Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 312

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 312 (NJ DDR 1958, S. 312); lautet mithin spezifiert: Gibt es bei diesem Jugendlichen Abweichungen von dieser Gesetzmäßigkeit, die es bedingen, daß der Jugendliche trotz des Vorhandenseins allgemeiner Erkenntnisse und der speziellen Erkenntnisfähigkeit bezüglich seiner Tat nicht in der Lage war, seinen Willen entsprechend zu bestimmen? Die Stärke eines den gesellschaftlichen Forderungen zuwiderlaufenden Motivs, die verlockende Kraft bestimmter demagogischer kapitalistischer Ideen auf ungefestigte Jugendliche genügen nicht, um diese Gesetzmäßigkeit der grundsätzlichen Abhängigkeit des Willens vom Bewußtsein, und zwar vom gesamten Bewußtsein einschließlich der von dem Jugendlichen zurückgeschobenen richtigen Erkenntnisse aufzuheben. Hier muß exakt bewiesen werden; mit unbestimmten Hinweisen ist es nicht getan. Deshalb ist die Praxis. unserer Jugendgerichte, die Feststellung der Unzurechnungsfähigkeit eines Jugendlichen in Verbindung mit dem Gutachten eines Psychiaters oder Psychologen vorzunehmen, vollauf gerechtfertigt. Sie stützen sich bei ihrer Arbeit nicht etwa nur auf den „gesunden Menschenverstand“, wie Müller etwas abwertend meint, sondern auf die Erkenntnis bestimmter gesellschaftlicher und allgemein gültiger biologischer Gesetzmäßigkeiten. Die von unseren Gerichten praktizierten marxistischen Erkenntnisse von der Gesellschaft und vom Menschen die in den Urteilsgründen vielleicht klarer und präziser dargelegt sein könnten dürfen nicht als® primitiver „gesunder Menschenverstand“ abgetan werden. Demgegenüber sind die Ratschläge, die Müller der Praxis erteilt, sowie der Ausgangspunkt, den er wählt, grundsätzlich nicht haltbar. Wie die gesamte bürgerliche Lehre, reduziert Müller das Problem der Zurechnungsfähigkeit auf einen inhaltslosen Biologismus oder Psychologismus. Dabei verspürt er am Ende seiner Arbeit die einen sehr uneinheitlichen Eindruck hinterläßt und neben ‘grundsätzlichen Fehlern auch Richtiges enthält die Gefahr des Psychologismus und warnt davor; aber er hat selbst alles getan, um diese Gefahr erst heraufzubeschwören. Schon in der Einleitung, die mit einem Bonmot eines bürgerlichen Schriftstellers über die Pubertät beginnt, behauptet Müller: „Zwischen Jugendkrimi- nalität und Pubertät bestehen wesentliche, durch Erfahrung und'Statistik bestätigte Zusammenhänge.“1 Diese zweifellos vorsichtig formulierte „Feststellung“ gibt der Arbeit eine völlig falsche Richtung. Müller hat bei dieser „Feststellung“nicht bedacht, daß sich von 100 000 Jugendlichen der Deutschen Demokratischen Republik, die alle durch das Pubertätsalter gegangen sind, 99 450 gesellschaftlich-adäquat verhalten haben. Bestehen hierbei keine „wesentlichen“ Zusammenhänge? Statt die Jugendstrafrechtspraxis auf die bewußte Anwendung ihrer gesellschaftlichen Erkenntnisse hinzuleiten, verlangt Müller auf Grund des „Zitats“ von Homburger und seiner eigenen „Fest-. Stellungen“ über die Pubertät „vor allem die Kenntnis gewisser entwicklungsbedingter Besonderheiten des Jugendalters“13 14. Diese gewissen „Besonderheiten“ reduziert er im weiteren Verlauf der Einleitung auf einen reinen Psychologismus. Er macht die Zurechnungsfähigkeit zu einem Problem des „biologischpsychologischen Entwicklungsprozesses Jugendlicher“15 * * und verlagert damit die Entscheidung über die Zurechnungsfähigkeit Jugendlicher wenn auch nicht ausdrücklich, so doch der Sache nach in den Zuständigkeitsbereich von Jugendpsychologen und -Psychiatern. Psychologie, Psychopathologie und Psychiatrie gqben über das körperlich bedingte „Wie“ eines Bewußtseinsvorganges, nicht aber über das gesellschaftliche Wesen einer Handlung'Aufschluß. Sie können uns über die psychische Form, in der ein Willensentschluß zustande kam, unterrichten, sie vermögen uns auch zu erklären, ob und warum ein Jugendlicher seinen Willen den vorhandenen gesellschaftlichen Erkenntnissen nicht unterzuordnen vermochte. Sie können aber, da ihre Methoden und Mittel auf die Untersuchung der kör- 13 NJ 1957 S. 423. 14 a. a. O. is a. a. O. perlich bedingten Formen von Bewußt$einsvorgängen beschränkt sind, niemals das Problem der Zurechnungsfähigkeit Jugendlicher als gesellschaftlicher Erscheinung lösen. Deshalb sind die Erkenntnisse und Untersuchungsmethoden dieser Wissenschaftszweige für den Juristen immer nur ein Hilfsmittel für die endgültige Entscheidung. Die Grundfrage: Reichten die in der Gesellschaft gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen des Jugendlichen sowie die Fähigkeit des gleichfalls gesellschaftlich erzogenen Willens, sich den gewonnenen Einsichten unterzuordnen, aus, um sein Handeln den sozialistischen gesellschaftlichen Verhältnissen gemäß einzurichten, vermag der naturwissenschaftlich orientierte Psychiater, Psychologe oder Mediziner nicht allein zu entscheiden. Er ist in der Lage, bestimmte psychische Erscheinungsformen festzustellen (gleichgültig, ob normale oder anomale), aber seine Untersuchungsmethoden laufen nicht auf die Klärung eines gesellschaftlichen Problems hinaus. Diese Wissenschaften sind deswegen für die Lösung der Zurechnungsproblematik nicht etwa überflüssig; denn es gibt Bewußtseinsvorgänge, die nur mit Hilfe dieser Wissenschaften geklärt werden können. Ihre Feststellungen können im gegebenen Fall auch für das Urteil des Gerichts ausschlaggebend sein, sie machen aber dieses Urteil in keinem Falle überflüssig, weil sie trotz allem nur ein Teilproblem untersuchen. Müllers Ausführungen enthalten trotz dieser grundsätzlichen Mängel eine Reihe wertvoller Hinweise, die nicht geleugnet werden sollen; aber sie stehen, da Müller die Prüfung der sittlichen und geistigen Reife verlangt, nicht immer in den richtigen Zusammenhängen. So hebt Müller sehr richtig hervor, daß die Zurechnungsfähigkeit tatbezogen sein muß. Er vermerkt auch, daß keine Einsicht in die Gefährlichkeit der Tat selbst verlangt werden darf; aber die konkreten Anforderungen, die er stellt, kommen solchen Einsichten fast gleich. Bei den Anforderungen an die Einsichts- und Willensbestimmungsfähigkeit gibt es einen allgemeinen und einen speziellen Aspekt. Zunächst steht die Frage: „Vermag sich der Jugendliche überhaupt nach gesellschaftlichen Forderungen zu richten?“ Danach ist zu klären, ob das spezielle strafrechtliche Verbot besondere Fähigkeiten zu seiner Beachtung verlangt. Die Feststellungen müssen für den Zeitpunkt der Tat getroffen werden. Man wird dabei fast in allen Fällen auf Indizienschlüsse angewiesen sein; denn Erhebungen über das Denken und die Willenskräfte der Jugendlichen aus dem sehr kleirien Zeitraum der auf die Tat bezogenen Bewußtseinsvorgänge werden oft kaum möglich sein oder nur wenig Aufschluß geben. Der Lebensweg des Jugendlichen mit all seinen Seiten wird untersucht werden müssen. Dabei kann auch das Verhalten des Jugendlichen nach der Tat eine Rolle spielen. Selbst der Eindruck in der Hauptverhandlung darf, wenn entweder kein langer Zeitraum zwischen Verhandlung und Tat liegt oder wenn nicht andere gewichtige Umstände diesem Eindruck widersprechen, zur Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit herangezogen werden. Wenn ein Jugendlicher kurze Zeit nach der Tat fähig ist, die Würde des Gerichts zu erkennen und zu respektieren, dann besagt das, daß er wenigstens zu dieser Zeit gewissen Forderungen der Gesellschaft nachkommen konnte. Man wird daraus Rüdeschlüsse auf den Stand des gesellschaftlichen Bewußtseins des Jugendlichen vor dem Zeitpunkt der Hauptverhandlung ziehen dürfen, wenn nicht gerade die Beobachtungen des Jugendlichen während des Ermittlungsverfahrens ergeben, daß er während dieser Zeit erst die elementarsten Erkenntnisse über das Verhältnis des einzelnen zur Gesellschaft gewonnen hat. Pchaleks Kritik15 an einem derartigen Verfahren der Gerichte kann daher in ihrer absoluten Form nicht zugestimmt werden, auch wenn der nur bedingt zuverlässige Charakter solcher Rückschlüsse nicht; in Abrede gestellt werden soll. * Wenig befriedigen können auch die bisherigen Ausführungen über die Reaktionsweisen des Staates auf 16 Staat und Recht 1957, S. 1293, Fußnote 5. * 312;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 312 (NJ DDR 1958, S. 312) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 312 (NJ DDR 1958, S. 312)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

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