Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 734

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 734 (NJ DDR 1957, S. 734); ist?“14 Das Zitat solcher Äußerungen führt auf die Kernfrage des gesamten Verfahrens zurück. Die herrschenden Kreise fürchten nichts mehr als die Festigung der Klassenposition der Arbeiter, deren Voraussetzung die Entwicklung des Klassenbewußtseins ist. Wer unter den Arbeitern die Wahrheit verbreitet, wer sie mit den gesellschaftlichen Entwicklungsgesetzen vertraut macht und sie dadurch befähigt, konsequenter für ihre Lebensinteressen einzutreten, der muß rücksichtslos ausgeschaltet werden. Dafür nehmen die herrschenden Kreise sogar in Kauf, sich selbst als Feinde der Freiheit der Wissenschaft und Forschung, als Gegner des Rechts auf freie Meinungsäußerung zu entlarven. Die Bundesanwaltschaft scheut auch nicht davor zurück, die von Dr. Agartz geübte Kritik an der Regierungspolitik als „Beweis“ für dip Verfolgung staatsfeindlicher Ziele anzubieten. Wörtlich heißt es in der Anklage u. a.: „Besonders scharf ist die Kritik an der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. In dem Aufsatz ,Warum wir aufrüsten sollen“ wird die Wiederbewaffnung als ,gradlinige Fortsetzung der Besatzungspolitik“ gekennzeichnet, weil sie ausschließlich amerikanische Interessen (Schwächung der deutschen Konkurrenz, Gewinnung Deutschlands als Markt für das Rüstungsgeschäft, Ausspähung der deutschen Industrie) fördere“ 15. Hier zeigt sich sehr augenfällig, daß es den herrschenden Kreisen nicht nur auf die Ausschaltung der Person von Dr. Agartz ankommt, sondern über-' haupt auf die Zerschlagung der Plattform des 3. DGB-Kongresses vom Oktober 1954. In der Anklage wird darauf verwiesen, daß Dr. Agartz in seinem Referat, das er auf diesem Kongreß hielt, „Kritik an den bestehenden wirtschaftlichen Zuständen, an angeblich undemokratischen Verhältnissen im politischen Leben der Bundesrepublik und an einigen Grundentscheidungen der Regierungspolitik“ übte16. Zugleich wird gesagt, daß diese Ausführungen den „Beifall des Kongresses“ gefunden hätten. Hier wird vollends klar, um was es den herrschenden Kreisen geht. Im Funktionärorgan des DGB „Die Quelle“ wurde das Referat von Dr. Agartz mit folgenden Worten kommentiert: „Der Vortrag war ebenso eine kristallklare Analyse der -bestehenden Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik, wie auch eine schonungslose Abrechnung mit ihren sich sozial tarnenden Herrschaftskräften“ 17. Diese Zustimmung drückte sich auch in den 14 a. a. O., S. 36. 15 a. a. O., S. 41. 16 a. a. O., S. 9, vgl. auch S. 40. ii „Die Quelle“, Sondernummer zum 3. Bundeskongreß des DGB 1954, S. 37. gegen die Remilitarisierung und die Schaffung eines militaristischen Obrigkeitsstaates gerichteten Beschlüssen aus, die zugleich das Kampfprogramm gegen die Umtriebe des Monopolkapitals enthielten. Diese Plattform endgültig zu zerschlagen, ist ein wesentliches innenpolitisches Ziel des dritten Adenauerkabinetts. Diesem Ziel soll auch das Verfahren gegen Dr. Agartz dienen. Die Verurteilung von Dr. Agartz soll die SPD- und DGB-Mitglieder abschrecken, für eine sozialistische Arbeiterpolitik einzutreten. Sie soll Arbeiterfunktionäre abschrecken, Kontakte mit Kollegen in der DDR anzuknüpfen, um ein gemeinsames Handeln der deutschen Arbeiterklasse darauf geht die Anklage mehrmals ein18 gegen den Militarismus zustande zu bringen. Die Bundesanwaltschaft fälschte zu diesem Zweck die strafrechtlich irrelevante, weil mit dem Grundgesetz im Einklang stehende publizistische Tätigkeit des Wissenschaftlers Agartz in eine landesverräterische Handlung um. Diesem Unterfangen widmete sie im letzten Abschnitt der 69seitigen Anklage eine einzige Seite, indem sie in lapidarer Kürze die unbewiesenen Behauptungen über die Ziele des FDGB und der SED wiederholte, um dann die Einschätzung der subjektiven Seite mit zwei kurzen Sätzen folgenden Inhalts abzutun: Agartz wisse, „daß er die Bestrebungen des FDGB und der SED unmittelbar und nachhaltig förderte. Das genügt aber für das Tatbestandsmerkmal der Absicht i. S. des § 100 d Abs. 2 StGB “ 19. Wenn der Bundesgerichtshof die Konstruktion der Bundesanwaltschaft übernimmt, dann liefert er den gegenwärtigen Machthabern in Bonn das Mittel zu einer unübersehbaren Kriminalisierung des politischen Lebens der Bundesrepublik. Nicht nur linksorientierte Publizisten geraten in die Gefahr, strafrechtlich verfolgt zu werden. Bedroht sind auch Wissenschaftler, die Vorlesungen über Marxismus halten oder sich öffentlich gegen die Atomrüstung wenden. Ihnen könnte dann „nachgewiesen“ werden, daß sie die Politik der Sowjetunion, der DDR oder fortschrittlicher Vereinigungen „außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Gesetzes“ unterstützen. Darin liegt die besondere Bedeutung des Verfahrens gegen Dr. Agartz. Dieses Verfahren ist der Ausgangspunkt einer neuen Etappe in der politischen Justiz, die von der allgemeinen Tendenz zur verschärften Unterdrückung aller fortschrittlichen Strömungen bestimmt wird. 18 vgl. z. B. Anklage, S. 43. 19 a. a. O., S. 68. Zur Vorbereitung’ der Sch offen wähl 1958 Ständige Kommissionen helfen bei der Vorbereitung der Schöffenwahl Die bisherigen Erfahrungen mit der Vorbereitung der Schöffenwahl im Bezirk Erfurt zeigen deutlich, daß Autorität und Aktivität der örtlichen Volksvertretungen gewachsen sind. Bereits an der konstituierenden Sitzung des Bezirkswahlausschusses beteiligte sich ein Mitglied der Ständigen Kommission für innere Angelegenheiten, Volkspolizei und Justiz beim Bezirkstag aus eigener Initiative und gab den Mitgliedern des Wahlausschusses wertvolle Anregungen. Zwei Tage nach dieser Sitzung berieten die Mitglieder der Ständigen Kommission über die Aufgaben der Abgeordneten bei -der Vorbereitung und Durchführung der Schöffenwahl. Hierzu hatten sie den Direktor des Bezirksgerichts, den, Leiter der Justizverwaltungsstelle sowie einige Schöffen des Bezirksgerichts eingeladen und sie gebeten, über die Erfahrungen bei den Schöffenwahlen 1955 und die Aufgaben und den Stand der Vorbereitung der Schöffenwahl 1958 zu1 berichten. Das Ergebnis der Beratung war ein Beschluß, eine engere, unmittelbare Verbindung mit den Schöffen herzustellen, u. a. durch gelegentliche Teilnahme an den Schöffenaktiv-Sitzungen. Darüber hinaus soll allen Abgeordneten des Bezirkstages empfohlen werden, die in' ihrem Wirkungsbereich bestehenden Schöffenkollektive zu unterstützen und aktiv bei der Vorbereitung und Durchführung der Schöffenwahl mitzuhelfen. Diese Empfehlung erhielten auch die Vorsitzenden der Ständigen Kommissionen für innere Angelegenheiten-, Volkspolizei und Justiz bei den Kreistagen, die ebenfalls von der Ständigen Kommission beim Bezirkstag eine Einladung zu dieser Beratung erhalten hatten. In der Aussprache lernten die Kommissionsvorsitzenden aus den Kreisen die Arbeitsmethode und Aufgabenstellung der Kommission, des Bezirkstages kennen und nahmen Anregungen für ihre eigene Arbeit mit. Wie ich mich selbst überzeugen konnte, hatte der Hinweis, die Mitglieder der Ständigen Kommission beim Kreistag sollten sich an den Sitzungen des Kreiswahlausschusses beteiligen sowie an Tagungen der Schöffenaktivs teilnehmen, vollen Erfolg. Nach dem Vorbild der Ständigen Kommission beim Bezirkstag beschäftigte sich im Kreis Langensalza die Ständige Kommission beim Kreistag ebenfalls mit den Schöffenwahlen, wobei der Sekretär des Rates des 734;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit zur konsequenten und differenzierten Anwendung des sozialistischen Strafrechts durchzusetzen. die Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlen. Gegenüber Jugendlichen ist außer bei den im genannten Voraussetzungen das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung gibt. Das ist in der Regel bei vorläufigen Festnahmen auf frischer Tat nach der Fall, wenn sich allein aus den objektiven Umständen der Festnahmesituation der Verdacht einer Straftat besteht oder nicht und ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlen. Gegenüber Jugendlichen ist außer bei den im genannten Voraussetzungen das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege, hat das Untersuchungsorgan das Verfahren dem Staatsanwalt mit einem Schlußbericht, der das Ergebnis der Untersuchung zusammen faßt, zu übergeben.

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