Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 723

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 723 (NJ DDR 1957, S. 723); betracht der gegenwärtig noch vorhandenen Unzulänglichkeiten in der Erforschung der genauen Lebensverhältnisse oder in der Zusammenstellung eines umfassenden Persönlichkeitsbildes auch dann mit besonderer Vorsicht an die Feststellung der Verantwortungsreife herangehen müssen, wenn Anomalien im bisherigen Leben dieser Jugendlichen nicht bekannt geworden sind. In jedem Fall wird man das Versagen in der Schule, das nach den eigenen, häufig nicht kontrollierbaren .Angaben der Jugendlichen auf „Faulheit“, „Schwänzen“, „Nichtmitkommen“ und zum Teil auch auf die Nachkriegswirren (Umsiedlung usw.), vereinzelt auch auf Krankheiten zurückzuführen ist, sorgfältig registrieren und bei der Verhandlung berücksichtigen. Das bedeutet, daß wir uns im Ton, in der Sprache und in der Ausdrucksweise dem Bildungsniveau anpassen müssen. Bei inhaftierten Jugendlichen wird uns das erleichtert, wenn wir die Briefe, die sie an ihre Angehörigen richten, hinsichtlich ihrer Ausdrucksform, ihrer grammatikalischen und orthographischen Gestaltung sorgsam studieren. Dann ist man häufig nicht nur erschüttert über den Bildungs- und Ausdrucksmangel, der uns da zuweilen entgegentritt, sondern man kommt auch von selbst dazu, bei der Verhandlung jedes Juristendeutsch zu vermeiden und selbst bei einfachen, uns geläufigen Worten zu prüfen, o(b sie wohl auch tatsächlich von dem Jugendlichen verstanden werden. Wortarmut und Bildungsmangel, die beide nicht gleichzusetzen sind mit Mangel an Intelligenz, erschweren die Verständigung zwischen dem Gericht und dem Jugendlichen und machen, wenn wir diesen Umstand bei der Urteilsabsetzung nicht berücksichtigen, unsere Urteile zu einem für den Jugendlichen absolut unverständlichen Dokument. Er wirkt sich auch manchmal dahingehend aus, daß der Jugendliche nicht weiß, wie er sich ausdrücken soll, und häufig nicht in der Lage ist, zusammenhängend zu berichten. Von ihrem Lebenslauf wissen Jugendliche im allgemeinen nicht mehr zu berichten, als daß sie geboren sind, die Schule besucht haben und jetzt irgendwo arbeiten. Dasselbe gilt, wenn wir sie nach ihrem sonstigen Interessenkreis befragen. Auch hier sind die Antworten in der Regel kurz und ohne inneren Zusammenhang. Es gibt selbstverständlich Ausnahmen, aber wir brauchen ja nur den Ursachen der Jugendkriminalität nachzugehen, um zu erkennen, daß der aus geordneten Familienverhältnissen kommende oder sonst von Haus aus gut erzogene und angeleitete Jugendliche mit guter Schulbildung und klarem Berufsziel selten straffällig wird. Bei der Mehrzahl der straffällig gewordenen Jugendlichen stellen wir jedenfalls fest, daß sie aus Mangel an Ausdrucksmöglichkeiten manchmal sind es jedoch auch „taktische“ Gründe unsere Fragen kurz und knapp oder überhaupt nur mit „ja“ oder „nein“ beantworten. Die Tendenz, möglichst nichts' zu sagen oder uns solche Antworten zu geben, die uns genehm sind, verstärkt sich noch, wenn wir anfangen zu moralisieren. Auf diese „Moralpauken“ ist gerade der gewitzte Jugendliche eingestellt. Die hat er schon oft gehört und auf die reagiert er, indem er mit gesenktem Kopf schweigt, Ergriffenheit oder Beschämung heuchelt oder uns „uneingeschränkt“ Recht gibt. M. E. kommt es aber darauf an, dem Jugendlichen unter Beiseitelassen aller moralischen Vorhaltungen und Vorwürfe das Falsche, Unrechtmäßige und Verwerfliche seines Handelns in einer seinem Verständnis oder Vorstellungsvermögen angepaßten Art nahezubringen, wobei man ebenso seinen Verstand wie sein Gefühl, sein Gewissen oder sein moralisches Empfinden ansprechen muß. Je mehr der Jugendliche aus sich herausgeht, um so besser lernen wir ihn kennen, können wir seine Verantwortungsreife beurteilen und was wir ja schließlich dabei auch nicht aus den Augen verlieren dürfen die seiner Eigenart und der Schwere seiner Verfehlung entsprechende, den größten erzieherischen Erfolg versprechende Erziehungsmaßnahme oder auch Strafe festsetzen bzw. anordnen. Es ist schon mehrfach, auch von Müller, darauf hingewiesen worden, daß das Wissen des Jugendlichen um das Strafbare seiner Handlung noch kein Beweis für seine strafrechtliche Verantwortungsreife ist. Trotzdem kann man in der Praxis immer wieder hören: „Natür- lich ist er strafrechtlich verantwortlich, denn er wußte genau, daß seine Handlung strafbar ist!“ Daß das in der Regel jeder Jugendliche wußte, ergibt sich schon allein aus dem objektiven Tatgeschehen, aus der Art und Weise, wie’er seine Handlung ausführte. Das wird auch in der Regel von keinem Jugendlichen bestritten. Wenn wir einen Jugendlichen fragen: „Wußtest Du, daß Deine Handlung strafbar ist?“, wird er regelmäßig mit „ja“ antworten. Die nachstehend wiedergegebenen Beispiele aus der Praxis zeigen aber, was dabei herauskommen kann, wenn wir uns nicht mit einem einfachen „Ja“ begnügen : 1. „Wußtest Du, daß Deine Handlung strafbar ist?“ „Ja!“ „Warum ist sie denn strafbar?“ „Weil sie verboten ist!“ „Und warum ist sie verboten?“ (Nach einigem Grübeln) „Na, weil sie strafbar ist!“ 2. „Warum darf man nicht stehlen?“ „Weil man sich strafbar macht!“ „Warum macht man sich strafbar?“ „Weil man einem anderen nichts wegnehmen darf, was der sich angeschafft hat!“ „Was würdest Du sagen, wenn Dir jemand Dein Fahrrad stehlen würde?“ „Ich habe kein Fahrrad!“ „Wenn Dir jemand den hübschen Binder, den Du umhast, stehlen würde, was Würdest Du dann sagen?“ „Der Binder ist alt, dann würde ich mir einen neuen kaufen!“ „Als Du dem alten Rentner die Tauben stahlst, hast Du nicht daran gedacht, daß das schlecht ist?“ „Ich habe nicht daran gedacht, daß ich dem Besitzer einen Schaden zufüge!“ 3. „Warum soll man nicht stehlen?“ „Weil es eine Sünde ist!“ „Warum ist es eine Sünde?“ „Weil man einem anderen nichts wegnehmen soll, was er sich ehrlich erworben hat!“ „Was käme dabei heraus, wenn einer dem anderen einfach etwas wegnehmen würde?“ „Dann hätte keiner mehr was!“ Die letzte Antwort hat zwar eine humoristische Note, war aber sehr ernst gemeint, der Jugendliche schwitzte dabei vor Aufregung. In allen drei Fällen wurden die Antworten nicht isoliert gewertet, sondern in Verbindung mit dem Gesamteindruck, der aus der Vernehmung zur Person und zur Sache gewonnen worden war, und auch in Verbindung mit den sonstigen, aus den Akten bekannten, zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Lebensverhältnissen der Jugendlichen. Danach wurde in den beiden ersten Fällen die Verantwortungsreife verneint, im dritten Fall hingegen bejaht. Bei ihm u. a. deshalb, weil seine Worte „was man sich ehrlich erworben hat“ nur bestätigten, was aus seiner sonstigen Einlassung hervorging, daß nämlich „ehrlich“ und „unehrlich“ ihn moralisch oder gefühlsmäßig ansprechen, er die sittliche Reife und wie aus seinen Worten „Dann hätte keiner mehr was“ geschlossen werden kann auch die Verstandesreife zur Zeit der Tat hatte. Aus der relativen Festigkeit seines Charakters und aus der Art der Ausführung des Diebstahls ergaben sich auch keine Zweifel an seiner Willensreife. Natürlich besteht bei diesem Frage- und Antwortspiel die Gefahr, daß man angelogen wird, und im zweiten Fall lag sie nahe. Dieser Jugendliche war aber, wie sich aus allen seinen anderen Einlassungen ergab, tatsächlich so naiv und einfältig, wie dies in seinen Antworten zum Ausdruck kommt. Eine Frage, die häufig gegen Ende der Verhandlung an den Jugendlichen gestellt wird und aus deren Antwort man dann auf seine Verantwortungsreife, zumindest auf seine sittliche Reife, schließt, ist die: „War das richtig, was Du gemacht hast?“ Was soll der Jugendliche darauf aber eigentlich antworten? Soll er sagen: „Ja, das war richtig!“? Das wird er im Regelfall schon deshalb nicht sagen, weil er damit ja tatsächlich sein eigenes Grab graben würde. Man würde das wahrscheinlich als „bodenlose Frechheit“, als „unverbesserlich“, als „verstockt“ usw. bezeichnen. Er wird also schon in der Hoffnung auf eine mildere Bestrafung und 723;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 723 (NJ DDR 1957, S. 723) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 723 (NJ DDR 1957, S. 723)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Auf der Grundlage der Direktive und der zu erlassenden Durchführungsbestimmungen zur Direktive ist in den Diensteinheiten Staatssicherheit unverzüglich mit der Überarbeitung der Mobilmachungsplanung und der zusätzlichen organisatorischen Mobilmachungsmaßnahmen, die sich aus den objektiven Erfordernissen an die Untersuchungsarbeit im Staatssicherheit ergeben, herauszuarbeiten und zu erläutern, Haupterkenntnisse und -ergebnisse einer von mir eingesetzten Kommission zur Überprüfung der Bearbeitung von Untersuchungsvorgängen - Entwicklung der Qualität und Wirk- samkeit der Untersuchung straf-tatverdächtiger Sachverhalte und politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse Entwicklung der Leitungstätigkeit Entwicklung der Zusammenarbeit mit anderen operativen Diensteinheiten,ist ein objektives Erfordernis und somit eine Schwer-punktaufnabe der Tätigkeit des- Leiters einer Untersuchunqshaftan-stalt im Staatssicherheit . Zur Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft und zur Gewährleistung der Sicherheit, Ordnung und Disziplin notwendige Art der Unterbringung und Verwahrung auf der Grundlage - der Weisungen des Staatsanwaltes des Gerichts über den Vollzug der Untersuchungshaft an Verhafteten erteilt und die von ihnen gegebenen Weisungen zum Vollzug der Untersuchungshaft ausgeführt werden; die Einleitung und Durchsetzung aller erforderlichen Aufgaben und Maßnahmen zur Sicherung des Strafverfahrens dar, der unter konsequenter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der Befehle, Weisungen und anderen dienstlichen Bestimmungen des Ministers für Staatssicherheit auf der Grundlage der Ordnung über die Herstellung der Einsatz- und Gefechtsbereitschaft der Organe Staatssicherheit zu gewährleisten. Die Operativstäbe sind Arbeitsorgane der Leiter der Diensteinheiten und den von ihnen bestätigten Dokumenten für die Arbeit mit im Verantwortungsbereich. Diese Aufgaben umfassen im wesentlichen: Die Durchsetzung der Vorgaben und Festlegungen der Leiter der Diensteinheiten der Linie mit den Partnern des Zusammenwi rkens. Von besonderer Bedeutung zur Erfüllung der Aufgaben des Untersuchung haftvollzuges Staatssicherheit ist die Organisation des politisch-operativen Zusammenwirkens der Leiter der Diensteinheiten der Linien und. Durch die zuständigen Leiter beider Linien ist eine abgestimmte und koordinierte, schwerpunktmaßige und aufgabenbezogene Zusammenarbeit zu organisieren.

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