Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 16

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 16 (NJ DDR 1958, S. 16); Der gesetzlich verankerte Grundsatz der Vorrangigkeit der Erziehungsmaßnahmen gegenüber der Strafe ist die wichtigste Besonderheit des demokratischen Jugendstrafrechts. Die früher geltenden Jugendgerichtsgesetze enthielten keine derartige Regelung. Im allgemeinen halten sich die Jugendgerichte streng an das Prinzip, die Strafe gegenüber Jugendlichen nur als ultima ratio anzuwenden. Im Jahre 1955 wurden in 73.8 Prozent aller in der DDR entschiedenen Jugendstrafsachen ausschließlich Erziehungsmaßnahmen angeordnet4. In der Rechtsprechung des Leipziger Jugendgerichts gestaltete sich das Verhältnis zwischen Erziehungsmaßnahmen und Strafen wie folgt: 1953 = 58,0 % Erziehungsmaßnahmen, 42,0 % Strafen 1954 = 64,6 % „ 35,4 % 1955 = 63,8 % „ 36,2 % 1956 = 63,4 % „ 36,6 % Wenig erfreulich ist die Tatsache, daß die Proportionen zwischen den Erziehungsmaßnahmen und den Strafen in den einzelnen Bezirken der Republik ziemlich große Unterschiede auf weisen. Zum Teil wird diese Erscheinung auf tatsächlichen Unterschieden in der Jugendkriminalität beruhen. Es ist klar, daß sich die Jugendkriminalität in Bezirken mit einem hohen Anteil großstädtischer Bevölkerung von der Jugendkriminalität in Bezirken mit vorwiegend ländlicher und kleinstädtischer Bevölkerung qualitativ unterscheiden und die einheitliche Anwendung des JGG zu unterschiedlichen Proportionen in der Anwendung von Erziehungsmaßnahmen und Strafen führen kann. Wenn aber im Bezirk Dresden der Anteil der Strafen nur 15.8 Prozent und in Bezirken mit annähernd gleicher Struktur, wie Leipzig und Magdeburg, dagegen 37,6 Prozent und 38,8 Prozent beträgt5, so wird man diese Unterschiede bis zu einem gewissen Grade auch auf die nicht einheitliche Handhabung des Prinzips der Vorrangigkeit der Erziehungsmaßnahmen zurückführen müssen. Die zentralen Justizorgane werden ihr Bestreben darauf zu richten haben, in dieser wichtigen Frage des Jugendstrafrechts ein Höchstmaß von Einheitlichkeit in der Rechtsprechung der Jugendgerichte zu erzielen. Das Vertrauen, das die Arbeiter-und-Bauern-Macht mit der starken Einschränkung der Strafen in die Gestaltungskraft erzieherischer Maßnahmen gesetzt hat, wurde nicht enttäuscht. Die Mehrzahl der in den vergangenen fünf Jahren nach dem JGG verurteilten Rechtsverletzer konnte durch Erziehungsmaßnahmen vor weiterem moralischem Abgleiten bewahrt und zu einem ordentlichen Lebenswandel veranlaßt werden. Nachdem sich die Berechtigung des im JGG verankerten erzieherischen Optimismus durch die mehrjährige Praxis der Jugendgerichte bestätigt hat, ist es notwendig, näher zu untersuchen, in welchen Ausnahmefällen Erziehungsmaßnahmen nicht genügen und Strafen verhängt werden müssen. Hierin liegt die Problematik, des § 3 JGG, deren Lösung für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Jugendgerichte große praktische Bedeutung zukommt. III Bei der Beantwortung der Frage, ob Erziehungsmaßnahmen ausreichen oder nicht, ist in erster Linie vom Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Straftat auszugehen. Für einen kleinen Kreis schwerster Verbrechen Jugendlicher hat das JGG die Erforderlichkeit der Bestrafung generell bejaht. Es sind dies die Staatsverbrechen, Mord, Vergewaltigung und die wiederholte Begehung schwerer Verbrechen, die gemäß § 24 JGG immer mit Strafen nach dem allgemeinen Strafrecht geahndet werden müssen. Für einige andere besonders schwere Straftaten läßt sich mit Absolutheit sagen, daß sie die Verhängung von Freiheitsentziehung gemäß § 17 JGG erforderlich machen. Hierzu muß man solche Verfehlungen zählen wie Totschlag, die verschiedenen Arten des Raubes, die * Harrland/Hugot, Jugendkriminalität und ihre Bekämpfung, NJ 1956 S. 398. 5 Harrland/Hugot, NJ 1956 S. 398. vorsätzlichen Brandstiftungen und die vorsätzliche Transportgefährdung. Diese strafbaren Handlungen weisen immer einen derart hohen Gefährlichkeitsgrad auf, daß auch unter den Jugendlichen keinerlei Zweifel über ihre gerichtliche Bestrafung aufkommen darf. Der zahlenmäßige Anteil derart schwerer Verfehlungen an der gesamten Jugendkriminalität ist äußerst gering. Die Zahl der im Stadt- und Landkreis Leipzig von Jugendlichen begangenen vorsätzlichen Tötungen, Raubüberfälle und vorsätzlichen Brandstiftungen betrug: 1953 1954 1955 1956 Totschlag 1 Raub 3 3 Brandstiftung 1 1 Das Jugendgericht hat für diese Verfehlungen ausnahmslos Freiheitsentziehung verhängt. In diesem Ziisammenihang muß auf eine theoretische Ansicht eingegangen werden, die zu der hier vertretenen in Widerspruch steht. In einer neueren Publikation wird zum Verhältnis der Erziehungsmaßnahmen und Strafen des JGG folgendes ausgeführt: „Für die Entscheidung, ob im Einzelfall eine Weisung oder eine andere Erziehungsmaßnahme oder Strafe anzuordnen ist, darf nicht die geringere oder größere Schwere der Verfehlung maßgebend sein. Die Verfehlung ist lediglich der äußere Anlaß für die Anordnung einer Erziehungsmaßnahme und immer nur als ein Symptom für die Erziehungsmängel von Bedeutung Die Schwere der Verfehlung ist zunächst nur der Ausdruck für eine bestehende Erziehungsbedürftigkeit, die eine mehr oder minder nachhaltige erzieherische Einwirkung erforderlich macht. Welche Erziehungsmaßnahme aber notwendig und ausreichend ist, um das Ziel des jugendgerichtlichen Verfahrens zu erreichen, nämlich den Jugendlichen zu einem tüchtigen und verantwortungsbewußten Bürger unseres sozialistischen Staates zu erziehen (§ 2 Abs. 2 JGG), ist erst in zweiter Linie von der Schwere der Verfehlung abhängig.“5 Der Fehler dieser Meinung liegt darin, daß sie die Schutzfunktion der Jugendgeriohtsbarkeit ignoriert, auf die sowohl in der Präambel des JGG als auch in § 2 Abs. 2 an erster Stelle hingewiesen wird. Wenn man die Verfehlung zum lediglich „äußeren Anlaß“ der gerichtlichen Anordnung von Erziehungsmaßnahmen erklärt, der „immer nur als ein Symptom von Erziehungsmängeln von Bedeutung ist“, so könnte daraus die Praxis den Schluß ziehen, daß die exakte kriminalistische Erforschung des Tatgeschehens und seine einwandfreie strafrechtliche Würdigung im Jugendstrafverfahren weniger wichtig sei, weil es für die Auswahl der gerichtlichen Maßnahmen angeblich nicht auf die Schutzbedürfnisse der Gesellschaft, sondern allein oder in erster Linie auf das Ausmaß der Erziehungsbedürftigkeit des Rechtsverletzers ankommt. Die besonders große Bedeutung, die dem Subjekt der Straftat im Strafverfahren gegen Jugendliche zuzumessen ist, darf nicht so aufgefaßt werden, als ob hier die strafbare Handlung nur eine untergeordnete Rolle und die individuelle Eigenart des Rechtsverletzers die Hauptrolle spielt. Grund für das Eingreifen der Strafverfolgungsorgane gegen einen Jugendlichen ist nicht der Umstand, daß anläßlich seiner Verfehlung seine Erziehungsbedürftigkeit entdeckt wurde, sondern die Tatsache, daß er mit seiner Verfehlung gesellschaftliche Verhältnisse angegriffen hat und der Staat sich gegen gesellschaftsgefährliche Angriffe zur Wehr setzen muß. Die Art und Schärfe der Abwehrmaßnahmen richtet sich in erster Linie nach der Intensität der Angriffshandlung und erst in zweiter Linie nach den individuellen Besonderheiten der angreifenden Persönlichkeit. Niemals darf man jedoch die Handlung von ihrem Subjekt trennen. Insbesondere das jugendliche Alter kann von maßgeblichem Einfluß für den verbrecherischen Charakter der Handlung, für ihre Richtung gegen bestimmte strafrechtlich geschützte Verhältnisse unserer Ordnung sowie für das konkrete Ausmaß der Gesellschaftsgefährlichkeit und der moralisch-politischen Verwerflichkeit 6 W. Müller, Zur Anordnung und Gestaltung von Weisungen, Zeitschrift für Jugendhilfe und Heimerziehung 1956 S. 417. 16;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 16 (NJ DDR 1958, S. 16) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 16 (NJ DDR 1958, S. 16)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in wesentlichen Verantwortungsbereichen bezogen sein, allgemeingültige praktische Erfahrungen des Untersuchungshaftvollzuges Staatssicherheit und gesicherte Erkenntnisse, zum Beispiel der Bekämpfung terroristischer und anderer operativ-bedeutsamer Gewaltakte, die in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen festgelegt, auch an Leiter anderer Diensteinheiten herausgegeben. Diese Leiter haben die erhaltene in ihrer Planvorgabe zu verarbeiten. Es wird nach längerfristigen Planorientierungen und Jahresplanorientierungen unterschieden. Planung der politisch-operativen Arbeit gedankliche Vorbereitung und das vorausschauende Treffen von Entscheidungen über die konkreten politisch-operativen Ziele, Aufgaben und Maßnahmen im jeweiligen Verantwortungsbereich, den Einsatz der operativen Kräfte und Mittel, insbesondere der einschließlich der Entwicklung und Nutzung der operativen Basis für die Arbeit im und naoh dem Operationsgebiet, Organisation der Zusammenarbeit mit anderen politisch-operativen Linien und Diensteinheiten, vor allem mit den Diensteinheiten der Linie sowie die weitere Vervollkommnunq des - ,ii,., - Zusammenwirkens mit den Organen des MdI, vor allem der Verwaltung Strafvollzug sowie mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen, Institutionen und gesellschaftlichen Kräften. Das erfordert - den zielgerichteten und konzentrierten Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesschaftlichen Kräften. zur Erhöhung der Wirksamkeit der verlangt zunächst von uns, den hier versammelten Leitern durch die weitere Qualifizierung unserer eigenen Führungs- und Leitungstätigkeit bessere Bedingungen für die politischoperative Arbeit der zu schaffen. Im Zusammenhang mit der Aufklärung straftatverdächtiger Handlungen und Vorkommnisse wurden darüber hinaus weitere Personen zugeführt und Befragungen unterzogen. Gegen diese Personen, von denen ein erheblicher Teil unter dem Einfluß der politisch-ideologischen Diversion zu einem ausgesprochenen Feind entwicke! und umfangreiche Aktivitäten zur Aberkennung der der sowie seiner Entlassung in die unternommen.

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