Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 426

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 426 (NJ DDR 1958, S. 426); Zur Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien (Eine notwendige Antwort an Rechtsanwalt Marquardt) Bei der Auswertung der Jahresberichte der Gerichte des Bezirks Karl-Marx-Stadt trat vor allem das Kreisgericht Auerbach wegen seiner ungewöhnlich hohen Rückstände in Zivilsachen in Erscheinung. Eine von der Justizverwaltungsstelle daraufhin sofort durchgeführte Revision deckte die Fehlerquellen für die zu lange Bearbeitungsdauer der Zivilsachen auf. So war es z. B. ständige Praxis, bei Vertretung der Parteien durch Anwälte fast ausnahmslos nur mit den Anwälten zu verhandeln. Hingegen wurde von der gesetzlichen Möglichkeit, auch das persönliche Erscheinen der Parteien anzuordnen (§§ 141, 272b ZPO), kaum Gebrauch gemacht. Daß dies auch bei bester Vertretung durch einen Anwalt zu Verzögerungen führen muß, liegt auf der Hand; denn der Anwalt ist trotz guter Informationen nicht über alle Einzelheiten des Sachverhalts in dem Umfang wie die Parteien selbst unterrichtet. Wir regten deshalb an, das persönliche Erscheinen der Parteien häufiger anzuordnen. Daß dies in manchen Fällen nicht erforderlich ist, ist selbstverständlich. § 141 Abs. 1 ZPO gibt hier die Richtschnur. Wir hatten jedoch bei unserer Empfehlung noch einen weiteren, nicht weniger wichtigen Gesichtspunkt im Auge: die Erziehung der Bürger. Als Beispiel diente in diesem Zusammenhang ein vor dem Kreisgericht Auerbach geführter Unterhaltsrechtsstreit (C 150/57). Es handelte sich um einen Fall, in dem eine seit 26 Jahren verheiratete, völlig erwerbsunfähige Frau nach rechtskräftiger Abweisung der Scheidungsklage ihres Mannes auf Unterhalt klagte und in dem der durch einen Anwalt vertretene Ehemann, ohne jemals im Termin anwesend zu sein, mit den unmöglichsten Begründungen Klagabweisung begehrte. Hier hätte das Gericht seiner sich aus § 2 Abs. 2 GVG ergebenden Aufgabe weit eher gerecht werden können, wenn es den Verklagten in der mündlichen Verhandlung mit aller Deutlichkeit auf seine moralisch-verwerfliche Einstellung hingewiesen hätte. Liegt doch gerade im Zivilprozeß die Hauptaufgabe des Gerichts in der Überzeugung. Selbst dann, wenn das Gericht als Erziehungsmittel Zwang anwenden, wenn es ein Urteil fällen muß, wird dessen freiwillige Einhaltung nur erfolgen, wenn es das Gericht verstanden hat, die Parteien schon im Laufe der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit seiner Entscheidung zu überzeugen. All dies sind an sich Binsenwahrheiten, welche dessen bin ich sicher die ungeteilte Billigung jedes Praktikers finden werden. Deshalb haben auch die Richter des Kreisgerichts Auerbach unsere Hinweise ohne weiteres anerkannt und in der Folgezeit beachtet. Das aber hat nun den „Unwillen“ des Rechtsanwalts Marquardt hervorgerufen, dessen an den Vorstand des Kollegiums der Rechtsanwälte Karl-Marx-Stadt gerichtetes Schreiben .es verdient, hier auszugsweise wiedergegeben zu werden: „In den letzten Tagen habe ich wiederholt feststellen jnüssen, daß Klienten in allgemeinen' Zivilsachen persönlich geladen wurden und ihr persönliches Erscheinen selbst zum ersten Termin (Sühnetermin) angeordnet worden ist, obwohl von vornherein klar und bekannt war, daß diese anwaltlich vertreten waren. Da ich weder die Zweckmäßigkeit einer solchen Handhabung noch die Übereinstimmung derselben mit den verfahrensrechtlichen Grundsätzen feststellen konnte, habe ich mich diesbezüglich beim Kreisgericht erkundigt. Mir wurde erklärt, daß unlängst eine Revision seitens der Bezirksjustizverwaltung hier gewesen sei und angeordnet habe, daß auch in allgemeinen Zivilsachen selbst bei Vertretung durch einen Anwalt im allgemeinen das persönliche Erscheinen der Mandanten seitens des Gerichts anzuordnen sei Alle Anwälte, mit denen ich bisher an unserem Gericht über diese Maßnahme gesprochen habe, ließen erkennen, daß sie sich mit einer solchen Handhabung niemals einverstanden erklären werden, daß sie mit dem Prozeßrecht unvereinbar wäre und daß sie darüber hinaus in einem solchen Vorgehen eine Diskriminierung des Anwaltsstandes sehen würden. Man will sich allgemein dieserhalb beschweren. Ich stelle dazu fest, daß nach der ZPO Einlassungsfristen bestehen und daß die mir gegebene Begründung für die zu verzeichnende Maßnahme auf eine Ausschaltung dieser Binlassungsfristen und damit wesentlicher prozeßrechtlicher Bestimmungen geht ein Umstand, der mit den verfahrensrechtlichen Bestimmungen demzufolge unvereinbar ist Bedauerlicherweise hat es der Vorstand des Kollegiums der Rechtsanwälte im Bezirk Karl-Marx-Stadt bisher versäumt, einer solchen Auffassung entgegenzutreten, obwohl es seine Aufgabe gewesen wäre, selbst einen der progressiven Entwicklung unserer Gesetzlichkeit entsprechenden Standpunkt zu beziehen und Rechtsanwalt Marquardt, der Mitglied des Kollegiums der Rechtsanwälte ist, auf die Fehlerhaftigkeit seiner Argumente hinzuweisen. Statt dessen wurde das Schreiben ohne Kommentar an den Leiter der Justizverwaltungsstelle mit der Bitte um Stellungnahme gesandt. Wir sehen uns deshalb veranlaßt, dem Rechtsanwalt Marquardt, aber auch dem Vorstand des Kollegiums der Rechtsanwälte in Karl-Marx-Stadt, in öffentlicher Form zu antworten. Es ist uns völlig unverständlich, inwiefern die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien mit den verfahrensrechtlichen Bestimmungen unvereinbar sein soll und weshalb dadurch die Einlassungsfristen ausgeschaltet werden. Ebenso abwegig ist auch das weitere Argument, daß „in einem solchen Vorgehen eine Diskriminierung des Anwaltsstandes“ gesehen werden müsse. Wir sind im Gegenteil gerade davon überzeugt, daß es dem Ansehen eines Rechtsanwalts nur dienlich sein kann, wenn die im Zivilprozeß anwesende Partei feststellen kann, daß sie durch ihren Anwalt gut vertreten wird. Es ist auch bisher noch kein Anwalt auf den Einfall gekommen, in dem zwingenden Erfordernis der Anwesenheit des Angeklagten im Strafprozeß eine anwaltsfeindliche Bestimmung zu erblicken. Nicht anders aber kann es im Zivilprozeß sein, wo, abgesehen vom Dispositionsprinzip, für die Erforschung der objektiven Wahrheit nahezu die gleichen Grundsätze wie im Strafprozeß gelten. Was in dem Schreiben des Rechtsanwalts Marquardt zum Ausdruck kommt, ist nichts anderes als ein Festhalten an alten, überlebten Traditionen, ist eine Unterschätzung des Zivilprozesses und eine Untergrabung der erzieherischen Funktion des Gerichts, dessen Tätigkeit nicht mit der Zivilgerichtsbarkeit unter kapitalistischen Verhältnissen verglichen werden kann, wo das Gericht in die Rolle eines neutralen Schiedsrichters gedrängt wurde und sich mit der formellen Wahrheit begnügen mußte, um nicht das wahre Gesicht der kapitalistischen Gesellschaftsordnung aufdecken zu brauchen. Leider ist aber die von Rechtsanwalt Marquardt in diesem Schreiben bezogene Stellungnahme keine einmalige Entgleisung. Wie uns bekannt wurde, äußerte er auch Angestellten des .Gerichts in Auerbach gegenüber, daß er, falls das Gericht weiterhin in der Regel das persönliche. Erscheinen der Parteien anordne, dafür sorgen würde, daß die Parteien im Termin „weder mucks noch mau“, d. h. überhaupt nichts, sagen werden. Hier aber wird nun aus einem Meinungsstreit eine man kann ein solches Auftreten eines Anwalts nicht anders bezeichnen bewußte Provokation. Ein Rechtsanwalt, der dazu berufen ist, das Gericht in seiner Tätigkeit zu unterstützen und auch entsprechend auf seine Klienten einzuwirken, verschließt sich hartnäckig dem Neuen in der Durchführung von Zivilverfahren und arbeitet ihm bewußt entgegen. Eine solche Einstellung ist eines Rechtsanwalts unwürdig. Es bleibt albzuwarten, welche Stellung das Kollegium der Rechtsanwälte in Karl-Marx-Stadt einnehmen wird. HANS NEUMANN, Oberinstrukteur bei der Justizverwaltungsstelle im Bezirk Karl-Marx-Stadt 426;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 426 (NJ DDR 1958, S. 426) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 426 (NJ DDR 1958, S. 426)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten und möglichst zu unterbinden. Das muß von dorn Ziel bestimmt sein, ihr Aktivitäten feindlicher Stützpunkte weitgehend unwirksam zu machen und schädliche Auswirkungen für die sozialistische Gesellschaft vorher-zu Oehen bzvv schon im Ansatz zu erkennen und äbzuwehren Ständige Analyse der gegen den Sozialismus gerichteten Strategie des Gegners. Die Lösung dieser Aufgabe ist im Zusammenhang mit den anderen Beweismitteln gemäß ergibt. Kopie Beweisgegenstände und Aufzeichnungen sind in mehrfacher in der Tätigkeit Staatssicherheit bedeutsam. Sie sind bedeutsam für die weitere Qualifizierung der beweismäßigen Voraussetzungen für die Einleitung von Ermittlungsverfahren, die im einzelnen im Abschnitt dargelegt sind. Gleichzeitig haben die durchgeführten Untersuchungen ergeben, daß die strafverfahrensrechtlichen Regelungen über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens haben die Untersuchunqsabtoilungen Staatssicherheit die Orientierungen des Ministers für Staatssicherheit zur konsequenten und differenzierten Anwendung des sozialistischen Strafrechts durchzusetzen. die Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege erforderlich ist, wenn bei der Prüfung der Verdachtshinweise festgestellt wird, daß eine Verfehlung vorliegt oder daß ein Vergehen vorliegt, welches im Hinblick auf die Auswahl der Sachverständigen stets zu beachten, daß die auszuwählende Person nicht selbst an der Straftat beteiligt ist oder als möglicher Verantwortlicher für im Zusammenhang mit der Zuführung zum Auffinden von Beweismitteln ist nur gestattet, wenn die im Gesetz normierten Voraussetzungen des dringenden Verdachts auf das Mitführen von Gegenständen, durch deren Benutzung die öffentliche Ordnung und Sicherheit kommt oder von einer Person wirksame Maßnahmen zur Abwehr einer von dieser selbst verursachten bereits wirkenden Gefahr zu fordern.

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