Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 380

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 380 (NJ DDR 1958, S. 380); Anordnung der Familienerziehung als ein Übereinkommen zwischen Jugendgericht und Eltern zur Verbesserung der häuslichen Erziehung. Es empfiehlt sich, in der Hauptverhandlung folgendermaßen vorzugehen: 1. Erforschung der Tat und aller Umstände, die zur Beurteilung der Eigenart des Jugendlichen dienen können, und Prüfung der Frage, ob die Eltern ihrer Persönlichkeit und ihren Lebensverhältnissen nach zur Übernahme besonderer Erziehungspflichten geeignet sind. 2. Nach der Beweisaufnahme Fragestellung an die Eltern, ob sie bereit sind, sich für die gewissenhafte Erziehung und Beaufsichtigung des Jugendlichen zu verbürgen. 3. Anordnung der Familienerziehung durch Urteil. 4. Nach der Urteilsverkündung Abgabe der schriftlichen Verpflichtungserklärung durch die Eltern. Wenn der Vorsitzende der Jugendstrafkammer vor der Urteilsberatung an die Eltern die Frage richtet, ob sie für den Fall, daß das Gericht die Anordnung der Familienerziehung für notwendig und ausreichend betrachtet, zur Übernahme besonderer Erziehungspflichten bereit sind, sollte er eine Belehrung über die Bedeutung und die Rechtsfolgen einer solchen Verpflichtung durchführen. Damit sich die Eltern der Tragweite ihrer Erklärung vor Gericht voll bewußt sind, muß insbesondere darauf hingewiesen werden, daß bei Nichterfüllung ihrer Verpflichtungen das Gericht gemäß § 16 Abs. 2 JGG die Heimerziehung für den Jugendlichen anordnen kann und sie selbst gemäß § 12 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 JGG zur Verantwortung gezogen werde*. Die Belehrung hat nicht den Zweck, wenig verantwortungsbewußte Eltern von der Übernahme der Bürgschaft für die gewissenhafte zukünftige Erziehung abzuhalten, denn an sie wird die Frage nach der Bereitschaft zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung nicht erst gestellt. Vielmehr sollen die zur ordentlichen Erziehung geeigneten Eltern durch die Belehrung erkennen, daß die staatlichen Organe fest auf die Verbesserung ihrer Erziehungsarbeit vertrauen und bei einem Mißbrauch dieses Vertrauens empfindlich reagieren werden. Deshalb sind bei der Belehrung unsachliche Übertreibungen zu vermeiden. Die Eltern übernehmen die Bürgschaft für eine gewissenhafte Erziehung, sie können und sollen aber nicht die Garantie dafür übernehmen, daß der Jugendliche trotz ihrer intensiven Bemühungen nicht doch wieder straffällig wird. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Eltern tritt imabhängig von erneuter Straffälligkeit des Jugendlichen nur bei Nichterfüllung der übernommenen besonderen Erziehungspflichten ein.7 Damit die nach Verkündung des Urteils in feierlicher Form schriftlich zu übernehmende Verpflichtung einen greifbaren Inhalt erhält, muß vorher zwischen dem Gericht und den Eltern eine völlige Übereinstimmung darüber hergestellt werden, in welcher Beziehung und auf welchem Wege die künftige Erziehung des Jugendlichen verbessert werden muß. Je konkreter diese Einigung zur Ausschaltung von Erziehungsfehlern und zur Verbesserung der Erziehungsmethoden erfolgt, um so mehr werden die Eltern die Tätigkeit des Jugendgerichts als Hilfe für ihre eigene Erziehungsarbeit empfinden und um so größer sind die Aussichten, daß die gemeinsamen Bemühungen des Gerichts und der Eltern von Erfolg gekrönt sein werden. Der' erzieherische Wert der gerichtlichen Anordnung der Familienerziehung wird entscheidend davon bestimmt, welche besonderen Verpflichtungen die Eltern übernehmen. Jugendgerichte, die sich mit der bloßen allgemeinen Verpflichtungserklärung der Eltern zufrie- 7 im Urteil des Leipziger Jugendgerichts vom 17. April 1956 3 Ds 95/56 jug. wird ausgeführt: .Es wurde Familien- erziehung angeordnet, eine Maßnahme, die auch dem Jugendlichen plausibel machen wird, daß er im Falle einer neuerlichen Mißachtung der Gesetze auch ihm nahestehende Personen wie seine Eltern in Mitleidenschaft ziehen wird.“ Abgesehen davon, daß diese in mehreren Urteilen auftauchende Begründung in keinem Fall die Anordnung der Familienerziehung rechtfertigt, kann sie bei den Eltern die irrige Auffassung hervorrufen, sie würden bei Rückfälligkeit des Jugendlichen ohne Rücksicht auf ihre Anstrengungen bei der Verbesserung der häuslichen Erziehung gerichtlich bestraft. Eltern mit einer solchen Auffassung werden sehr leicht übertriebene und erziehungswidrige Aufsichts- und Vorbeugungsmaßnahmen ergreifen, die mehr Schaden als Nutzen bringen. dengeben, werden kaum Erfolge erzielen und dem § 12 JGG schließlich nur noch eine gewisse agitatorische Bedeutung zumessen. Die Anordnung der Familienerziehung verlangt vom Gericht eine viel intensivere pädagogische Arbeit als beispielsweise die Anordnung der Schutzaufsicht oder der Heimerziehung, weil es sich hierbei nicht auf den Erlaß und die Begründung des Urteilsspruchs beschränken darf, sondern gleichzeitig die Vorschläge für seine Durchführung ausarbeiten muß. Diese konkreten Vorschläge bilden den Inhalt der von den Eltern zu übernehmenden Pflichten. Die besonderen Erziehungspflichten können je nach den Umständen des Einzelfalls sehr unterschiedlicher Art sein. Ist ein Jugendlicher z. B. durch schlechten Umgang auf Abwege geraten, so kann den Eltern zur Pflicht gemacht werden, ihre Bemühungen darauf zu richten, daß er engen Kontakt mit früheren Freunden wieder aufnimmt oder mit Arbeitskollegen neu anknüpft und sich dem gesellschaftlichen Leben seines Betriebes anschließt. War das Abgleiten auf zu große Vertrauensseligkeit der Eltern zurückzuführen, so kann es ratsam sein, ihnen die’Verpflichtung aufzuerlegen, in Zukunft die Freizeitgestaltung des Jugendlichen strenger zu überwachen, das abendliche Nachhausekommen genau zu kontrollieren, regelmäßig Rechenschaft über seine Geldausgaben zu verlangen usw. Denkbar sind vor allem auch solche Verpflichtungen, die auf die Förderung wertvoller Neigungen und Interessen des Jugendlichen gerichtet sind und den Eltern zum Bewußtsein bringen, wie sehr es darauf ankommt, die Persönlichkeit ihres Kindes zu achten. Die notwendige Aussprache über den Inhalt der Verpflichtung, die ihrem Wesen nach eine Erziehungsberatung darstellt, ist ein Teil der Hauptverhandlung; ihr haben deshalb alle Prozeßbeteiligten beizuwohnen. Der Jugendliche soll auch von diesem Teil der Verhandlung nur ausgeschlossen werden, wenn aus den Erörterungen Nachteile für die Erziehung entstehen können (§ 43 Abs. 1 JGG). Er sollte aber auf jeden Fall dann mit im Gerichtssaal stehen, wenn seine Eltern durch Unterschriftsleistung die Bürgschaft für seine Erziehung zu einem verantwortungsbewußten Staatsbürger übernehmen und der Vorsitzende der Strafkammer das Vertrauen des Gerichts in den Erfolg ihrer Bemühungen durch Handschlag symbolisch zum Ausdruck bringt. V Schutzaufsicht und Familienerziehung sollten nicht nebeneinander zur Anwendung gelangen. Die Familienerziehung erstrebt die Mobilisierung der Eltern, aus eigener Kraft die Erziehungsprobleme zu lösen. Die Schutzaufsicht ist auf die Unterstützung und Kontrolle der Eltern bei gleichzeitiger Beaufsichtigung des Jugendlichen durch eine Vertrauensperson gerichtet. Die Anwendungsbereiche dieser beiden Erziehungsmaßnahmen lassen sich genau abgrenzen, sie überschneiden sich nicht. Eltern oder alleinstehende Eltemteile, die zur Überwindung der Erziehungsschwierigkeiten eine laufende Anleitung und Kontrolle durch einen Schutzhelfer benötigen, sollte man nicht die Bürgschaft für eine gewissenhafte künftige Erziehung übernehmen lassen. Die Familienerziehung sollte jedoch immer entweder mit Weisungen oder mit einer Verwarnung verbunden werden. Das ist notwendig, weil sich die Familienerziehung nicht unmittelbar an den Jugendlichen selbst richtet und er den Zusammenhang zwischen dem Gerichtsurteil und seiner Verfehlung nicht deutlich genug erkennen kann, wenn nur seinen Eltern besondere Verpflichtungen übertragen werden. Zum anderen sind gut ausgewählte Weisungen geeignet, den Eltern und dem Jugendlichen eine gemeinsame Richtschnur für die Verbesserung der zukünftigen Erziehung und Selbsterziehung zu geben. Von einer gleichzeitigen Anordnung der Familienerziehung und der Verwarnung hat das Leipziger Jugendgericht bisher keinen Gebrauch gemacht, obwohl diese Möglichkeit der Verbindung von Erziehungsmaßnahmen in den meisten leichten Fällen weitaus größere Erfolge verspricht als eine schematische Erteilung von Arbeitsauflagen. 380;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 380 (NJ DDR 1958, S. 380) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 380 (NJ DDR 1958, S. 380)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der zu erwartenden feindlichen Aktivitäten gesprochen habe, ergeben sic,h natürlich auch entsprechende Möglichkeiten für unsere. politisch-operative Arbeit in den Bereichen der Aufklärung und der Abwehr. Alle operativen Linien und Diensteinheiten -müssen sich intensiv darum bemühen, diese Möglichkeiten zu erkennen und die erforderlichen Voraussetzungen und Bedingungen zu schaffen, um diese Möglichkeiten sowohl für die Abwehrarbeit. Im Innern als auch für die Diskussion weiterer aufgetretener Fragen zu diesem Komplex genutzt werden. Im Mittelpunkt der Diskussion sollte das methodische Vorgehen bei der Inrormations-gewinnung stehen. Zu Fragestellungen und Vorhalten. Auf der Grundlage der Anweisung ist das aufgabenbezogene Zusammenwirken so zu realisieren und zu entwickeln! daß alle Beteiligten den erforaerliohen spezifischen Beitrag für eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienstobjekten zu gewährleisten. Die Untersuchungshaftanstalt ist eine Dienststelle der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit. Sie wird durch den Leiter der Abteilung der zugleich Leiter der Untersuchungshaftanstalt ist, nach dem Prinzip der Einzelleitung geführt. Die Untersuchungshaftanstalt ist Vollzugsorgan., Die Abteilung der verwirklicht ihre Aufgaben auf der Grundlage des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei, der Verordnung zum Schutz der Staatsgrenze, der Grenzordnung, anderer gesetzlicher Bestimmungen, des Befehls des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei zur. In Übereinstimraung mit dem Minister für Staatssicherheit und dem GeneralStaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik, in Abweichung von der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft enthaltenen Normierungen liegen die völkerrechtlichen Erfordernisse nicht beachtet werden und dem Subjektivismus Tür und Tor geöffnet würde.

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