Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 9

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 9 (NJ DDR 1957, S. 9); sei, aus den Aufgaben und Funktionen des Strafprozesses ableite und deshalb die Berufung gegen ein aus Mangel an Beweisen freisprechendes Urteil ablehne, dann übersehe er, so bemerkte Prof. Dr. Klen-ner (Humboldt-Universität) die sehr wichtige Erziehungsfunktion des Strafrechts, wie sie sich aus § 2 StPO ergebe. Erzieherisch wirke nur das Urteil, das beim Angeklagten Verständnis finde. Der Angeklagte, der sich unschuldig fühle, werde einen Freispruch „nur“ mangels Beweises nicht begreifen können und Wert darauf legen, vom Gericht seine Unschuld bestätigt zu erhalten. In einem solchen Falle stehe das mangels Beweises freisprechende Urteil im Widerspruch zum Erziehungsgedanken des Strafprozesses. Aus diesen Überlegungen folgerte Klenner, daß der Bürger einen Anspruch auf volle Rehabilitierung haben müsse. Natürlich gebe es so etwas wie eine „Verlustliste der objektiven Wahrheit“, d. h. Fälle, in denen Zweifel an der Schuld bestehen bleiben, die Unschuld aber nicht nachgewiesen werden kann. Die Unterscheidung unserer Strafprozeßordnung zwischen Freispruch mangels Beweises und Freispruch wegen erwiesener Unschuld trage daher weit besser der Wirklichkeit des Lebens Rechnung als die pauschale Behandlung des Freispruchs in der Strafprozeßordnung von 1877. Der sich aus dieser Unterscheidung ergebenden Rechtspflicht des Gerichts, sich in jedem Falle entweder für den Freispruch mangels Beweises oder für den Freispruch wegen erwiesener Unschuld zu entscheiden, entspreche der Rechtsanspruch des Angeklagten auf ein Rechtsmittel gegen den nur mangels Beweises ergangenen Freispruch.'- Zu den gleichen Ergebnissen gelangten auch Streit, Schumann, Wolff, Nathan und Geräts. Prof. Dr. Geräts (Humboldt-Universität), der von der Wahrheitserforschungspflicht als der unabdingbaren Voraussetzung der Wahrung der Gesetzlichkeit ausging, hob den nationalen Aspekt, die gesamtdeutsche Bedeutung der Vorbildlichkeit unseres Strafprozeßrechts hervor. Er betonte, daß die Präsumtion der Unschuld nicht auf das Prinzip der Erforschung der materiellen Wahrheit zurückgeführt werden könne, vielmehr ein eigenständiges Prinzip sei. Es gebe Prozeßprinzipien, die der Durchsetzung der erzieherischen Tätigkeit des Gerichts, der Herstellung des Vertrauens der Bevölkerung zu den Justizorganen dienen; zu ihnen müsse man die Präsumtion der Unschuld rechnen, Präsident Dr. Schumann und Streit wollten den Anspruch des Angeklagten auf Rehabilitierung und die Zulässigkeit des Rechtsmittels mit diesem Ziel als eine wesentliche Seite der sozialistischen Gesetzlichkeit verstanden wissen, die dem Schutz der Rechte der Bürger und der Festigung der neuen Beziehungen zwischen dem Bürger und dem Staatsapparat dient. Beide beriefen sich auf § 200 StPO, der das Gericht verpflichtet, alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist, und zu diesem Zwack alle belastenden und entlastenden Umstände aufzuklären. § 200 StPO begründe gegenüber der „kleinen“ Wahr-hejitserforschungspflicht aus § 244 der Strafprozeßordnung von 1877 die a 11 s e i t i g e Erforschungspflicht, meinte Schumann. Daher könne das Gericht nicht an den Dingen Vorbeigehen, die die Unschuld des Angeklagten nachweisen könnten. Weil die Schuld sich nicht feststellen lasse ohne Ausschaltung der Argumente, die für die Unschuld des Angeklagten sprechen könnten, müsse der Inhalt des Strafprozesses in der Feststellung der Schuld oder der Unschuld des Angeklagten bestehen. Streit, der darauf hingewiesen hatte, daß von vielen Menschen bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als ihrer gesellschaftlichen Stellung abträglich und schädigend empfunden werde, befürwortete die Aufhebung des § 164 Abs. 1 Ziff. 3 StPO. Diese Bestimmung gestattet dem Staatsanwalt die Einstellung des Verfahrens, wenn nicht festgestellt ist, daß der Beschuldigte das Verbrechen oder die Übertretung begangen hat. Die Rechte der Bürger seien aber besser gewahrt, wenn in solchen Fällen Anklage erhoben und die Hauptverhandlung mit freisprechendem Urteil durchgeführt würde. Prof. Dr. Nathan (Humboldt-Universität) sprach sich für eine Aufhebung der Unterscheidung zwischen zwei Arten von freisprechenden Urteilen aus. Man werde sich dann daran gewöhnen, daß Freispruch eben Freispruch sei. Der Nachweis der Unschuld habe seinen Sinn, solange von ihm die Zahlung einer Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft abhänge. Falls die hierüber bestehende gesetzliche Regelung geändert werden sollte und jeder freigesprochene Häftling Entschädigung erhalte, werde die Umwelt nicht mehr fragen, ob der Nachweis der Unschuld erbracht wurde, und werde auch den mangels Beweises freigesprochenen Bürger nicht mehr verdächtigen, * Die in dem Referat von Weiß vertretene These, daß der Begriff der Beweislast für das Strafverfahren abzulehnen sei, man aber von einer Beweisführungsflicht des Gerichts sprechen müsse, fand in der Diskussion Zustimmung. Prof. Dr. Z y s 1 a k (Universität Krakau) stimmte zwar der Auffassung zu, daß Beweislast und Präsumtion der Unschuld miteinander unvereinbar sei, wandte sich jedoch gegen die Darlegungen des Referenten, wonach im Strafprozeß der Staatsanwalt und der Angeklagte nicht die Stellung von Parteien hätten, weil ihnen keine Beweispflicht obhege. Die Verneinung des Parteiprinzips im Strafprozeß, so führte Zyslak aus, bedeute, daß das Gericht auf die Stellung eines Inquisitionstribunals hinabgedrückt werde. Auch Oberrichter Dr. Löwenthal sprach sich dafür aus, daß das Parteiprinzip für den Strafprozeß Geltung haben müsse, da sonst die Gleichrangigkeit der Rechte von Staatsanwalt und Angeklagtem im Strafverfahren nicht gewährleistet sei. Ihm widersprach Prof. Dr. Niethammer (Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft), der auf die Verschiedenheit der Prozeßziele im Straf- und Zivilverfahren hinwies und wegen der Notwendigkeit einer unterschiedlichen Behandlung der Beteiligten das Parteiprinzip im Strafverfahren ablehnte. Auch er sprach sich gegen die Annahme einer Beweislast zuungunsten des Angeklagten aus; diese für den Zivilprozeß angebrachten, dort richtigen Kategorien könnten im Strafprozeß keine Anwendung finden. Dozent Dr. Hermann (Martin-Luther-Universität Halle) vertrat den Standpunkt, daß zwar nicht von einer Beweislast im Strafverfahren gesprochen werden könne, wohl aber von einer Beweisführungspflicht des Staatsanwalts. Wollte man diese ablehnen, so würde damit dem Gericht die Pflicht auferlegt, die Richtigkeit der erhobenen Anklage nachzuweisen. Das Gericht stünde dann nicht mehr über den Prozeßparteiem Prof. Dr. Wolter (Universität Krakau) machte bemerkenswerte Ausführungen über die Bedeutung der Logik für den strafprozessualen Beweis und wies darauf hin, daß trotz der Gleichheit der Struktur des logischen und strafprozessualen Beweises der letztere Besonderheiten aufweise, die sich daraus erklären lassen, daß es sich in der Logik darum handele, den Nachweis der Richtigkeit einer These durch eine andere These zu erbringen, während der strafprozessuale Beweis es auf den Nachweis der Existenz eines Sachverhalts abstelle. * Einige Diskussionsbeiträge beschäftigten sich mit dem Wert des Geständnisses für die Wahrheitsermittlung. Das Geständnis sei nicht Beweis, sondern Beweismittel. Seine Richtigkeit müsse daher nach jeder Richtung hin geprüft werden. Die Formulierung des § 209 StPO, das Geständnis könne „zum Zwecke des Beweises“ verlesen werden, habe häufig zu einer fehlerhaften Praxis geführt. § 209 StPO habe die gleiche Grundlage wie § 207 StPO, der die Verlesung von Protokollen über eine frühere Vernehmung von Zeugen oder Mitbeschuldigten gestatte, ohne die ebenerwähnte Formulierung zu gebrauchen. Oberrichter Dr. Löwenthal, der diesen Standpunkt vertrat, verwies noch auf die Forderung des § 210 StPO, den Grund für die Verlesung des Geständnisses im Protokoll zu vermerken. Wenn dies sorgfältig geschehe, was allerdings in der Praxis häufig verabsäumt werde, dann entfielen die Bedenken gegen die Fassung des § 209 StPO. Präsident Dr. Schumann verlangte eine Klärung des Begriffs „Geständnis“, man müsse zwischen dem Eingeständnis einzelner Tatsachen und dem Geständnis der Schuld an der Straftat unterscheiden. Er rügte, daß häufig die Urteile sich nicht darüber auslassen, was 9;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Zollverwaltung bestehen. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Siche rung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtSozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels in den vom Gegner besonders angegriffenen Zielgruppen aus den Bereichen. des Hoch- und Fachschulwesens,. der Volksbildung sowie. des Leistungssports und. unter der Jugend in Zusammenarbeit mit anderen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organisationen sowie mit den Werktätigen insgesamt, die gesellschaftlichen Kräfte des Sozialismus insbesondere zur vorbeugenden und zielgerichteten Bekämpfung der zersetzenden Einflüsse der politisch-ideologischen Diversion zu nutzen. Täter von sind häufig Jugendliche und Jungerwachsene,a, Rowdytum Zusammenschluß, verfassungsfeindlicher Zusammenschluß von Personen gemäß Strafgesetzbuch , deren Handeln sich eine gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen unseres Staa-, tes zu durohkreuzen? Hierbei hat der Uhtersuchungshaftvollzug im Minietorium für S-taateeieherfeeit einen wSa senden spezifischen Beitrag im System der Gesamtaufgabenstellung des Mini stemtms-für-S-taats-sicherheit zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit, insbesondere im Antrags-, Prüfungs- und Entscheidungsverfahren, bei der Kontrolle über die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sowie erteilten Auflagen und ihrer Durchsetzung auf dem Gebiet des Hoch- und Fachschulwesens und der Volksbildung Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit . Befehl des Ministers zur Gewährleistung der komplexen politischoperativen Aufklärungs- und Abwehrtätigkeit im Post-, Fernmeldeund Funkwesen in der Deutschen Demokratischen Republik lizensierten und vertriebenen Presseerzeugnissen ist nicht statthaft. Eingaben und Beschwerden dieser Verhafteten sind unverzüglich dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt vorzulegen.

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