Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 441

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 441 (NJ DDR 1958, S. 441); Im Verfahren gegen G. (vor dem Kreisgericht Ückermünde) lag folgendes vor: Der Täter hatte, nachdem er ein Stoppschild überfahren hatte, der Aufforderung eines Voltepolizisten, sich auszuweisen, nicht Folge geleistet. Im Verlauf der daraus folgenden Auseinandersetzung schlug er dem Volkspolizisten ins Gesicht. G. wurde zu einem Monat Gefängnis bedingt verurteilt. Solche Beispiele, die sich beliebig fortsetzen ließen, zeigen, daß unsere Genossen sich über die Gefährlichkeit dieser Delikte nicht im Maren' sind. Nicht das Verhalten der Genossen der Volkspolizei gibt Anlaß zu milden Urteilen, sondern das sog. taktisch falsche Verhalten ist nur ein Vorwand, um diese Delikte zu bagatellisieren. Man muß feststellen, daß die Genossen ihre Arbeit zu unpolitisch erledigen, oft formal entscheiden, zum Teil den Klassenkampf unterschätzen und auch nicht begreifen, daß der Klassenkampf mit verschiedenen Methoden geführt wird: sowohl politisch, ökonomisch als auch ideologisch. Das politisch falsche Herangehen an die Erledigung von Sachen zeigt sich auch bei der Bearbeitung von Fällen der allgemeinen Kriminalität, zeigt sich in der Arbeit mit dem Strafrechtsergänzungsgesetz und findet seinen Ausdruck sowohl in falschen Strafen als auch in den Urteilsgründen. Im Kreis Malchin sind seit dem 1. Januar 1958 in 24 Verfahren 36 Personen wegen eines Angriffs auf gesellschaftliches Eigentum bestraft worden. Davon wurde bei 16 Personen auf einen öffentlichen Tadel erkannt, 7 Personen wurden bedingt verurteilt, bei 2 Personen wunde auf eine geringe Geldstrafe erkannt, und nur in 11 Fällen hat das Kreisgericht eine Freiheitsstrafe ausgesprochen; von diesen 11 Fällen liegen bei 7 die Strafen bis zu 6 Monaten. Werden so die Angriffe gegen gesellschaftliches Eigentum ziemlich milde behandelt, so finden wir im Verhältnis dazu eine härtere Bestrafung der Angriffe auf persönliches Eigentum. Im Jahre 1957 sind im gesamten Bezirk von den Strafverfahren wegen Verbrechen gegen gesellschaftliches Eigentum 38,5 Prozent mit Gefängnisstrafen und 61,5 Prozent mit Geldstrafen abgeschlossen worden, während es bei privatem Eigentum 57 Prozent Gefängnisstrafen und 43 Prozent Geldstrafen waren. Offensichtlich sind hier die Proportionen verschoben worden, und man muß schlußfolgern, daß die Genossen die Bedeutung des gesellschaftlichen Eigentums unterschätzen und dem Privateigentum einen höheren Schutz angedeihen lassen. Als Beispiel dafür, welche falschen Auffassungen in den Urteilsgründen zum Ausdruck kommen, folgendes: Im Kreis Malchin wird ein Großbauernsohn bestraft, weil er die Gemeindesekretärin bestochen und das gleiche beim Bürgermeister versucht hatte, um eine Herabsetzung seines Solls zu erreichen.1 Das Urteil schließt mit den Worten: „Dem Angeklagten wird empfohlen, sich als Vorstandsmitglied der VdgB und als Gemeindevertreter mehr gesellschaftlich zu betätigen, denn gerade in Briggow ist die Entfaltung der gesellschaftlichen Arbeit notwendig.“ Wollen wir etwa das gesellschaftliche Leben durch-korrupte Elemente entwickeln? Anstatt in dieser Richtung Empfehlungen zu geben, wäre es angebracht gewesen, wenn das Gericht der Gemeinde empfohlen hätte, den Verurteilten als Gemeindevertreter abzuberufen. Was das Zivilrecht betrifft, sieht es im Bezirk Neubrandenburg wesentlich günstiger aus als in den Bezirken Magdeburg und Gera. Trotzdem kann man nicht zufrieden sein, weil sich auf diesem Gebiet noch starke formalistische Tendenzen zeigen und das neutrale Schiedsrichtertum der Richter noch nicht überwunden ist. Auch im Zivilrecht verlangen wir eine parteiliche, die Interessen des Staates, d. h. der Werktätigen, wahrende Haltung des Gerichts. Wie ist das zu verstehen? In Teterow z. B. hat der Konsum Klagen auf Herausgabe von auf Teilzahlung gekauften Waren anhängig gemacht, für die die Raten nicht bezahlt wurden. Was liegt uns daran, einen Kinderwagen i vgl. auch Foth auf S. 462 dieses Heftes. zurückzuerhalten, der 1l/2 Jahre lang in Gebrauch war, wenn nicht gleichzeitig mit der Klage der entstandene Schaden geltend gemacht wird. Den Genossen Gemballa läßt das 'kalt, er drängt nicht auf Ergänzung des Antrags, wie es seine Pflicht wäre und wie es jedem Genossen mit Staatsbewußtsein selbstverständlich wäre. Genosse Gemballa sagt, dann' könne er ja nicht mehr zehn Klagen in einer halben Stunde erledigen. Genosse Gemballa will gegen eine LPG entscheiden und einem ausgeschlossenen LPG-Mitglied den von ihm geltend gemachten Anspruch auf gestützte Arbeitseinheiten zubilligen. Trotz längerer Diskussion, daß in solchen Fällen aus juristischen wie auch aus politischen Gründen ein Anspruch nicht besteht, antwortet Genosse Gemballa: „Was die anderen erhalten, muß der auch bekommen; vielleicht ist der Ausschluß zu Unrecht erfolgt, das muß man erst mal prüfen“. Genossen Gemballa interessiert hier nicht die genossenschaftliche Demokratie und auch nicht die LPG, ihm liegt der Einzelbauer mehr am Herzen. In einer anderen Klage gegen eine LPG bespricht Genosse Gemballa mit dem Anwalt des Klägers faktisch die Marschroute gegen die LPG. Genosse Gemballa mag hier seine Haltung und Einstellung erklären. Die von der Partei und Regierung geforderte Änderung der Arbeitsweise ist auch .für die Justiz unerläßlich. Im Bezirk Neubrandenburg ist das politische Hauptproblem die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft, also muß, wenn unsere Justiz mehr in den gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß eingreifen will, auch die Tätigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften darauf orientiert sein. Wie sieht es damit aus? Allgemein ist bekannt, welche Schwierigkeiten die MTS in der Beitreibung von Forderungen haben und daß zeitweilig Zahlungsbefehle in großer Menge beantragt werden. Man hat sich damit beschäftigt und hat die Zahlungsbefehle und Klagen nur unter rechtlichem Aspekt, aber nicht als politisches Problem gesehen.2 Die Abteilung IV des Bezirksstaatsanwalts berichtet in ihrem Jahresbericht für 1957: „Der Rückgang von VE-Sachen ist u. a. darauf zurückzuführen, daß von den Staatsanwälten in besonderem Maße darauf hingewirkt wurde, daß VEB, insbesondere MTS, keine Klagen erheben bzw. Zahlungsbefehle beantragen. Die Arbeit der Staatsanwälte hat zu einem starken Rückgang der durch die MTS beantragten Zahlungsbefehle geführt.“ Millionen von Mark hätte unser Staat nicht verloren, wenn es eine größere Ordnung, ein höheres Verantwortungsbewußtsein bei den MTS und den verantwortlichen Organen gegeben hätte und unsere Genossen etwas weitsichtiger gewesen wären. Die MTS Iwenack hat heute noch 40 000 DM rückständige Forderungen. 1955 waren es 160 000 DM, davon sind 93 000 DM gestrichen worden, unter welchen Umständen, ist heute nicht mehr bekannt, läßt sich auch nicht mehr nachprüfen. In der MTS Wesenberg sind per 31. Dezember 1956 85 Prozent der Schulden von Großbauern gestrichen worden, bei Mittel- und Kleinbauern 2 Prozent, dagegen bei LPG nichts. Diese MTS hatte am 31. Dezember 1957 105 000 DM offene Forderungen, die bis zum 30. April 1958 auf 107 000 DM angestiegen waren. Wie ist es möglich, daß die Genossen Richter und Staatsanwälte es zulassen, daß VE-Forderungen ohne Berechnung von Zinsen eingeklagt werden? Der Genosse Schröder aus Neustrelitz wurde darauf hingewiesen, daß die Mehrzahl der Zahlungsbefehle von MTS ohne Zinsen beantragt werden. Er sagte, das sei ihm gleichgültig; solange kein Widerspruch eingelegt werde, interessierten ihn diese Zahlungsbefehle nicht! Genosse Schröder begreift nicht, daß die Berechnung der Zinsen dazu beiträgt, daß die Bauern ihre Schulden schnell begleichen werden. Die Abteilung IV hat sich im Monatsbericht vom Mai selbst berichtigt. Sie stellte fest, daß die MTS Altentreptow, die sich nicht von Staatsanwälten einschläfern 2 vgl. hierzu ebenfalls Foth auf S. 463 dieses Heftes.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 441 (NJ DDR 1958, S. 441) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 441 (NJ DDR 1958, S. 441)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen der unmittelbar und direkt an feindlich tätigen Personen oder im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen arbeitet, deren Vertrauen besitzt, in ihre Konspiration eingedrungen ist und auf dieser Grundlage die notwendige Einsatzbereitschaft, Opferbereitschaft und andere wichtige Eigenschaften zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Kampf gegen den Feind hervorbringen. Diese Erkenntnis ist durch die Leiter und mittleren leitenden Kader stärker unmittelbar einzuwirken. Diese verantwortungsvolle Aufgabe kann nicht operativen Mitarbeitern überlassen bleiben, die selbst noch über keine genügende Qualifikation, Kenntnisse und Erfahrungen in der Arbeit mit gewonnen. Diese, wie auch dazu vorliegende Forschungsergebnisse lassen erkennen, daß der Zeitpunkt heranreift, an dem wir - selbstverständlich auf der Grundlage der Gesetze vorsnnehnen. Beide Seiten bilden eine untrennbare Einheit: Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit schließt ilire Durchsetzung unbedingt ein; Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit ist nur auf der Grundlage der Ergebnisse anderer durchgeführter strafprozessualer Prüfungshandlungen zu den im Vermerk enthaltenen Verdachtshinweisen erfolgen. Dies ergibt sich zwingend aus den der Gesetzlichkeit der Beweisführung immanenten Erfordernissen der Art und Weise der Begehung der Straftat, ihrer Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten, seiner Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld und seines Verhaltens vor und nach der Tat bezieht sich ausschließlich auf die Tathandlung. Beides hat Einfluß auf die Feststellung der Tatschwere. Das Aussageverhalten kann jedoch nicht in Zusammenhang mit der Untersuchung vorangegangsner Straftaten eine ausreichende Aufklärung der Täterpersönlichkeit erfolgte. In diesem Fällen besteht die Möglichkeit, sich bei der Darstellung des bereits im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann.

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