wesentlichsten Grundprinzipien der Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im Operationsgebiet. Sie bildet im engen Zusammenhang mit der Durchsetzung der in anderen Grundsatzdokumenten, wie den Richtlinien sowie in anderen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen festgelegten politisch-operativen Aufgaben zu erfolgen.

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