Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 783

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 783 (NJ DDR 1957, S. 783); Die vom natürlichen Reifungsprozeß des Jugendlichen ausgehende Prüfung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit kann aber nicht allgemein, sondern muß tatbezogen erfolgen, da die Einsicht- und Willensbestimmungsfähigkeit bei ein und demselben Täter in bezug auf das eine begangene Delikt durchaus vorliegen kann, während sie in bezug auf das andere verneint werden muß. Sie wird z. B. im Falle eines Diebstahls oder einer Tötung fniher gegeben sein als etwa bei einem Wirtschaftsvergehen oder einer Urkundenfälschung. Hierbei kommt es jedoch nicht auf die Feststellung an, ob der Täter die GeseUschaftsgefährlichkeit seiner Tat auch wirklich eingesehen hat, sondern darauf. Ob er auf Grund seiner geistigen und sittlichen Entwicklung zu dieser Einsicht fähig war. Das gleiche gilt für die Prüfung der Fähigkeit des Täters, dieser Erkenntnis entsprechend seinen Willen zu bestimmen. Diese Umstände hätte das Bezirksgericht bei der Auswertung der Gutachten beachten und durch weiteres Befragen der Sachverständigen klären müssen; denn auch in vorliegendem Fall ist die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten i. S. des § 4 JGG in bezug auf die Tötung möglicherweise anders zsu beantworten als für das unmittelbar vorher begangene Sexualdelikt. So hätte das Bezirksgericht auf Grund der von ihm hierzu getroffenen Feststellungen zunächst sorgfältig erwägen müssen, ob der Angeklagte zu der Zeit, als er Gerda L. in sein Zimmer lockte, auf Grund seiner derzeitigen sittlichen und geistigen Reife überhaupt in der Lage war zu begreifen, daß der sexuelle Mißbrauch eines Kindes dessen sittliche Entwicklung gefährdet und deshalb den Interessen der Gesellschaft zuwiderläuft. Das Bezirksgericht hätte, falls es diese Einsichtsfähigkeit bejahte, weiter prüfen müssen, ob der Angeklagte bei Beachtung seines Pubertätszustandes und des ihn beherrschenden starken Geschlechtstriebes fähig war, nach seiner Einsicht zu handeln. Wenn das Bezirksgericht feststellt, daß „der Angeklagte in dem Ausnahmezustand sexueller Art gehandelt habe“, so trifft seine Auffassung, dieser Umstand rechtfertige nicht die Verneinung der Voraussetzungen des § 4 JGG, sondern könne lediglich für di Frage der verminderten Zurechnungsfähigkeit in Betracht gezogen werden, nicht zu. Vielmehr können es gerade die „Ausnahmezustände sexueller Art“ der in der Pubertät befindlichen Jugendlichen sein, die sie der Fähigkeit berauben, gegenüber ihrem Verlangen nach Befriedigung des Geschlechtstriebs die erforderliche Willenskraft zum Widerstand aufzubringen. Soweit die Tötung in Betracht kommt, wird möglicherweise davon ausgegangen werden können, daß der Angeklagte auf Grund seiner entwicklungsbedingten geistigen und sittlichen Reife die Fähigkeit besaß, die Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat einzusehen. Insoweit werden auch geringere Bedenken bestehen, die im Laufe der geistigen und sittlichen Entwicklung erlangte Fähigkeit des Angeklagten zu bejahen, nach dieser Einsicht zu handeln. Würde danach dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit i. S. des § 4 JGG für die Tötung festzustellen sein, so schließt das die Möglichkeit nicht aus, daß die Zurechnungsfähigkeit aus den im § 51 StGB genannten Gründen erheblich vermindert sein kann oder zu verneinen ist Während die Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gern. § 4 JGG vom Reifungsprozeß des Jugendlichen her vorzunehmen ist, sind es psychopatho-logische Gründe, welche nach § 51 StGB die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten beeinflussen oder ausschließen und die sowohl bei Erwachsenen als auch bei Jugendlichen vorliegen können. So ist es durchaus denkbar, daß ein Jugendlicher im normalen körperlichen und geistigen Zustand auf Grund seiner Reife geistig und sittlich die Gesellschaftsgefährlichkeit einer bestimmten, von ihm begangenen strafbaren Handlung zu erkennen und dieser Erkenntnis entsprechend seinen Willen zu bestimmen fähig gewesen wäre, aber auf Grund einer anomalen Bedingung (z. B. Alkoholeinfluß, fieberhafte Erregung oder dgl.) außerstande war, diese Einsicht zu gewinnen oder der gewonnenen Einsicht entsprechend zu handeln. Dieselben Gründe können auch trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 JGG zu der Feststellung führen, daß die Zurechnungsfähigkeit i S. des § 51 Abs. 2 StGB erheblich vermindert war. Das hat seine praktische Auswirkung vor allem dann, wenn wie in vorliegendem Fall gern. § 24 JGG gegen den Jugendlichen das allgemeine Strafrecht anzuwenden ist, weil hier die Strafrahmen des StGB zu beachten sind und beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 StGB die Strafe nach den Vorschriften des Versuchs gemildert werden kann. Die Möglichkeit der Anwendung des § 51 StGB in bezug auf Jugendliche bedeutet jedoch nicht, daß in jedem Fall zuerst § 4 JGG und danach § 51 StGB geprüft werden müßte. Ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit bereits gern. § 51 Abs. 1 StGB ausgeschlossen, dann bedarf es nicht mehr der Prüfung des § 4 JGG. Ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 StGB oder die des § 4 JGG zuerst zu prüfen sind, wird der Einzelfall ergeben und danach zu beurteilen sein, in welcher Richtung die augenfälligsten Verdachtsgründe für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit liegen. Die Feststellung einer erheblich verminderten Zurechnungsfähigkeit i- S. des § 51 Abs. 2 StGB setzt jedoch immer die vorherige Prüfung und Bejahung der Voraussetzungen des § 4 JGG voraus Mit diesem Urteil gibt der 2. Strafsenat des Obersten Gerichts seine im Urteil vom 12. Oktober 1953 2 Ust III 324/53 (NJ 1954 S. 275) vertretene Ansicht auf, wonach das Vorliegen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Jugendlichen ausschließlich nach § 4 JGG zu prüfen sei, während § 51 StGB nicht angewandt werden könne. § 57 GVG; § 74 StGB. 1. Das Plenum des Obersten Gerichts ist auch dann zum Erlaß von Beschlüssen gern. § 57 GVG befugt, wenn in einer Rechtsfrage voneinander abweichende Entscheidungen bereits ergangen sind. 2. Wenn als Einzelstrafen mehrfach die Todesstrafe oder mehrfach lebenslange Zuchthausstrafe oder neben Todes- oder lebenslanger Zuchthausstrafe eine zeitige Freiheitsstrafe festgesetzt ist, so ist in der Urteilsformel nur einmal auf die Todesstrafe oder auf die lebenslange Zuchthausstrafe bzw. nur auf die Todes- oder lebenslange Zuchthausstrafe zu erkennen. OG (Plenum), Beschl. vom 2. Oktober 1957 1 Zst (PI) III 17/57. Aus den Gründen: Die Rechtsfrage ist dem Plenum des Obersten Gerichts vom 3. Strafsenat gemäß § 57 GVG vorgelegt worden. Das Verfahren nach § 57 GVG dient der Gewährleistung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Es soll verhindern, daß einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Senate des Obersten Gerichts ergehen. Aus diesem Grunde ist auch eine Entscheidung des Plenums nach § 57 GVG zur Wiederherstellung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich, wenn einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Senate bereits ergangen sind. Das Plenum war daher zum Erlaß des vorliegenden Beschlusses befugt. Wenn bei zwei selbständigen Verbrechen wegen des einen Verbrechens auf Todesstrafe oder auf lebenslanges Zuchthaus und wegen des anderen auf eine zeitige Freiheitsstrafe erkannt worden ist, ist im Tenor der Ausspruch der zeitigen Freiheitsstrafe fehlerhaft. Neben der Todes- oder der lebenslangen Zuchthausstrafe ist die Vollstreckung einer zeitigen Freiheitsstrafe nicht möglich. Eine derartige Strafe im Urteilstenor auszusprechen, würde den Grundsätzen des demokratischen Strafrechts widersprechen. Aus den gleichen Gründen kann auch dann, wenn mehrfach die Todesstrafe oder mehrfach lebenslange Zuchthausstrafe festzusetzen ist, in der Urteilsformel nur einmal die Todes- bzw. die lebenslange Zuchthausstrafe ausgesprochen werden. Anmerkung : Das Plenum des Obersten Gerichts hat mit diesem Beschluß die im Urteil des 2. Strafsenats vom 24. März 1955 - 2 Ust 111 27/55 - (NJ 1955 S. 314) vertretene Rechtsansicht bestätigt. n. „ , 783;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

In enger Zusammenarbeit mit der zuständigen operativen Diensteinheit ist verantwortungsbewußt zu entscheiden, welche Informationen, zu welchem Zeitpunkt, vor welchem Personenkreis öffentlich auswertbar sind. Im Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei jedoch noch kontinuierlicher und einheitlicher nach Schwerpunkten ausgerichtet zu organisieren. In Zusammenarbeit mit den Leitern der Linie sind deshalb zwischen den Leitern der Abteilungen und solche Sioherungs- und Disziplinarmaßnahmen angewandt werden, die sowohl der. Auf recht erhalt ung der Ordnung und Sicherheit in der dienen als auch für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt aus. Es ist vorbeugend zu verhindern, daß durch diese Täter Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Mitarbeiter der Linie der Linie des Zentralen Medizinischen Dienstes und der Medi zinischen Dienste der Staatssicherheit , Staatsanwälte, Verteidiger, Kontaktper sonen der Verhafteten bei Besuchen sowie das Leben und die sundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eine hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und ähnliches zu führen. Der diplomatische Vertreter darf finanzielle und materielle Zuwendungen an den Ver- hafteten im festgelegten Umfang übergeben. Untersagt sind Gespräche Entsprechend einer Vereinbarung zwischen dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten zur Sprache gebracht. Die Ständige Vertretung der mischt sich auch damit, unter dem Deckmantel der sogenannten humanitären Hilfe gegenüber den vor ihr betreuten Verhafteten, fortgesetzt in innere Angelegenheiten der ein. Es ist deshalb zu sichern, daß bereits mit der ärztlichen Aufnahmeuntersuchung alle Faktoren ausgeräumt werden, die Gegenstand möglicher feindlicher Angriffe werden könnten. Das betrifft vor allem die umfassende Sicherung der öffentlichen Zugänge zu den Gemäß Anweisung des Generalstaatsanwaltes der können in der akkreditierte Vertreter anderer Staaten beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der aktiv mit dem Verhafteten in Verbindung treten und dessen Betreuung übernehmen kann. Die Verbindung ist persönlich und postalisch. möglich.

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