Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 85

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 85 (NJ DDR 1957, S. 85); Klassenkampf“ eine neue Fassung erhalten. Diese Vorschrift blieb durch die seit 1951 erlassenen drei Strafrechtsänderungsgesetze unangetastet, weil sie in ihrer schon aus der Wilhelminischen Zeit stammenden Fassung offensichtlich als brauchbare Ausweichvorschrift bei der strafrechtlichen Verfolgung von Funktionären der Arbeiterbewegung angesehen wurde. Die Justiz der Bundesrepublik hat jedoch die Vorschrift kaum angewendet. Die Ursache dafür dürfte darin bestehen, daß der Wortlaut des bisherigen § 130 StGB die Justizorgane vor größere Beweisführungsschwierigkeiten stellte soweit in der politischen Justiz der Bundesrepublik überhaupt noch von echter Beweisführung die Rede sein kann. § 130 verlangt die öffentliche Anreizung zu Gewalttätigkeiten, eine Handlung also, die weder ein überzeugter Kommunist noch ein anderer Demokrat und Friedenskämpfer begeht. Daher war es für die Gerichte sehr schwierig, den angeklagten Friedenskämpfern solche Handlungen einfach zu unterschieben. Mit Hilfe der 1951 neu eingeführten und nach nazistischem Vorbild dehnbar gefaßten Vorschriften über den „gewaltlosen Hochverrat“, den man offiziell als „Staatsgefährdung“ bezeichnet, war es erheblich leichter, Gesinnungsgegner zu verfolgen. In zahllosen Strafprozessen gegen diejenigen, die an der Politik der Bundesregierung Kritik übten und dabei die Hintergründe der Remilitarisierung aufdeckten, wurden die Staatsgefährdungsbestimmungen oder die Vorschrift über die Vorbereitung zum Hochverrat angewandt. Auch zahlreiche Ermittlungsverfahren basieren auf diesen Bestimmungen, obwohl sich viele Angehörige der Strafverfolgungsorgane sicherlich darüber im klaren sind, daß Kommunisten und Funktionäre der vielen verfolgten demokratischen Organisationen jene gesetzlichen Regelungen über den Schutz der grundgesetzmäßigen Ordnung nicht verletzen, sondern im Gegenteil für die Erhaltung der Grundrechte, die ein wesentlicher Bestandteil dieser Ordnung sind, eintreten. Vielleicht aus Gründen der Elastizität ihrer politischen Taktik und um die Mittel zur Unterdrückung ihrer politischen Gegner zu modifizieren, macht nun die CDU/CSU-Fraktion des Bundestages den Vorschlag, den Ausweichtatbestand des § 130 StGB neu zu fassen: An Stelle der „öffentlichen Anreizung zu Gewalttätigkeiten“ gegen bestimmte Klassen soll nur noch die Rede sein von der Hetze „gegen eine Bevölkerungsgruppe, die durch Abstimmung, Herkunft oder Glauben ihrer Mitglieder bestimmt wird “ Diese Formulierung mutet sehr demokratisch und rechtsstaatlich an, weil der unvoreingenommene Leser den Eindruck erhält, als ob hier vor allem die antisemitische Hetzpropaganda erfaßt werden soll. Wenn man sich jedoch daran erinnert, daß sich in der Bundesrepublik unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit wieder die alten faschistischen Progromhelden zu Worte melden, daß es bereits zu Übergriffen gegen jüdische Friedhöfe und Synagogen kam, die keine entsprechende Reaktion der Justizorgane hervorgerufen haben, dann dürfte klar sein, daß mit dem neuen § 130 StGB eine andere Zielsetzung verfolgt wird. Jeden Bürger, der z. B. andere Menschen darüber aufzuklären versucht, daß die westdeutschen Monopolisten aus Profitgründen zu kriegerischen Abenteuern treiben, wird man zumal die Justizorgane zum größten Teil mit ehemaligen Mitgliedern der Nazi-Partei besetzt sind beschuldigen, Hetze gegen eine Bevölkerungsgruppe zu betreiben, die durch Abstammung oder Herkunft ihrer Mitglieder bestimmt ist. Ein anderer im Entwurf des 5. Strafrechtsänderungsgesetzes enthaltener Vorschlag ist für die politische Taktik der Vertreter der Monopole in der Adenauer-CDU ebenso charakteristisch. Nach dem neugefaßten § 130 soll ein § 130 a eingefügt werden, wonach derjenige bestraft wird, der „den aus Überzeugung geleisteten Widerstand gegen eine Gewalt- und Willkürherrschaft in einer den inneren Frieden gefährdenden Weise verächtlich macht .“. Die- ser Vorschlag soll sich laut DPA vor allem auf den strafrechtlichen Ehrenschutz der Gefallenen des 20. Juli 1944 beziehen. Man kann auch hier nicht umhin, einen solchen Kommentar als Irreführung der Öffentlichkeit zu bezeichnen. Allein die Tatsache, daß die konsequentesten antifaschistischen Widerstandskämpfer aus der Arbeiterbewegung mit keinem Wort erwähnt werden, beweist den „demokratischen“ Betrug, der hier betrieben wird. In diesem Zusammenhang muß auch daran erinnert werden, mit welchen Repressalien gegen Verfolgte des Naziregimes z. B. Entlassung aus dem Verwaltungsapparat, Ablehnung der Entschädigungsansprüche usw. gearbeitet wird. Der mögliche Einwand, daß der abstrakte Wortlaut des § 130 a StGB seinen Inhalt vom Grundgesetz her erhält, kann nach den bisherigen Erfahrungen mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der politischen Sondergerichte der einzelnen Oberlandesgerichtsbezirke .nicht durchschlagen. Die genannten Gerichte nehmen seit Jahren eine stereotype Auslegung des schon in den Staatsgefährdungsvorschriften und nun auch im neuen § 130 a enthaltenen Begriffs „Gewalt- und Willkür-Herrschaft“ vor, die der subjektiven, willkürlichen Auslegungsmethode der Hitlerjustiz ähnelt. Ohne die Spur eines exakten Beweises wird die sich neu entwickelnde sozialistische Demokratie in der DDR einfach als „Gewalt-und Willkürherrschaft“ bezeichnet, obwohl sie ihrem Inhalt nach die Herrschaft einer echten, nämlich der werktätigen Mehrheit darstellt und deren Lebensinteressen entspricht. Schon zu der Zeit, als die Staatsgefährdungsbestimmungen im Bundestag beraten wurden, gaben selbst bürgerliche Publizisten ihrer Befürchtung Ausdruck, daß es zu einer gefährlichen Ausdehnung solcher Begriffe wie Gewalt und Willkür kommen kann. So schrieb die „Frankfurter Rundschau“ am 11. Juli 1951 u. a.: „Gewalt und Willkür was für Kautschukbegriffe und welche Gefahr des Mißbrauchs gegen eine lästige demokratische Opposition!“ Die Zeitung behielt recht, wie die Prozesse gegen Friedenskämpfer und Patrioten gezeigt haben. Den Angeklagten wurde einfach unterschoben, daß sie eine „hintergründige“ Zielsetzung verfolgten, nämlich eine „Gewalt- und Willkürherrschaft“ auf westdeutschem Territorium errichten zu wollen. Deshalb liegt die Schlußfolgerung nahe, daß diese Kreise mit § 130 a StGB ähnliches im Sinne haben. Es dürfte auf der Hand liegen, daß die Vorschrift z. B. gegen denjenigen Bürger angewandt werden soll, der falsche Angaben eines aus der DDR entflohenen kriminellen Elementes widerlegt. Es ist doch kein Einzelfall, daß viele Republikflüchtige, gegen die in der DDR ein Strafverfahren wegen Betruges, Diebstahls, Untreue usw. eingeleitet wurde, eine verfälschte Darstellung ihrer Motive und Handlungen geben, um die Anerkennung als „politischer Flüchtling“ zu erhalten. Ähnlich ist es um die Schilderungen geflüchteter Geheimdienst-Spezialisten bestellt. In dem Bestreben, sich den Nimbus des Kämpfers gegen eine „Gewalt- und Willkürherrschaft“ zu verschaffen, tischen sie der Öffentlichkeit alle möglichen Lügen auf, um den kriminellen Charakter solcher Handlungen, wie die versuchte Sprengung von Brücken und ähnlichem, zu bemänteln. Ein Bürger, der solche Lügen entlarvt und zum Ausdruck bringt, daß derartiges zu den gemeinsten und hinterhältigsten Verbrechen gehört, gerät in die Gefahr, nach § 130 a StGB bestraft zu werden. Wenn es sich bei diesem Bürger um ein Mitglied einer unterdrückten demokratischen Organisation handelt, wird die Justiz der Bundesrepublik schnell bei der Hand sein, ihm eine gegen den „inneren Frieden“ gerichtete Gesinnung zu unterschieben. Solche gefährlichen Konsequenzen sollten sich diejenigen überlegen, die über den Gesetzentwurf befinden und die Möglichkeit haben, der weiteren Verschärfung der politischen Strafverfolgung Einhalt zu gebieten. Dr. WERNER SCHOLZ, Berlin Professor Dr. Zweigert: Verbot der KPD unzweckmäßig Der bis zum 1. September 1956 dem 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts angehörende Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Konrad Zweigert machte am 14. Dezember 1956 vor dem Rhein-Ruhr-Klub in Essen bemerkenswerte Ausführungen zu dem Thema: „Das Bundesverfassungs- gericht im Gefüge der politischen Kräfte“. Professor Dr. Zweigert, der ordentlicher Professor an der Juristischen Fakultät der Hamburger Universität ist, arbeitete bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bundesverfassungsgericht an dem Terrorurteil gegen die KPD mit. Er legte die Gründe dar, um deretwillen der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts eine so lange Zeit bis zur Urteilsfällung im KPD-Verbotsprozeß benötigte. „Wir haben unter anderem deshalb einen so großen Zeitraum für das Urteil benötigt“, führte er aus, „weil der Marxismus-Leninismus ein eminent geistvolles Gebäude ist.“ Damit gibt Zweigert jetzt nachträglich in aller Öffentlichkeit zu, daß es das Ziel des Prozesses gegen die KPD war, die marxistische Weltanschauung zu verurteilen. Er unterstrich in diesem Zusammenhang, daß sich der 1. Senat in diesem Verfahren der Erfahrungen des Obersten Gerichtshofs der USA bedient habe. Nach seiner Darstellung hat das geschickte Verhalten der Verteidiger der KPD die Richter des 1. Senats im Bundesverfassungsgericht gezwungen, sich gründlich mit dem Marxismus-Leninismus auseinanderzusetzen. Der KPD-Verbotsprozeß könne, so sagte Zweigert, niemals mit dem Prozeß gegen die SRP (Sozialistische Reichspartei) verglichen werden. „Wir haben uns im Bundesverfassungsgericht lange genug gefragt, ob ein Verbot der KPD zweckmäßig ist. Es lassen sich viele Gründe dafür anführen, daß ein Verbot der KPD nicht zweckmäßig ist. Ich 85;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 85 (NJ DDR 1957, S. 85) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 85 (NJ DDR 1957, S. 85)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Organisierung und Durchführung von Maßnahmen der operativen Diensteinheiten zur gesellschaftlichen Einwirkung auf Personen, die wegen Verdacht der mündlichen staatsfeindlichen Hetze in operativen Vorgängen bearbeitet werden Potsdam, Duristische Hochschule, Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache Anforderungen an die Auswahl,den Einsatz und die Zusammenarbeit Won und mit Sachverständigen zur von mit hohem Beweiswert bei defWcparbeitüng von Verbrechen gegen die Volkswirtschaft der und die auftretenden spezifischen Probleme ihrer strafrechtlichen Bekämpfung Diskussionsbeitrag der НА Zu den Angriffen auf die: sozialistische Volkswirtschaft und zur weiteren Qualifizierung der Beweisführung sind die notwendigen theoretischen Grundlagen im Selbststudium zu erarbeiten. Zu studieren sind insbesondere die Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß - Anweisung des Generalstaatsanwaltes der wissenschaftliche Arbeiten - Autorenkollektiv - grundlegende Anforderungen und Wege zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren, Dissertation, Vertrauliche Verschlußsache AUTORENKOLLEKTIV: Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei Verdächtigenbefragungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Zu den Möglichkeiten der Nutzung inoffizieller Beweismittel zur Erarbeitung einer unwiderlegbaren offiziellen Beweislage bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren zu leistenden Erkenntnisprozeß, in sich bergen. Der Untersuchungsführer muß mit anderen Worten in seiner Tätigkeit stets kühlen Kopf bewahren und vor allem in der Lage sein, den Verstand zu gebrauchen. Ihn zeichnen daher vor allem solche emotionalen Eigenschaften wie Gelassenheit, Konsequenz, Beherrschung, Ruhe und Geduld bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen sowie der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher beschrieben, werden solche Vorgehensweisen langfristig organisiert. Dadurch kann es zu Sympathiebekundungen für den Beschuldigten kommen, bis hin zu mehr oder weniger offiziellem Verlangen der Freilassung.

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