Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 388

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 388 (NJ DDR 1958, S. 388); folgen, denen man eine „Unterstützung kommunistischer Pläne“ unterschieben konnte. Im augenblicklichen Zeitpunkt genügt aber eine solche Möglichkeit nicht mehr zur Ausschaltung bzw. Einschüchterung der politischen Gegner der Regierungspolitik. Die Volksbewegung gegen den Atomtod reicht heute bis in weite Kreise des Bürgertums hinein und stellt in zunehmendem Maße eine ernsthafte Gefahr für die Durchsetzung der Atomrüstungspolitik dar. Je mehr sich die Adenauer-Regierung vom Volk isoliert, um so größere Möglichkeiten benötigt sie zur Einschüchterung, Diffamierung und Diskriminierung ihrer Gegner. Sie kann sich nicht mehr darauf beschränken, die Gegner der Atomrüstungspolitik sämtlich als Kommunisten oder Tam-kommunisten zu bezeichnen. Eine solche „Abstempelung“ verfehlt einmal schon deshalb in zunehmendem Maße ihren Zweck, weil die Kommunisten durch ihren konsequenten, ehrlichen Kampf für die Volksrechte an Ansehen in der Bevölkerung gewinnen. Zum anderen würde die Bezeichnung „Kommunist“ für Anhänger z. B. der FDP oder solche rechten sozialdemokratischen Politiker wie Carlo Schmid die sich ebenfalls als Gegner der Atomrüstungspolitik bezeichnen der Lächerlichkeit preisgegeben sein und auch dadurch ihren diffamierenden Zweck verfehlen. Die neue Situation macht es erforderlich, die verschleiernde Hülle fallenzulassen und offen auszusprechen, daß die politische Aktivität gegen die verfassungswidrige Politik der Adenauer-Regierung bestraft werden soll. In welchem Maße die Volksbewegung gegen den Atomtod und' ihre führenden Repräsentanten bereits heute durch die politische Strafjustiz bedroht sind, wird deutlich, wenn man die Kritiken der ADJ und des ZR denen der Volksbewegung gegen den Atomtod gegenüberstellt. Bereits heute gebrauchen Politiker wie Herbert Wehner, Frau Prof. Dr. Riemeck oder Kirchenpräsident Niemöller weitaus schärfere Ausdrücke, als es die ADJ oder der ZR jemals taten. So bezeichnete z. B. Niemiöller auf einer Kundgebung in Karlsruhe am 9. Mai 1958 Adenauer und seine Anhänger als „reißende Wölfe im Schafspelz“ und verglich sie mit Mördern. Die offene Bedrohung der Kritik an der Bundesregierung mit strafrechtlicher Verfolgung durch das Urteil des BGH gegen Dr. Mertens und Frau Stertzenbach erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, in dem das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf verabschiedet hat, in dem erstmalig eine wahrheitsgemäße Berichterstattung offen für strafbar erklärt wird. Dieser Gesetzentwurf, als „Lex Soraya“ bekannt geworden, bezieht sich vorerst nur auf wahrheitsgemäße Berichterstattungen über „ausländische Staatsoberhäupter“. Wenn aber einmal der Graben übersprungen und die Wahrheit für strafbar erklärt ist, wo liegt dann die Grenze künftiger Gesetze, die wenn es nach dem Willen der Adenauer-Regierung geht bei dem zu erwartenden weiteren Anwachsen des Volks Widerstandes gegen den verderblichen Kurs der Atomrüstung nicht lange auf sich warten lassen werden. Ein neuer Anschlag auf das Verteidigungsrecht Von Rechtsanwalt PAUL MARGA, Mitglied des Rechtsanwaltskollegiums von Groß-Berlin, und HEINZ MÜLLER, München Seit dem Erlaß des 1. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30. August 1951 (Blitzgesetz), das zur strafrechtlichen Sicherung der NATO-Politik geschaffen worden war, wurde der Begriff der „Staatsgefährdung“ durch die politische Sonderstrafjustiz der Bundesrepublik verfälscht. Das Eintreten für die Erhaltung des Friedens, für die Wiedervereinigung Deutschlands auf demokratischer Grundlage und der legale Kampf für die Interessen der Arbeiterklasse wurden pönalisiert, wobei die Gesinnung des Angeklagten für die Verurteilung ausschlaggebend war. In diesen Hexenprozessen, deren Zahl bereits mehrere Tausend umfaßt, haben bürgerliche, sozialdemokratische und kommu- nistische Rechtsanwälte ungeachtet persönlicher Anfeindung und wirtschaftlichen Drucks auf der Grundlage bürgerlich-demokratischer Strafrechtsprinzipien mit Mut und Konsequenz ihre Mandanten verteidigt. Das Auftreten dieser Rechtsanwälte gab den Verfahren ein größeres Gewicht und machte ihre Grundgesetzwidrigkeit vor der Bevölkerung deutlicher. Die Rechtsanwälte stehen in den Gesinnungsprozessen vor großen Schwierigkeiten. Nach ihren anwaltlichen Pflichten müssen all ihre Bemühungen darauf gerichtet sein, das Gericht bei der Findung eines gerechten Urteils und gleichzeitig den Beschuldigten in der Wahrung seiner Rechte zu unterstützen. Die Gesinnungsprozesse wegen Hochverrats, Staatsgefährdung u. a. werden mit dem Ziel durchgeführt, Gegner der Adenauer-Regierung wegen ihrer verfassungsmäßigen politischen Betätigung zu verurteilen. Der Verteidiger gerät deshalb in unlösbare Widersprüche zu Staatsanwaltschaft und Gericht, denn ein „gerechtes Urteil“ in diesen Verfahren kann nur ein Freispruch des Angeklagten sein. Je wirkungsvoller der Rechtsanwalt die Verteidigung auf der Grundlage des Gesetzes durchführt, um den Beschuldigten in der Wahrung seiner Rechte zu unterstützen, desto mehr trägt er dazu bei, die scheindemokratische Fassade der westdeutschen Sonderstrafjustiz zu zerstören. Als sich z. B. der ehemalige Bundesminister Dr. Dr. Heinemann unter den Augen der deutschen und internationalen Öffentlichkeit als Verteidiger schützend vor den ehemaligen Leiter des wirtschaftswissenschaftlichen Institutes des DGB, Dr. Dr. Viktor A g a r t z, stellte, wurde das Gericht zu einem freisprechenden Urteil gezwungen. Es war deshalb kein Wunder, daß die Bonner Hexenjäger schon früh nach Wegen suchten, besonders unbequeme Verteidiger in ihrer durch die westdeutschen Gesetze garantierten anwaltlichen Tätigkeit zu behindern und sie in einigen Fällen sogar von der Verteidigung ganz auszuschließen. So ist es in Wirklichkeit mit dem so viel gepriesenen „Prinzip der freien Advokatur“ im „freien Westen“ bestellt. Für die Einstellung höchster Richter der Bundesrepublik zum Recht auf Verteidigung ist es bezeichnend, daß sich der Präsident des Bundesgerichtshofs in einem Gutachten vom Sommer 1951 gegen die Schaffung eines zweiten Rechtszuges in Hoch- und Landesverratssachen gegen erstinstanzliche Urteile des BGH mit der Begründung wandte, „weil die Verteidigung, die meist von den beteiligten umstürzlerischen Bewegungen gestellt wird, jede verfahrensrechtliche Möglichkeit auf das äußerste ausnutzt und am laufenden Band eine Unzahl verfahrensrechtlicher Gerichtsentscheidungen erzwingt In vorrevolutionären oder revolutionären Zeiten könnte die Revisionsinstanz durch die Masse des anfallenden Stoffes praktisch lahmgelegt werden“1. Diese gutachtliche Äußerung enthält zwei Schlußfolgerungen: 1. Die Verteidiger sind Handlanger „um-stürzlerischer Bewegungen“. 2. Sie sind eine Gefahr für die Rechtspflege, weil sie durch Ausnutzung der bestehenden Gesetze die Funktion der Strafjustiz lahmlegen könnten. Diese Stellungnahme wurde schon lange vor der Einleitung politischer Verfahren abgegeben. In .den Verfahren wegen angeblicher Staatsgefährdung spielen die Beweisanträge der Verteidiger eine besonders große Rolle. Der 3. (6.) Strafsenat des Bundesgerichtshofs und verschiedene Sonderstrafkammern waren dazu übergegangen, Beweisanträge der Verteidiger, die sachlich begründet, jedoch für die Bundesregierung politisch unangenehm waren, kurzer- 1 Denkschrift des Bundesministers der Justiz vom 30. Oktober 1951 zur Entschließung des Bundestages vom 11. Juli 1951 über die Zuziehung von Schöffen oder Geschworenen und die Schaffung eines zweiten Rechtszuges in Hoch- und Landesverratssachen (AZ. 4000/1 - 27883/51), S. 6/7. 388;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 388 (NJ DDR 1958, S. 388) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 388 (NJ DDR 1958, S. 388)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

In der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit erfordert das getarnte und zunehmend subversive Vorgehen des Gegners, die hinterhältigen und oft schwer durchschaubaren Methoden der feindlichen Tätigkeit, zwingend den Einsatz der spezifischen tschekistischen Kräfte, Mittel und Methoden, die Einleitung vorbeugender, schadensverhütender und gefährenabwendender Maßnahmen und die zweckmäßige Leitung und Organisierung des politisch-operativen Zusammenwirkens mit den anderen staatlichen Organen, gesellschaftlichen Organisationen und Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der Anleitungs- und Kontrolltätigkeit in der Uritersuchungsarbeit, die auch in der Zukunft zu sichern ist. Von der Linie wurden Ermittlungsverfahren gegen Ausländer bearbeitet. Das war verbunden mit der Durchführung von Konsularbesuchen auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen über die Betreuungstätigkeit ausländischer Botschaften bei ihrem Staatssicherheit inhaftierten Bürgern. Diese Besuche gliedern sich wie folgt: Ständige Vertretung der in der sovviedie Botschaften der in der Bulgarien und Polen setzten unter Verletzung des Grundlagenvertrages zwischen der und sowie unter Mißachtung der Rechte und Pflichten des inhaftierten Beschuldigten und die grundsätzlichen Aufgaben des Vollzuges der Untersuchungshaft. Die Rechte und Pflichten inhaftierter Beschuldigter sind durch die Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik aufhalten, haben die gleichen Rechte - soweit diese nicht an die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik gebunden sind - wie Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik, des Strafgesetzbuches, der StrafprozeßordnUng, der Untefsuchungshaftvollzugsordnung sowie der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organe - der Staatsanwaltschaft und den Gerichten - und organisiert in Durchsetzung der gesetzliohen Bestimmungen und Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortung das Zusammenwirken mit den Organen des MdI, vor allem der Verwaltung Strafvollzug sowie mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen, Institutionen und gesellschaftlichen Kräften. Das erfordert - den zielgerichteten und konzentrierten Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden, Maßnahmen der Auswertungs- und Informationstätigkeit - solchen Leitungsaufgaben wie insbesondere der Koordinierung und der Anleitung und Kontrolle.

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