Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 488

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 488 (NJ DDR 1958, S. 488); sonders gefährlichen Charakter. Werden solche Widerstandshandlungen, wie im vorliegenden Fall, noch durch Tätlichkeiten und darüber hinaus; durch Anwendung gefährlicher Werkzeuge oder Bedrohung mit diesen begangen, so läßt der Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit dieser Taten eine Anwendung des § 1 StEG nicht zu. Schließen schon diese Gründe den Ausspruch einer bedingten Verurteilung aus, so sind' auch die vom Kreisgericht zur Begründung seines Strafausspruchs angeführten Umstände, der Angeklagte habe aus der Hauptverhandlung die notwendigen Lehren gezogen und werde nunmehr ein Verhalten an den Tag legen, das eines Bürgers unserer Republik würdig sei, angesichts des sonstigen gesellschaftlichen Verhaltens des Angeklagten nicht überzeugend. Das Kreisgericht stellt selbst an Hand mehrerer Beispiele zutreffend fest, daß der Angeklagte streitsüchtig ist und ständig in Unfrieden mit den Bürgern des Ortes lebt, so daß sich selbst die erholungsuchenden Kurgäste bereits über ihn beschwert haben. Es führt ferner zur Charakterisierung des Angeklagten den Inhalt schwerer Beschimpfungen gegenüber Mitbürgern an, die sein Verhalten vor der Tat nicht nur als streitsüchtig kennzeichnen. Wie die Bezeichnung eines Bürgers als „Kommunistenschwein“ und „Hund“ und eines weiteren Bürgers als „Wasserpolak“ erkennen läßt, kommt darin auch seine ablehnende Einstellung zum Arbeiter-und-Bauern-Staat sowie zu unseren Anschauungen über das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger zum Ausdruck. Diese mehrfach, darunter auch in der Vorstrafe wegen Körperverletzung, erkennbar gewordene Einstellung des Angeklagten findet ihren Niederschlag ferner in seiner Bemerkung auf der Volkspolizeidienststelle, wo er sich damit brüstete, preußischer Feldwebel gewesen zu sein. Entgegen der Behauptung des Angeklagten läßt sich sein Verhalten auch nicht mit seiner Körperbehinderung sowie dadurch bedingten Erregungszuständen erklären. Der Angeklagte ist durch sein körperliches Leiden nicht beeinträchtigt gewesen, wiederholt gegen andere Bürger tätlich vorzugehen. Nach alledem sind die Voraussetzungen für eine bedingte Verurteilung nicht gegeben. § 1 StGB; § 223 StGB. 1. Erst eine sorgfältige Prüfung aller im § 1 StEG angeführten Voraussetzungen läßt die Entscheidung darüber zu, ob eine bedingte Verurteilung erfolgen kann. 2. Zur Anwendung der bedingten Verurteilung bei vorsätzlicher Körperverletzung. OG, Urt. vom 30. Mai 1958 - 2 Zst III 23/58. Das Kreisgericht G. hat den Angeklagten am 18. März 1958 wegen Körperverletzung bedingt zu zwei Monaten Gefängnis und dem Grunde nach zum Ersatz des entstandenen Schadens verurteilt. Das Kreisgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: Am 8. Februar 1958 lief die 14jährige Tochter Ilona des Angeklagten auf dem Gründelteich Schlittschuh. Der um ein Jahr ältere Zeuge H. nahm ihr aus Scherz das Kopftuch weg. Trotz mehrmaliger Aufforderung gab er das Tuch nicht zurück, so daß das Mädchen verärgert nach Hause ging und den Vorfall seinem Vater berichtete. Dieser ging mit seiner Tochter und unter Mitnahme seines Hundes zur Eisbahn und forderte den Zeugen auf, unverzüglich das Tuch herauszugeben, andernfalls er den Hund auf ihn hetzen würde. Der Junge näherte sich daraufhin dem Angeklagten und seiner Tochter, hielt dieser das Tuch entgegen und forderte sie auf, es abzunehmen. Der Angeklagte verbot seiner Tochter jedoch die Abnahme und bestand darauf, daß der Junge ihr das Tuch überreiche. Als der Zeuge dieser Forderung nachkam, ergriff ihn der Angeklagte am Handgelenk und schlug ihn mehrfach m das Gesicht. Durch die Schläge verlor der Zeuge zwei Zähne; zwei weitere wurden beschädigt, so daß sie später gezogen werden mußten. Der Präsident des Obersten Gerichts hat die Kassation der Entscheidung des Kreisgerichts beantragt. Dem Kassationsantrag war stattzugeben. Aus den Gründen: Bei der Anwendung des § 1 StEG ist zu beachten, daß das Gericht mit der bedingten Verurteilung eine Strafe ausspricht, die grundsätzlich keine Freiheitsentziehung zur Folge hat. Eine Vollstreckung der ausgesprochenen Strafe erfolgt nur, wenn der Verurteilte die in sein zukünftiges Verhalten gesetzten Erwartungen nicht erfüllt und in der vom Gericht festgesetzten Bewährungszeit eine neue Straftat begeht, für die eine mehr als dreimonatige Gefängnisstrafe ausgesprochen wird. Daraus ergibt sich, daß nur in solchen Fällen bedingt verurteilt werden kann, in denen die erzieherische Funktion der Strafe gegenüber der Repressivfunktion überwiegt. Die Entscheidung darüber, ob diese für den Ausspruch einer bedingten Verurteilung unerläßliche Voraussetzung im Einzelfall gegeben ist, hat das Gericht auf Grund einer sorgfältigen Prüfung der im § 1 Abs. 1 StEG aufgeführten objektiven und subjektiven Faktoren zu treffen. Erst wenn das Gericht festgestellt hat, daß sowohl der Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat, die Umstände, unter denen sie begangen wurde, als auch das Verhalten des Täters vor und nach Begehung der Tat eine bedingte Verurteilung recht-fertigen, kann § 1 StEG angewendet werden. Es genügt nicht, wenn lediglich eine dieser Voraussetzungen vorliegt. Das Kreisgericht hat die bedingte Verurteilung des Angeklagten damit begründet, daß dieser sich bisher straffrei geführt habe und einige Umstände zugunsten des Angeklagten zu werten seien. Es hat zwar nicht dargelegt, welche Umstände das sind; vermutlich diese Annahme wird aus den Feststellungen des Kreisgerichts hergeleitet hat es den unangebrachten Scherz des Zeugen und die dadurch hervorgerufene Erregung des Angeklagten gemeint. Dem Angeklagten ist zuzugestehen, daß das Verhalten des Zeugen dazu angetan war, eine Verärgerung herbeizuführen. Wie er in der polizeilichen Vernehmung ausgesagt hat, hat seine Tochter ein Ohrenleiden. Der Angeklagte mußte daher befürchten, daß sich das Leiden seiner Tochter durch die Wegnahme des Kopftuchs verschlimmern könnte. Gleich wohl, kann die unangebrachte Neckerei des Jugendlichen nicht die Tat des Angeklagten rechtfertigen und den Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit seines Verhaltens nicht mindern. Jede vorsätzliche Körperverletzung ist Ausdruck der Mißachtung der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit der Menschen sowie der Regeln eines geordneten gesellschaftlichen Zusammenlebens. Sie offenbart Rücksichtslosigkeit und mitunter Brutalität. In unserem Staat, in dem die Sorge um den Menschen im Mittelpunkt aller Tätigkeit der Staatsorgane steht, darf die vorsätzliche gesundheitliche Schädigung eines Bürgers in ihrer Bedeutung und Auswirkung nicht unterschätzt werden. Bei der Einschätzung der Tat des Angeklagten muß erschwerend berücksichtigt werden, daß er in reifem Alter steht und weiß, daß junge Menschen mitunter unüberlegt handeln und nicht immer abzuschätzen wissen, wie weit ein Scherz getrieben werden darf. Der Angeklagte hat sich jedoch von diesen Gedanken nicht leiten lassen, sondern hat auf den Jungen eingeschlagen, als er seiner habhaft werden konnte, und zwar derart brutal, daß der Zeuge zwei Zähne verlor und zwei weitere abbrachen, so daß auch diese später entfernt werden mußten. Ein derartiges Vorgehen ist auch unter dem Gesichtspunkt der Erziehung unserer Jugendlichen zu aufrechten, selbständigen, vom Geiste des Humanismus durchdrungenen Menschen aufs schärfste abzulehnen, da eine körperliche Züchtigung zu der dem Angeklagten im übrigen jegliches Recht abzusprechen ist auf den davon Betroffenen erniedrigend wirkt. Besonders verwerflich ist auch der Umstand, daß er die Tätlichkeit beging, obwohl der Jugendliche bereitwillig seiner Aufforderung, das Tuch zurückzugeben, nachkam. Demnach sprechen weder der Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat noch die Umstände, unter denen sie begangen wurde, für eine bedingte Verurteilung des Angeklagten. Im übrigen rechtfertigt das Verhalten des Angeklagten vor und nach der Tat nicht einen derartigen Strafausspruch. Wie aus dem Schlußbericht des Ermittlungsorgans hervorgeht, hat der Angeiklagte, der einen guten Leumund genießt, bei der Vernehmung zwar sein Bedauern über die dem Zeugen beigebrachten Verletzungen zum Ausdruck gebracht. Andererseits hat er sich aber nicht dazu überwinden können, die Mutter 488;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 488 (NJ DDR 1958, S. 488) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 488 (NJ DDR 1958, S. 488)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug schuldhaft verletzten. Sie dienen der Disziplinierung der Verhafteten, der Sicherung der Ziele der Untersuchungshaft und des Strafverfahrens sowie zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit, zu lösen. Die Tätigkeit der hauptamtlichen ist darauf gerichtet, zur schöpferischen Umsetzung und störungsfreien Erfüllung der Beschlüsse der Parteiund Staatsführung zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Diese Auffassung knüpft unmittelbar an die im Abschnitt der Arbeit dargestellten Tendenzen der Dekriminalisierung und Depönalisierung an und eröffnet der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Möglichkeiten zur weiteren Qualifizierung der operativen Grundprozesse Stellung genommen. Dabei erfolgte auch eine umfassende Einschätzung des Standes und der Effektivität der Arbeit. Die daraus abgeleitete Aufgabenstellung zur weiteren Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit auf diesem Gebiet enthaltenen Festlegungen haben durchgeführte Überprüfungen ergeben, daß insbesondere die in den Befehlen und angewiesenen Ziel- und Aufgabenstellungen nicht in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände der konkreten Eeindhandlungen und anderer politischoperativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen, Staatsfeindliche Hetze, staatsfeindliche Gruppenbildung und andere negative Gruppierungen und Konzentrationen sowie weitere bei der Bekämpfung von Untergrundtätigkeit zu beachtende Straftaten Terrorhandlungen Rowdytum und andere Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung Landesverrat Ökonomische Störtätigkeit und andere Angriffe gegen die Volkswirtschaft der des ungesetzlichen Verlassens und der Erzwingung von Übersiedlungen unter Beachtung sich ergebender Beweiserforder-nisse und Konsequenzen für die Rechtsanwendung durchgeführt.

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