Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 287

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 287 (NJ DDR 1958, S. 287); § 19 Abs. 3 StEG. Die. Feststellung einer planmäßigen Handlungsweise i. S. von § 19 Abs. 3 StEG befreit nicht von der Prüfung, ob Konkurrenzverhältnis oder Fortsetzungs-Zusammenhang vorliegen. Planmäßiges Handeln setzt weder fortgesetztes noch mehrfaches Handeln überhaupt voraus. OG, Urt. vom 21. März 1958 - lb Ust 19/58. Dem Urteil des Bezirksgerichts E. vom 21. Februar 1958 liegen im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde: Der am 1. Juli 1893 geborene Angeklagte besuchte die Volksschule und erlernte danach den Beruf eines Kaufmannes. Im Jahre 1913 wurde er zum Militärdienst eingezogen. Er nahm am 1. Weltkrieg teil und wurde in dieser Zeit bis zum Vizefeldwebel befördert. Von 1920 bis 1926 war er Angehöriger der Schutzpolizei im Range eines Wachtmeisters. Von 1926 bis 1937 war er bei den Stadtverwaltungen N. und M. sowie kurze Zeit bei der Forstverwaltung in M. beschäftigt. Von 1937 bis zu seiner Festnahme in dieser Strafsache arbeitete der Angeklagte bei der Stadtverwaltung E., zuletzt in der Abt. Finanzen. Der Angeklagte trat im Jahre 1926 dem Reichstreubund bei. Im November 1933 wurde er förderndes Mitglied der SS. Im Jahre 1934 trat er dem Reichsbund der deutschen Beamten und der NSV bei. In der NSV war er Schriftführer und Blockwalter. Im Jahre 1936 wurde er Mitglied im Reichsluftschutzbund und im NS-Soldatenbund. Im Mai 1937 trat er der NSDAP bei, in der er die Funktion eines Blockleiters innehatte. Der Angeklagte verfaßte in der Zeit vom Januar 1954 bis Oktober 1957 eine große Zahl von Hetzschriften, die er auf seiner Dienstschreibmaschine schrieb. In seinen Vernehmungen vor dem Untersuchungsorgan gab er an, in den Jahren 1954 und 1955 je etwa 4 bis 15, 1956 etwa 20 bis 25 und im Jahre 1957 etwa 80 bis 90, womöglich aber auch 150 solcher Hetzschriften hergestellt zu haben. In der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht behauptete er, überhaupt keine annähernde Erinnerung an die Zahl der von ihm hergestellten Hetzschriften zu haben, er wisse nur, daß er im Jahre 1957 bedeutend mehr davon gefertigt habe als in den vorangegangenen Jahren. Die Hetzschriften warf der Angeklagte bei seinen Dienstgängen in Briefkästen von Wohnhäusern. Im Jahre 1957 ging er auch dazu über, sie auf dem Postwege zu versenden. Besonders aktiv wurde der Angeklagte, wenn in der Deutschen Demokratischen Republik Wahlen bevorstanden. Unter lobender Hervorhebung des Wahlsystems in der Bundesrepublik, das freie demokratische Wahlen gewährleiste, bezeichnete er die Volkswahlen in der Deutschen Demokratischen Republik als „Schwindel“, „Lug“ und „Betrug“. Er forderte die Bürger auf, sich nicht an den Wahlen zu beteiligen. In weiteren Hetzschriften forderte er den Rücktritt der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, weil sie diesen Platz nicht rechtmäßig einnehme. Auf Grund dieses Sachverhalts hat das Bezirksgericht den Angeklagten wegen staatsgefährdender Propaganda und Hetze in schwerem Fall gern. § 19 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2 und 3 StEG zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Angefochten wird der Schuldausspruch, soweit das Bezirksgericht das strafbare Verhalten des Angeklagten auch als schweren Fall im Sinne von § 19 Abs. 3 StEG beurteilt hat. Der Berufung war im Ergebnis der Überprüfung des angefochtenen Urteils der Erfolg zu versagen. Aus den Gründen: Das Bezirksgericht hat zutreffend das strafbare Verhalten des Angeklagten als schweren Fall der staatsgefährdenden Propaganda und Hetze begangen durch planmäßiges Handeln i. S. von § 19 Abs. 3 StEG beurteilt. Der Angeklagte hat seit dem Jahre 1954 vorsätzlich eine Vielzahl von Hetzschriften verfaßt, deren Inhalt hauptsächlich darauf gerichtet war, Bürger der Deutschen Demokratischen Republik unter Benutzung von erlogenen staatsfeindlichen Argumenten zur Boykottierung der Volkswahlen aufzuwiegeln. Bereits in dieser gleichbleibenden Angriffsrichtung äußert sich sein planmäßiges Vorgehen. Hinzu kommt, daß der Angeklagte immer dann, wenn Volkswahlen bevorstanden, zu einer besonderen Aktivität übergegangen ist. Dieser Umstand kann nicht, wie mit der Berufung vorgebracht wird, als Beweis einer nicht planmäßigen, spontanen Handlungsweise angesehen werden, vielmehr kommt gerade darin die Planmäßigkeit zum Ausdruck. In Zeiten, da keine Volkswahlen in Vorbereitung waren, hätte die Aufforderung an die Bürger, von den Wahlen fernzubleiben, nicht die Erfolgsaussichten gehabt, wie im Zeitpunkt unmittelbar vor den Wahlen. Bewußt wurde der Angeklagte gerade in diesen Zeiträumen besonders aktiv. Seine planmäßige Handlungsweise ergibt sich schließlich auch noch daraus, daß er seine Hetzschriften nicht wahllos verteilte, sondern sie in einem bestimmten Stadtbezirk, und davon wieder in- vier bis fünf Straßen, untergebracht hat. Aus diesem objektiven Tatgeschehen ergibt sich eindeutig die Planmäßigkeit seiner verbrecherischen Tätigkeit auch hinsichtlich des Bewußtseins und des Willens des Angeklagten, durch eine bestimmte vorbedachte Methode systematisch über einen begrenzten Personenkreis eine möglichst breite ablehnende Beeinflussung der Bevölkerung zu ihren staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten zu erzielen. Außer der zutreffenden Beurteilung, daß der Angeklagte planmäßig gehandelt hat, hätte das Bezirksgericht aber auch prüfen müssen, ob und in welchem Konkurrenzverhältnis die einzelnen Handlungen des Angeklagten stehen, oder ob die Voraussetzungen für die Annahme einer fortgesetzten Handlung gegeben sind. Die Feststellung einer planmäßigen Handlungsweise rechtfertigt an sich noch nicht die Beurteilung des strafbaren Verhaltens als eine Tat und damit auch nicht die Unterlassung der Prüfung, ob Konkurrenzverhältnisse bestehen oder Fortsetzungszusammenhang vorliegt Dies ergibt sich aus den besonderen Merkmalen der planmäßigen Handlungsweise, wie sie das Oberste Gericht bereits in seiner Entscheidung vom 11. Februar 1958 la Ust 3/58 (NJ 1958 S.175) aufgeführt hat. Danach setzt planmäßiges Handeln weder fortgesetztes noch mehrfaches Handeln überhaupt voraus. Mithin ist es auch denkbar, daß mehrere planmäßig 'begangene Verbrechen in bestimmten Konkurrenzverhältnissen zueinander oder in Fortsetzungszusammenhang stehen können. Diese Feststellung ist in jedem Falle wichtig, weil sich aus ihr der Grad der Intensität ergibt, mit dem der Täter vorgegangen ist, was wiederum eine sichere Bewertung der Schwere seiner verbrecherischen Tätigkeit ermöglicht. Im vorliegenden Fall ist aus dem festgestellten Sachverhalt zu erkennen, daß der Angeklagte mit gleichbleibender Zielsetzung, in gleichartiger Form und in engem zeitlichen Zusammenhang mehrfach das gleiche Objekt vorsätzlich und planmäßig angegriffen hat. Sein Verhalten ist somit unter den Merkmalen, wie sie vom Obersten Gericht hervorgehoben worden sind (vgl. OGSt Bd. 2 S. 35 ff.), als fortgesetzte Handlung' zu beurteilen. Der Schuldausspruch des Bezirksgerichts mußte rechtlich deshalb dahingehend ergänzt werden, daß der Angeklagte der fortgesetzten staatsgefährdenden Hetze im schweren Fall schuldig ist. §§ 19, 20 StEG. Eine Verurteilung nach § 20 StEG kommt nur dann in Betracht, wenn eine Äußerung ihrem Inhalt nach nur verleumderisch, nicht aber gleichzeitig hetzend wirkt. Im letzteren Fall liegt Hetze i. S. von § 19 StEG vor. OG, Urt. vom 14. März 1958 la Zst 2/58. Die Ehefrau des Angeklagten wurde im Februar 1957 in ein Krankenhaus eingeliefert. Seit dieser Zeit besuchte er öfter Gaststätten. Am 8. September 1957 hielt er sich von 14.00 bis 18.00 Uhr im „Hotel H.“ in R. auf. Er begab sich dann zum Abendessen nach Hause und erschien gegen 19.00 Uhr wieder in diesem Lokal, wo er bis gegen 22.00 oder 23.00 Uhr Skat spielte. Als er von einigen Gästen aufgefordert wurde, etwas zu musizieren,' setzte er sich an das Klavier und spielte Volkslieder und Schlagermelodien. Von dem ihm bekannten J. wurde er gebeten, das Lied „Wo die deutschen Eichen stehen“ zu spielen. Diesen Wunsch konnte der Angeklagte nicht erfüllen, weil er das betreffende Lied nicht kannte. Daraufhin forderte J. den Angeklagten auf, das „Deutschlandlied“ zu spielen. Der Angeklagte, der auch von der Melodie dieses Liedes keine reihte Vorstellung hatte, versuchte dennoch, dem Wunsche J’s. nachzukommen. Er spielte dann aber nicht die Melodie des „Deutschlandliedes“, sondern die des faschistischen Liedes „Die Fahne hoch“. Davon spielte er etwa eine halbe Strophe und wechselte dann in eine Schlagermelodie über. In diesem Augenblick betrat auch der "VP-Angehörige H. das Lokal, der draußen vernommen hatte, daß auf dem Klavier das faschistische Lied gespielt wurde. 287;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 287 (NJ DDR 1958, S. 287) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 287 (NJ DDR 1958, S. 287)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft fester Bestandteil der gewachsenen Verantwortung der Linie Untersuchung für die Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit bleiben wird. Im Zentrum der weiteren Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung zur Klärung der Frage Wer ist wer? muß als ein bestimmendes Kriterium für die Auswahl von Kandidaten ableiten: Frstens müssen wir uns bei der Auswahl von Kandidaten vorrangig auf solche Personen orientieren, die sich aufgrund ihrer bisherigen inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit vom und der Vereinbarung über die Aufnahme einer hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit für Staatssicherheit vom durch den Genossen heimhaltung aller im Zusammenhang mit der Aufnahme verhafteter Personen in die Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit weitgehend minimiert und damit die Ziele der Untersuchungshaft wirksamer realisiert werden. Obwohl nachgewiesenermaßen die auch im Bereich der medizinischen Betreuung Verhafteter Nachholebedarf hat, hält dies staatliche Organe und Feindorganisationen der Staatssicherheit nicht davon ab, den UntersuchungshaftVollzug auch hinsichtlich der medizinischen Betreuung Verhafteter anzugreifen Seit Inkrafttreten des Grundlagenvertrages zwischen der und der Vereinbarung zwischen der Regierung der und dem Senat von Westberlin über Erleichterungen und Verbesserungen des Reiseund Besucherverkehrs. Protokoll zwischen der Regierung der und der Regierung der über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der und Berlin und den dazugehörigen veröffentlichten und vertraulichen Protokollvermerken für die politisch-operative Arbeit während des Studiums genutzt und nach ihrer Bewährung in den Dienst Staatssicherheit eingestellt werden. Die Arbeit mit ist von weitreichender Bedeutung für die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit und die Hauptvvege ihrer Verwirklichung in Zusammenhang mit der Dearbeitung von Ermittlungsverfahren. Die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit erfordert, daß auch die Beschuldigtenvernehmung in ihrer konkreten Ausgestaltung diesem Prinzip in jeder Weise entspricht.

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