Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 492

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 492 (NJ DDR 1958, S. 492); Zeuge G. in der Lehre. Zwischen dem Angeklagten und seinem gleichfalls in dem Betrieb beschäftigten Sohn bestanden Spannungen, die zu Auseinandersetzungen führten. Darunter litt die Arbeitsfreudigkeit des Lehrlings G., der unter den Einfluß des Sohnes des Angeklagten geraten war. Er führte die ihm übertragenen Arbeiten nicht immer ordnungsgemäß aus. Durch dieses Verhalten des Lehrlings wurde der Angeklagte so erzürnt, daß er ihm in mindestens drei Fällen Ohrfeigen gab und dabei einmal versuchte, ihn in das Gesäß zu treten. Am 23. Oktober 1957 bemerkte der Angeklagte, daß sein Sohn und der Lehrling G. das Eintopfen von Azaleenpflanzen unfachmännisch ausführten. Daraufhin schleuderte er dem Lehrling eine Azaleenpflanze in das Gesicht. Auf Grund dieses Sachverhalts wurde der Angeklagte wegen Körperverletzung (§ 223 StGB) angeklagt. Das Kreisgericht W. hat den Angeklagten freigesprochen. Dieser Entscheidung hat das Kreisgericht § 8 StEG zugrunde gelegt und u. a. ausgeführt: Die Handlung des Angeklagten erfülle den Tatbestand eines Strafgesetzes; es könne aber dahingestellt bleiben, ob eine Körperverletzung oder eine tätliche Beleidigung vorliege. Sein Verhalten sei zwar verwerflich; da ihm jedoch eine Böswilligkeit nicht nachzuweisen sei, sondern angenommen werden müsse, daß er ein sozialer Arbeitgeber sei, der seine Lehrlinge grundsätzlich anständig behandelt und bestrebt ist, ihnen ein gutes Wissen beizubringen, liege gern. § 8 StEG eine Straftat nicht vor. Der Präsident des Obersten Gerichts hat die Kassation dieses Urteils beantragt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: § 8 StEG unterscheidet die Verbrechen von nicht strafbaren Handlungen, dadurch, daß bei letzteren das Merkmal der Gesellschaftsgefährlichkeit als materielle Eigenschaft des Verbrechens nicht gegeben ist. Nach dieser Bestimmung liegt eine Straftat nicht vor, wenn eine Handlung nur dem Wortlaut eines gesetzlichen Tatbestandes entspricht, sie aber wegen ihrer Geringfügigkeit und mangels selbst eines Minimums schädlicher Folgen für die Deutsche Demokratische Republik, den sozialistischen Aufbau, die Interessen des werktätigen Volkes und des einzelnen Bürgers nicht gefährlich ist. Das bedeutet, daß eine solche Handlung nicht gesellschaftsgefährlich und daher nur scheinbar tatbestandsmäßig ist. Die Feststellung des Kreisgerichts, der Angeklagte habe mit seiner Handlung die Tatbestandsmerkmale eines Strafgesetzes verwirklicht, läßt die Anwendung des § 8 StEG nicht zu. Der materielle Verbrechensbegriff, der in § 8 StEG gesetzlich fixiert worden ist, beschreibt den Klassencharakter und die Eigenschaft aller Verbrechen ohne Berücksichtigung ihrer konkreten Erscheinungsform, die in speziellen 'Straftatbeständen beschrieben ist. Daraus ergibt sich, daß für die Beurteilung, ob eine Handlung verbrecherischen Charakter hat, d. h. ob sie gesellschaftsgefährlich, moralisch-politisch verwerflich, rechtswidrig und strafbar ist oder nicht, die Prüfung erforderlich ist, ob sie allen Merkmalen eines bestimmten Straftatbestandes entspricht. Das Kreisgericht hätte daher nicht nur wahlweise das Vorliegen von Körperverletzung oder tätlicher Beleidigung feststellen dürfen, sondern hätte wie mit . dem Kassationsantrag mit Recht gefordert wird prüfen müssen, ob das in der Anklage bezeichnete Verhalten des Angeklagten, wie es sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, einen oder mehrere Straftatbestände erfüllt. Nur aus der Prüfung eines bestimmten Verbrechenstatbestandes ist die Feststellung möglich, ob eine Hand- lung trotz Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale nicht gesellschaftsgefährlich ist, d. h. ob und in welchem Umfange das von diesem Tatbestand geschützte Objekt verletzt oder gefährdet wurde. Im vorliegenden Falle hätte das Kreisgericht das Verhalten des Angeklagten als Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) beurteilen müssen. Der Angeklagte hat den Lehrling dreimal geohrfeigt und ihm eine Azaleenpflanze ins Gesicht geworfen, ihn also vorsätzlich körperlich mißhandelt. Eine weitere Voraussetzung für die Verurteilung aus dieser Bastimmung ist nicht erforderlich. Deshalb ist es fehlerhaft, daß das Kreisgericht daraus, daß es bei dem Angeklagten keine Böswilligkeit feststellen konnte, schlußfolgerte, es liege keine Straftat vor. Die fehlende Böswilligkeit des Angeklagten und die Annahme, er sei „im großen und ganzen ein sozialer Arbeitgeber“, hat das Kreisgericht offenbar bewogen, die Handlungen des Angeklagten als geringfügig i. S. des § 8 StEG zu beurteilen. Das ist unrichtig. Die Geringfügigkeit im Sinne dieser Bestimmung ist nur e i n Merkmal fehlender Gesellschaftsgefährlichkeit der Handlung; den Mangel an schädlichen Folgen für die Deutsche Demokratische Republik, den sozialistischen Aufbau, die Interessen des werktätigen Volkes und des einzelnen Bürgers hat das Kreisgericht überhaupt nicht geprüft. Der Ausschluß der Gesellschaftsgefährlichkeit kann aber nur bei Vorliegen aller Voraussetzungen des § 8 StEG bejaht werden. Für die Beurteilung, ob die Gesellschaftsgefährlichkeit der Handlung aus diesen Gründen ausgeschlossen ist oder nicht, sind in erster Linie die objektiven Umstände der begangenen Handlung zu prüfen. Sie sind von entscheidender Bedeutung für das Ergebnis dieser Prüfung. Die Persönlichkeit des Handelnden und seine Motive werden zumeist nur in Grenzfällen Bedeutung erlangen. Das Kreisgericht hat die in der Person des Angeklagten liegenden Umstände überbewertet und teilweise falsch gewürdigt. Zutreffend wird in dem Kassationsantrag darauf hingewiesen, daß zwischen dem Angeklagten und seinem Lehrling ein Lehrverhältnis bestand, auf Grund dessen der Angeklagte nicht nur für die fachliche Ausbildung, sondern darüber hinaus für die gesamte Entwicklung des Lehrlings verantwortlich war. Der Umstand, daß der Lehrling Anlaß zu Beanstandungen gegeben hatte, gab dem Angeklagten kein Recht, die ihm auferlegten Pflichten zu mißachten und ihn körperlich zu züchtigen. Seine Handlung widerspricht sozialistischen Erziehungsprinzipien. Das hat das Kreisgericht nicht erkannt. Es ist vielmehr davon ausgegangen, daß der Angeklagte ein „sozialer Arbeitgeber“ sei, der daran interessiert sei, die Lehrlinge „grundsätzlich anständig“ zu behandeln. Diese Auffassung des Kreisgerichts steht nicht nur im Widerspruch zu seiner eigenen Feststellung, wonach das Verhalten des Angeklagten als verwerflich zu bezeichnen ist; sie steht auch im Widerspruch zu den Anschauungen der werktätigen Menschen, die wahrhaft soziale gesellschaftliche Verhältnisse schaffen und die Prügelstrafe als Ausdruck alter, längst überlebter Erziehungsmethoden grundsätzlich verwerfen. Im übrigen hätte das Kreisgericht beachten müssen, daß die Bezeichnung „sozialer Arbeitgeber“ keine Berechtigung hat. Sie dient in kapitalistischen Staaten dazu, die ausgebeuteten Werktätigen vom Klassenkampf abzuhalten und ihnen vorzuspiegeln, ihre wirtschaftliche Lage beruhe auf Unzulänglichkeiten einiger Kapitalisten, nicht aber auf dem kapitalistischen System. Sie dient der Verschleierung der Widersprüche dieses Systems und damit der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ausbeutung. Das Urteil des Kreisgerichts verletzt durch Nichtanwendung des § 223 Abs. 1 StGB und fehlerhafte Anwendung des § 8 StEG das Gesetz. Es war daher aufzuheben und die Sache an das Kreisgericht zurückzuverweisen. §§ 15, 19 StEG. 1. Schriften i. S. des § 19 Abs. 2 StEG sind für das Auge sichtbare, für einen unbestimmten oder größeren Personenkreis geeignete oder bestimmte staatsgefährdende propagandistische oder hetzerische Äußerungen. Auf die Art und Methode ihrer Herstellung kommt es nicht an. 2. Der Tatbestand des Sammelns von Nachrichten für eine in § 14 StEG genannte Organisation ist sowohl durch das Sammeln selbst als auch durch das schriftliche Festhalten von als Nachrichten geeigneten Vorkommnissen und Fakten erfüllt, und zwar auch dann, wenn sie vom Täter zur Zeit der Wahrnehmung noch nicht als Nachrichten für die genannte Organisation in seinem Gedächtnis eingeprägt und für diesen Zweck vorgesehen waren. 3. In Fällen der Nachrichtenübermittlung, in denen diese Nachrichten ihrer Natur nach hetzerischen Charakter tragen, ist nur § 15 StEG anzuwenden. OG, Urt. vom 16. Mai 1958 1 b Ust 27/58. Vor seiner Tätigkeit an der Universität suchte der Angeklagte im Jahre 1953 wegen seiner beruflichen Entwicklung eine Dienststelle des Außenhandels in Berlin auf. 492;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 492 (NJ DDR 1958, S. 492) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 492 (NJ DDR 1958, S. 492)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Durch den Leiter der Hauptabteilung Kader undlj-S.chu lung und die Leiter der zuständigen Kaderorgane ist zu gewä rleisten daß die ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse für die Arbeit mit verantwortungsbewußt nsequenter Durchsetzung von Konspiration Geheimhaltung. und innerer Sicherheit wahrgenommen und zweckmäßig eingeordnet werden. Sie haben für die Realisierung -in Rahmen der Arbeit mit zu entwickeln und konkrete Festlegungen getroffen werden. Grundsätzlich muß sich Jeder Leiter darüber im klaren sein, daß der Ausgangspunkt für eine zielgerichtete, differenzierte politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befämgüöl der mittleren leitenden Kader und führenden Mitarbeiter hat zieigpigbhg und differenziert vorrangig im Prozeß der täglichen politisch-operativegäEfei zu erfolgen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die Beweisführung im Operativen Vorgang, denn nur auf der Grundlage der im Operativen Vorgang erarbeiteten inoffiziellen und offiziellen Beweismittel läßt sich beurteilen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für die Einleitung desselben vorliegen und ein solches angestrebt wird. Ausgehend von der Orientierung des Leiters der Hauptabteilung ist es bei politischoperativem Erfordernis möglich, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft können jedoch wesentliche politisch-operative Zielsetzungen realisiert worden. Diese bestehen insbesondere in der Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit schöpferisch mit den geeignetsten Mitteln und Methoden zu unterbinden und zur Abwendung weiterer Gefahren differenziert, der Situation entsprechend angepaßt, zu reagieren. Die hohe Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug. Das trifft besonders auf die Verhafteten zu, die wegen des dringenden Tatverdachtes der Spionage gemäß Strafgesetzbuch durch Staatssicherheit in Ermittlungsverfahren bearbeitet werden.

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